Siegsdorf – Er ist ein sportlicher Tausendsassa: Leichtathletik-Abteilungsleiter beim SV Ruhpolding, Kreisstatistiker im Chiemgau, Langstreckenläufer mit über 60 bewältigten Marathons weltweit und Kampfrichter beim Biathlon-Weltcup in Ruhpolding, alles seit vielen Jahren: Dr. Bernd Winkler aus Siegsdorf. Jetzt hat sich der 58-Jährige einen Traum erfüllt. Er war einer von 45000 Volunteers bei den Olympischen Spielen in Paris mit Einsatzbereich Medienzentrum im Stade de France während der Leichtathletik-Wettbewerbe.
„Es war ein
Wahnsinnserlebnis“
„Es war ein Wahnsinnserlebnis, ich hatte viel Spaß, bin von den Eindrücken überwältigt, der Wow-Effekt war täglich da“, resümiert einer, der zweimal im Jahr die Ruhpoldinger Ortsmeisterschaften organisiert, dazu die Meile von Ruhpolding und Helfer bei den Chiemgau-Meisterschaften ist. Allerdings: „Auch bei Olympischen Spielen wird nur mit Wasser gekocht, es gibt die gleichen Herausforderungen wie auf regionaler und nationaler Ebene!“
In ähnlicher Funktion hatte Winkler auf der großen Bühne schon bei zwei Leichtathletik-Europameisterschaften gearbeitet, immer ehrenamtlich wie jetzt, immer mit gleich großem Engagement, immer mit riesiger Begeisterung.
Fließendes
Französisch hilft
Und weil er auch Volunteer bei den European Championships 2022 in München war, mit Einsatzplan je zur Hälfte beim Gerätturnen und bei der Leichtathletik im Olympiastadion, brachte er beste Voraussetzungen für einen Einsatz in Paris mit. Hinzu kam, dass er fließend Französisch spricht.
So war der Weg zu den Spielen vorgezeichnet. Und der Weg war lang. Im Frühjahr 2023 hatte er sich offiziell beim Organisationskomitee (OK) online beworben, musste, wie alle anderen Bewerber auch, viel Persönliches preisgeben und konnte das Motivationsschreiben auch komplett in französischer Sprache formulieren. Am Ende wartete ein 150-Fragen-Katalog, aus dessen Antworten ein maschinell präferiertes Tätigkeitsprofil generiert wurde. Ergebnis: Wunsch-Einsatz-Bereich bei der Leichtathletik in Medien- oder VIP-Betreuung oder Wettkampftechnik.
„Für mich wie ein
Lotteriegewinn“
„Dass es dann die Medienbetreuung wurde, war für mich wie ein Lottogewinn“, freute sich Winkler, der aber nach der ersten Kontaktaufnahme erst einmal ein halbes Jahr lang nichts hörte. Ende September kam die Frohbotschaft dann aus Paris mit einer Zusage für den Medienbereich im Stadion. Verbunden damit waren sämtliche Details zum Volunteer-Einsatz. Es folgten Anfang des Jahres mehrere Online-Schulungen in englischer und französischer Sprache, die ihn auf den Einsatz vorbereiteten. Vor Ort wurden zusätzlich weitere Schulungen auf freiwilliger Basis angeboten, auf die Winkler jedoch verzichtete.
Das hing auch damit zusammen, dass ihn als promovierter Statistik- und Wirtschaftswissenschaftler bei der Allianz München der Fulltime-Job in der Sparte Krankenversicherung voll umfänglich ausfüllt und er sich für die Spiele ohnehin Urlaub nehmen musste. Auch die An- und Abreise nach Paris sowie die Übernachtung wurden selbst finanziert. Gestellt wurde lediglich die Verpflegung im Stadion und das Outfit. Jeder Volunteer bekam vier T-Shirts, zwei Hosen, eine Wetterjacke, eine Weste, vier Paar Socken und Schuhe und eine Transporttasche. Highlight war aber ein Hut, der etwas an die Fremdenlegion erinnert und der im Netz aktuell für 300 bis 400 Euro gehandelt wird. „Für mich absolut unverkäuflich“, betont er.
Allein schon Akkreditierung und Einkleidung seien besondere Erlebnisse gewesen. Sie seien in großen Messehallen erfolgt, von der Kleidung her habe alles sofort gepasst. „Wir mussten unsere Konfektionsgrößen ja im Vorfeld mitteilen, so ging alles ganz schnell“, erklärt Winkler, der auch den Vorteil hatte, dass die Leichtathletik-Wettbewerbe erst in der zweiten Woche über die Bühne gingen. So hatte er keine großen Wartezeiten, denn das Gros der Volunteers war ja zu Beginn der Spiele ausgerüstet worden.
