Wasserburg – „Ich lasse mich als Wasserburger Bürger nicht mundtot machen“, sagt Josef Baumann, Stadtrat der Freien Wähler Reitmehring-Wasserburg. Er ist auch Mitglied im Aufsichtsrat des Romed-Verbunds. In ihm sitzen Vertreter der Stadt Rosenheim und des Landkreises, beide Träger des Klinikverbunds. Die Aufsichtsratsmitglieder sind an die Verschwiegenheitsverpflichtung des Gremiums gebunden. Doch Baumann sieht nicht ein, warum er seine Meinung als Bürger, dem viel zugetragen werde, zu den Vorgängen rund um die schwere Krise in der Geburtsklinik von Romed Wasserburg Ende 2022/Anfang 2023 nicht sagen sollte.
Nicht zufrieden
mit dem Gutachten
Im Fokus seiner Kritik: das Gutachten, das die damalige Romed-Verbunds-Geschäftsführung Anfang 2023 in Auftrag gegeben hatte. „Ich war und bin nicht zufrieden mit dem Gutachten“, sagt Baumann.
Das Ergebnis sei den Mitgliedern des Aufsichtsrats nicht ausgehändigt, sondern nur mündlich mitgeteilt worden. Es habe keine Fehlentscheidungen gegeben, habe es geheißen. Er habe es als unausgesprochenen Appell verstanden: „Jetzt haltet’s das Maul.“ Doch er habe „nicht weiter nachgehakt“, räumt Baumann selbstkritisch ein.
Als Grund nennt er seine Sonderrolle als Wasserburger Stadtrat und Bürger. Er habe sich wie ein „vorlauter Nestbeschmutzer“ gefühlt, als er immer wieder nachgehakt habe in puncto der damals bekannt gewordenen angeblichen Vorfälle, und auch, nachdem er den Verdacht geäußert habe, die Entlassung des kaufmännischen Leiters am Standort Wasserburg stehe damit in Zusammenhang. Baumann kennt nach eigenen Angaben außerdem eine Familie, die mutmaßlich betroffen ist.
Baumann hat das Gutachten als Aufsichtsrat nicht eingefordert, sondern als Privatperson aus einer anderen Quelle heraus gelesen, betont er. Und deshalb könne er als Bürger, der sich informiert habe, nicht als Aufsichtsrat, seine Überzeugung kundtun, das Gutachten sei nicht objektiv gewesen. Der externe Gutachter habe „nur acht ausgesuchte Fälle untersucht“, in Baumanns Augen vom Schreibtisch aus.
Diese Auswahl betreffe nicht alle tatsächlichen Probleme zu jener Zeit in der Romed-Klinik Wasserburg. Es sei nicht ausreichend abgebildet und untersucht worden, was damals alles schiefgelaufen sei. „Jetzt kommt endlich alles auf den Tisch, jetzt wird es juristisch aufgearbeitet“, sieht sich Baumann in seiner Kritik bestätigt.
Die Staatsanwaltschaft Traunstein ermittelt wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung in einem und der fahrlässigen Körperverletzung in elf Fällen gegen eine Ex-Chefärztin.
Ist die Kritik am Gutachten berechtigt? Die Aufsichtsratsvorsitzenden, Rosenheims Oberbürgermeister Andreas März und Landrat Otto Lederer, weisen auf Anfrage eine Stellungnahme zu einem Fragenkatalog der Redaktion zurück. Die Sitzungen des Aufsichtsrats seien laut Paragraf 11 Absatz 4 und 5 des Gesellschaftsvertrags nicht-öffentlich. Die Mitglieder des Aufsichtsrats seien während ihrer Amtsdauer und auch nach deren Ablauf Dritten gegenüber zur Verschwiegenheit in allen Angelegenheiten verpflichtet. Deshalb könnten Fragen, die ausschließlich Inhalte aus dem Aufsichtsrat des Romed-Verbundes betreffen würden, nicht beantwortet werden, teilen die beiden Pressestellen in einer gemeinsamen Erklärung mit.
Es gab eine
Sondersitzung
Im Aufsichtsrat sitzt auch Georg Reinthaler (Grüne), Bürgermeister von Eiselfing. Auch er verweist auf die Verschwiegenheits-Verpflichtung, ebenso auf das laufende Ermittlungsverfahren und die Unschuldsvermutung. Nur so viel: „Ich kann bestätigen, dass es eine Sondersitzung des Aufsichtsrats zur Thematik gegeben hat.“ Diese habe im Februar 2023 stattgefunden. Rund um Weihnachten 2022 waren laut Aufsichtsrat Josef Baumann die ersten Mitteilungen aus dem Personal und von betroffenen Familien bei Gremiumsmitgliedern aufgeschlagen.
In der Sondersitzung habe die damalige Geschäftsleitung des Romed-Verbunds im Februar 2023 die Mitglieder nicht nur umfassend über die Problematik informiert. In dieser Sitzung habe der frühere Geschäftsführer auch dringend empfohlen, einen unabhängigen, externen Gutachter, der mit der Geburtshilfe vertraut sei, zur Klärung einzuschalten. Diesem Rat sei der Aufsichtsrat gefolgt. Der Schritt sei von allen Mitgliedern als wichtig und dringlich bewertet worden. Im Fortgang sei der Aufsichtsrat bei seinen nächsten Sitzungen von der Geschäftsführung des Verbunds jeweils über den aktuellen Sachstand informiert worden. Zu den Inhalten dürfe er aus Gründen der Verschwiegenheitspflicht nichts sagen.
„Ich persönlich bin seit 2014 Aufsichtsratsmitglied und kann sagen, dass ich mich bezüglich dieses Themas und übrigens auch bei allen anderen immer umfassend informiert gefühlt habe“, sagt Reinthaler.
Kontrollfunktion
nachgekommen
Schon bevor die Debatte um die damalige Krise in der Geburtsklinik öffentlich bekannt geworden sei, habe der Aufsichtsrat diesbezüglich Informationen erhalten. Es sei auch jedem Aufsichtsratsmitglied freigestellt, das Gutachten einzufordern. Von der Möglichkeit, Dokumente einzusehen, mache der Aufsichtsrat stets rege Gebrauch.
Reinthaler legt Wert auf die Feststellung, dass sich das Gremium intensiv mit der Problematik befasst habe. Schließlich sei es ein hochsensibles Thema für die Region Wasserburg und den Romed-Verbund. Jedes Mitglied nehme seine Aufsichtsfunktion sehr ernst, so seine Erfahrung. Auch bei schwierigen Themen werde intensiv nachgefragt. „Ich kann ruhigen Gewissens bestätigen, dass in diesem Aufsichtsrat niemand Vorschläge der Geschäftsleitung oder Entscheidungen einfach nur abnickt.“