Das Wunder von Wasserburg

von Redaktion

Die Wasserburger Tafel kann es nicht fassen: Zum dritten Mal in diesem Sommer haben Unbekannte der Einrichtung für Bedürftige Geld gespendet. Renate Steinbichler und Barbara Pömsl von der Tafel-Leitung über moderne Engel und kleine Wunder.

Wasserburg – Los ging es mit einer älteren Dame, die Renate Steinbichler mehrere Hundert Euro in die Hand drückte. Sie habe dem heiligen Josef versprochen, an die Tafel zu spenden, berichtete sie. Mehr nicht. Weitere Erklärungen wollte sie nicht abgeben. Dann folgte ein Herr, der am Ausgabetag mit seinem Auto vor der Tafel in der Brunnhuber Straße anhielt, heraussprang und Steinbichler blitzschnell einen Umschlag in die Hand drückte: 500 Euro lagen darin. „Bei wem kann ich mich bedanken?“, rief sie ihm hinterher, doch der Mann gab Gas und sauste davon.

Hohe Geldspende
im Briefkasten

„Vergangene Woche fanden wir dann im Briefkasten erneut eine Spende: 800 Euro, anonym geschickt per Post, gezeichnet nur mit einem Vornamen“, berichtet die Tafelmitarbeiterin. Sie und Barbara Pömsl sind gerührt: „Wir würden uns gerne bedanken, wissen jedoch nicht bei wem. Deshalb tun wir es jetzt auf diesem Wege“, sagen sie.

Ist es ein Zufall, dass innerhalb weniger Wochen dreimal unbekannte Engel die Tafel bedacht haben? „Vermutlich“, nimmt Steinbichler an. Ihr machen diese Taten jedoch Mut: „Es gibt noch Menschen, die Gutes tun wollen und die sich in die Lage von anderen hineinversetzen können, denen es nicht so gut geht.“ Das sei ein gutes Zeichen in einer Welt, die immer menschenfeindlicher werde und in der der Einzelne sehr auf sich und seine Bedürfnisse konzentriert sei, ergänzt Pömsl.

Nicht nur Lebensmittel, auch Geldspenden bekommt die Wasserburger Tafel regelmäßig: Vereine überreichen den Erlös aus Festen oder Aktionen. Privatpersonen übergeben Geld, das sie beispielsweise zum Geburtstag bekommen haben oder laden gleich ein mit dem Verweis, sie würden gerne auf Geschenke verzichten und stattdessen an die Tafel spenden. Dann gibt es oft ein Treffen mit den Tafel-Organisatoren, um Danke zu sagen. Und natürlich die obligatorische Spendenquittung für das Finanzamt. Auf diese verzichten die anonymen Geldgeber. Sie wollen, so stellt die Tafel-Leitung fest, bewusst unbekannt bleiben, ihre Wohltat nicht publik machen, sich nicht erklären.

Pömsl weiß aus ihrer langjährigen Tätigkeit im von ihr gegründeten Verein Silberstreifen, der in der Schön Klinik Vogtareuth Familien von neurologisch erkrankten Kindern unterstützt, dass es Menschen gibt, die nach einer überstandenen Krise nicht zur Tagesordnung übergehen, sondern das Bedürfnis haben, etwas zurückzugeben. So spenden Angehörige, deren Kind in der Schön Klinik Vogtareuth erfolgreich operiert wurden und wieder genesen ist, manchmal für Familien, bei denen es noch kein Happy End gab. Pömsl und Steinbichler gehen davon aus, dass die Engel von Wasserburg die Tafel unterstützen, weil sie sich gut hineinversetzen können in die Situation von Menschen, bei denen das Geld nicht reicht, um satt zu werden.

Die Tafel ist auch auf Geldspenden angewiesen, sagen die Ehrenamtlichen. Denn die Wasserburger Einrichtung der Diakonie hat mittlerweile 260 Haushalte zu versorgen. Das sind etwa 500 Menschen, doppelt so viele wie vor dem Ukraine-Krieg. Es gibt eine Warteliste. Viele Kunden wohnen in der neuen Flüchtlingsunterkunft im ehemaligen Romed-Krankenhaus. Außerdem gibt es nach den Erfahrungen der Tafel viele ältere Menschen, vor allem Frauen, bei denen die Rente nicht reicht. Nur schwer kämen außerdem viele Alleinerziehende mit kleinen Kindern über die Runden.

Die Supermärkte und Unternehmen in der Region spenden fleißig Lebensmittel und Waren für den alltäglichen Bedarf, etwas Hygieneartikel, doch es reicht oft nicht. Beispiel Milch: Am Ausgabetag in dieser Woche gab es nur drei Flaschen für 200 Leute. Dann kauft die Tafel zu.

„Dabei befinden wir uns in einer Zwickmühle“, sagt Pömsl, „denn zum Grundgedanken der Tafel seit 31 Jahren gehört es, Lebensmittel zu retten und zu verwerten.“ Doch so nachhaltig dieses Ziel auch ist, manchmal reichen die Warenspenden einfach nicht aus für die vielen Menschen, die hier dienstags Lebensmittel erhalten. Um zukaufen zu können, benötigt die Einrichtung auch Geldspenden. „Berührend“ finden Steinbichler und Pömsl sowie ihr 30- bis 40-köpfiges Team von Ehrenamtlichen, darunter viele ältere Damen und auch Aktive, die früher selber Kunden der Tafel waren, dass die Tafel auch finanziell unterstützt wird – manchmal sogar ohne dass der Wohltäter oder die Wohltäterin publik wird.

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