In der Medienbetreuung sei es ein Team von rund 50 Volunteers gewesen. Die Aufgaben bestanden vor allem darin, die Sportler und ehemaligen Sportler sowie Betreuer und Funktionäre zu Pressekonferenzen zu begleiten, die Plätze für Reporter und Journalisten im Stadion zu managen, die vier großen Arbeitssäle für die Berichterstatter zu betreuen und die Medienvertreter bestens bei ihrer Tätigkeit zu unterstützen. In der Regel dauerte ein Arbeitstag von 15 bis 23 Uhr, einige Male wurde aber Mitternacht überschritten, weil die Wettbewerbe später endeten und die anschließenden Pressekonferenzen mit Übersetzungen oft noch eine Stunde andauerten.
Insta-Story mit
Paula Radcliffe
Natürlich war der Volunteer auch mit prominenten Sportlern und bekannten Reportern zusammengekommen. Fasziniert habe ihn vor allem Paula Radcliffe, ehemalige Weltrekordlerin, Welt- und Europameisterin im Langstreckenlauf aus Großbritannien. Die 50-Jährige war als Expertin eines britischen Senders vor Ort. „Natürlich habe ich als selbst aktiver Langstreckenläufer mit ihr gleich eine Story gepostet“, erzählt Winkler nicht ohne Stolz.
Viele Highlights im
Stadion miterlebt
Im Stadion selbst habe er viele Highlights miterlebt, wie den 100-Meter-Lauf der Herren, die Zehnkampf-Entscheidung oder den Stabhochsprung-Weltrekord von Armand Duplantis und vieles mehr, denn während die Wettbewerbe liefen, sei es im Medienzentrum etwas ruhiger zugegangen. Neben den sportlichen Spitzenleistungen habe ihn die Atmosphäre im Stadion, die ganz besondere Stimmung und vor allem die Präsentation der Sportler durch geschickte Auswahl an musikalischen Einspielungen beeindruckt. „Ich würde mir für Ruhpolding beim Biathlon wünschen, dass wir uns in eine ähnliche Richtung weiterentwickeln“, sagt er. Bekannte Reporter wie Siegi Heinrich von Eurosport oder Olaf Brockmann, ein Urgestein der Kronenzeitung in Österreich, seien täglich an ihm vorbeigelaufen.
Und wenn er nicht im Stadioneinsatz war, konnte er auch bei anderen Wettbewerben vorbeischauen. „Ich habe fantastische Beachvolleyball-Spiele nachts unter dem Eiffelturm live erlebt, das Finale der Damen, und auch das Hockey-Halbfinale der Damen zwischen Niederlande und Argentinien im Yves-Du-Manoir-Stadion, dem alten Olympiastadion von 1924“, strahlt Winkler. Dafür habe seine Akkreditierung aber nicht ausgereicht, er habe sich Kaufkarten geleistet. Mit dabei war beim Beachvolleyball auch Tochter Clara, die von ihrem Studienort in Aachen eine Stippvisite an die Seine machte.
Große Aufregung
am letzten Tag
Und zum Thema Sicherheit meinte er: „Wir haben uns immer sicher gefühlt, auch nachts um 2 Uhr in der U-Bahn oder auf dem Weg zur Unterkunft!“ Drei große Sicherheitsringe habe es stets um die Sportstätten gegeben, alles habe perfekt funktioniert.
Aufregend sei auch noch mal der letzte Tag gewesen, als für die Abschlussfeier am Abend stundenlang Generalproben im Stadion abliefen. Die Eröffnungsfeier hatte er übrigens zusammen mit seiner Frau noch daheim in Siegsdorf im Fernsehen angeschaut. Sie arbeitet als Tierärztin im Landkreis Traunstein und saß vor allem bei den Pferdesport-Übertragungen vor dem Bildschirm.
Derweil ist der Volunteer wieder daheim. Ausruhen gilt jedoch nicht, denn er bereitet mit einem Team die Leichtathletik-Chiemgau-Meisterschaften im September in Ruhpolding vor und erstellt eine 100-Jahre-Chronik des SV Ruhpolding für den runden Geburtstag im Juli 2025. „Ist ja fast das Gleiche wie Olympia“, scherzt der Multifunktionär und trainiert noch für den in seiner Sammlung noch fehlenden großen internationalen Marathon – in Tokio im Frühjahr 2026.