„Mit Kanonen auf Spatzen“

von Redaktion

Nach den Bluttaten in der Region wird die Frage diskutiert: Was bringt ein verschärftes Messerverbot? Ein Vorhaben von Bundesinnenministerin Faeser stößt auf gemischte Reaktionen. Und lässt die Männer mit den längsten Klingen ohnehin kalt.

Rosenheim – Dreimal innerhalb weniger Wochen floss Blut, dreimal war ein Messer im Spiel. Am 21. Juli verletzte ein 25-jähriger Rumäne am Rosenheimer Bahnhof einen 34-jährigen Peruaner mit einer Stichwaffe. Tags zuvor war ein 24-jähriger Afghane in Halfing mit einem Cuttermesser auf einen 26-jährigen Somalier losgegangen. Und am frühen Morgen des 10. August verletzte ein Jugendlicher in Bad Endorf einen 29-jährigen Marokkaner mit einem Messer an der Brust.

Gemischte Reaktion auf geplantes Verbot

So viel Gewalt. Hilft da das verschärfte Messerverbot, das Bundesinnenministerin Nancy Faeser jetzt ankündigte? Die Reaktionen fallen gemischt aus. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann gibt den Ton vor. „Die Zunahme an Messerdelikten in den letzten Jahren ist besorgniserregend“, sagt Herrmann. „Die geplanten Verschärfungen von Frau Faeser halte ich aber für Symbolpolitik.“

„Da wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen“, sagt auch Pankraz Perfler, Vorsitzender des Bayerischen Inngau-Trachtenverbands mit Sitz in Rosenheim und stellvertretender Vorsitzender im Landesverband. Schließlich gebrauchten die Trachtler ihr Messer als Accessoire zur Tracht und als Werkzeug, nicht als Waffe. „Von Trachtlern geht doch keine Gefahr aus“, sagt Perfler. Derlei sei ähnlich sinnvoll, wie die Teilnehmer des Umzugs zur Wiesneröffnung zu durchsuchen, wo sich doch jeder Übelgesinnte mit einem Rucksack auf die Theresienwiese schleichen könne. Überhaupt die Kontrolle: Wie will man überall alle auf Messer kontrollieren?

Hirschfänger bleibt bayerisches Brauchtum

Der Hirschfänger an der rechten Seite: Das sei keine Waffe, das sei für viele Menschen in Bayern Brauchtum und Teil der Tracht, sagt Lorenz Thum, Jagdberater am Landratsamt Rosenheim. Die Bayern und ihr Schmuckmesser, das sei ein friedliches Verhältnis. „Ich hab noch nicht gehört, dass ein Gebirgsschütz‘ mit dem Messer auf jemanden eingestochen hätte.“ Für ihn als Jäger sei das Messer wiederum notwendiges Werkzeug. Zehn bis zwölf Zentimeter sei so ein Messer schnell mal lang, mithin weit über dem erlaubten Maß von sechs Zentimetern. Ein Verbot für Jäger sei „abwegig“, meint er. „Wir brauchen’s doch, um das Wild aufzubrechen.“ Vorsichtig äußert sich die Polizei. „Eine Kommentierung dieser Vorhaben steht dem Polizeipräsidium Oberbayern Süd hierbei nicht zu“, bemerkt Sprecher Daniel Katz. Zumindest im Bereich des Präsidiums mit seinen neun Landkreisen sei aber – den jüngsten Gewalttaten zum Trotz – kein wirklicher Trend zur Stichwaffe erkennbar. „Eine Zunahme von Angriffen mit Messern lässt sich aus den Daten der polizeilichen Kriminalstatistik nicht ableiten“, sagt Katz. Ebensowenig der oft behauptete und offenbar schwer zu belegende Zusammenhang von Migrationshintergrund und Messergewalt.

Polizei stellt keinen regionalen Trend fest

„Im Bereich des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd sind bei den Fallzahlen von Angriffen mit Messern unter Beteiligung von Nichtdeutschen keine Steigerungen zu verzeichnen. Ebenso lässt sich auch hier in den letzten vier Jahren kein Trend feststellen.“ Anton Hötzlsperger fühlt sich, als begeisterter Trachtler und Schwammerlsucher, gleich doppelt angesprochen. Ein generelles Verbot hält er für „überzogen“. Auch der Priener sieht den „Hirschfänger“ nicht als Waffe, sondern als Bestandteil der Tracht – und als Werkzeug. „Wenn ich aufs Marktfest in Prien geh, dann hab ich das Messer für die Brotzeit dabei.“

Auch als Pilzsucher könnte ihn das Messerverbot betreffen. Allerdings wirklich nur sehr theoretisch. Einerseits sei ein Messer vonnöten, um die Stile der Schwammerl sauber abzuschneiden, ohne das unterirdische Pilznetzwerk zu beschädigen. Andererseits seien die Messer eh ziemlich kurz – „ein kleines Küchenmesser halt oder ein Taschenmesser“. Damit könne dann auch sein Enkel schon vorsichtig ans Pilzesammeln herangeführt werden.

Für Auftritte in Tracht ohne Brotzeit-Einsatz hat Hötzlsperger seine eigene Lösung gefunden. Seit der Verschärfung der Regeln an Flughäfen „habe ich mir einen Kamm zugelegt, der eingesteckt ausschaut wie ein Messer und somit die Tracht komplettiert.“ Seither habe er keine Probleme mehr bei Kontrollen.

Die Legionäre führen weiter ihr Schwert

Gelassen sehen das mögliche Verbot ausgerechnet die mit den größten Messern in weitem Umkreis. Die Legionäre des Römermuseums in Seebruck am Chiemsee sind zuversichtlich, weiter den Gladius führen zu dürfen. „Meine Römer-Waffen laufen wegen Stumpfheit und Art unter Deko- und Theaterwaffen“, sagt Mathias Ziereis, Centurio und Leiter des Römermuseums.

Auch seine Legionäre habe er vergattert, auf scharfe Waffen zu verzichten. „Ich bin nur gespannt, ob sich im Bereich ‚Dekowaffen‘ auch was ändert.“ Am Ende müssten die Legionäre womöglich mit Holzschwertern herumlaufen, meint Ziereis. „Kunststoff wäre ja nicht so nachhaltig.“

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