Halfing – Im Juli waren es acht, jetzt sind es noch fünf Asylbewerber aus Nigeria, Somalia und Afghanistan, die in Deutschland straffällig geworden sind, ihre Haftstrafen verbüßt und ihr Aufenthaltsrecht verloren haben. Da sie nicht in ihre Heimatländer abgeschoben werden können, bleiben sie als Geduldete in Deutschland. Konkret im alten Gasthof von Grafing, einem kleinen Weiler mit kaum 100 Einwohnern in der Gemeinde Halfing.
Als „Personen mit erhöhtem Konfliktpotenzial“, wie die Regierung von Oberbayern sie bezeichnet, brauchen sie einen besonderen Schutz. „Aufgrund der Umstände des Einzelfalls“, so erklärt ein Regierungssprecher gegenüber dem OVB, sind „besondere präventive Maßnahmen angezeigt“. Im Falle von Grafing ist das ein Sicherheitsdienst: Rund um die Uhr werden fünf Asylbewerber von zwei Security-Mitarbeitern bewacht. Die werden mit „speziellen Schulungen wie zum Beispiel Abwehrtechniken oder Deeskalationstraining“ auf ihren Einsatz vorbereitet, erklärt das Landratsamt auf OVB-Anfrage: „Waffen dürfen sie keine tragen.“
Sicherheitsdienst
ist unbewaffnet
Wenn die Asylbewerber selbst Waffen nutzen, muss die Security die Polizei rufen. So wie am 20. Juli, als ein 24-jähriger Afghane einen 26-jährigen Somalier mit einer Bratpfanne am Kopf verletzte und ihm mit einem Cuttermesser eine Stichwunde am Oberschenkel zufügte.
Außerhalb ihrer Einrichtung dürfen sich die Asylbewerber von Grafing frei und unbewacht bewegen. Keiner der Bewohner werde „als islamistischer Gefährder geführt“. Es sei nicht geplant, die Sicherheitsvorkehrungen zu erhöhen, informiert das Landratsamt. Nach Solingen sollen Messer bei öffentlichen Veranstaltungen oder im Fernverkehr verboten werden. Für Sondereinrichtungen wie Grafing aber gibt es „unserer Kenntnis nach bis jetzt keine Handlungsanweisungen, weder vom Bund noch vom Freistaat.“ Und obwohl nach dem Cuttermesser-Vorfall vom 20. Juli klar ist, dass sich die Asylbewerber trotz einer 24/7-Bewachung in ihrer Einrichtung bewaffnen können, werden sie beim Verlassen der Unterkunft nicht auf Messer kontrolliert: „Dafür gibt es keine rechtliche Grundlage“, so das Landratsamt.
Die Asylbewerber von Grafing sind ausreisepflichtig und gelten als „konfliktbeladen“. Ihrer Freiheit dürfen sie trotzdem nicht beraubt werden: „Ebenso wie bei deutschen Staatsangehörigen sind freiheitsbeschränkende Maßnahmen nur bei Vorliegen triftiger Gründe zulässig“, betont eine Sprecherin des Landratsamtes. Eine verbüßte Haftstrafe stelle keinen solchen Grund dar. „Selbst ausländerrechtlich kann die Freiheit von ausreisepflichtigen und konfliktgeladenen Asylbewerbern – unabhängig von etwaigen Vorstrafen – nur unter sehr hohen Hürden eingeschränkt werden.“
Freiheit darf nicht
beschränkt werden
Die Regierung Oberbayerns ergänzt: „Freiheitsentziehende Maßnahmen zu präventiven Zwecken können nach der geltenden Rechtslage von den Unterbringungsbehörden auch im Einzelfall nur unter sehr hohen Voraussetzungen angeordnet werden und stehen nach verfassungsrechtlichen Vorgaben unter dem Vorbehalt richterlicher Entscheidung [Art. 104 Abs. 2 des Grundgesetzes].“
Aus Gründen der inneren Sicherheit könne die Freiheit eines ausreisepflichtigen Ausländers nur soweit eingeschränkt werden, „dass er sich wöchentlich bei der nächstgelegenen Polizeiinspektion melden muss“, erklärt das Landratsamt. Doch auch das müssen die Grafinger Asylbewerber nicht.
Gegenüber dem OVB haben Grafinger Bürger ihre Ängste beschrieben. Sie berichten von Drogenhandel im Umfeld der Einrichtung, von Lagerfeuern im Wald, aber auch von Geldforderungen und Drohungen. Auf die Frage, wie der Schutz der Anwohner gewährleistet werde, verweist das Landratsamt darauf, dass „der Ausländerbehörde ein solcher Sachverhalt nicht bekannt“ sei und es sich dabei „grundsätzlich um Straftatbestände handeln würde, für die die Zuständigkeit bei der Polizei liegt“.
Mehr als 3200 Asylbewerber – darunter 377 Ausreisepflichtige – leben im Landkreis Rosenheim. „Was die Sicherheit in den Asylunterkünften und deren Umfeld anbelangt, stehen die Regierung von Oberbayern, die Kreisverwaltungsbehörden und die Sicherheitsbehörden, insbesondere die Polizei, in engem Austausch und ergreifen gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen“, erklärt ein Regierungssprecher. Und auch das Landratsamt versichert, dass zur „Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Minimierung möglicher Sicherheitsrisiken die Unterkunftsverwaltungen – auch in Abstimmung mit den Sicherheitsbehörden – geeignete Maßnahmen treffen“. Dazu gehöre neben der „übergeordneten Belegungsplanung je nach Bedarf im Einzelfall beispielsweise der Einsatz von Sicherheitsdiensten in den Unterkünften sowie die Umverteilung von Störern“.
Schutz der Anwohner
gewährleistet?
Auf die Frage, wie verhindert werden könne, dass sich Asylbewerber radikalisieren und zu IS-Attentätern werden, heißt es: „Grundsätzlich wird die Radikalisierungsprävention in Deutschland und Bayern sehr engagiert betrieben. Für diese Präventionsarbeit setzen sich viele Akteure ein: Neben staatlichen Institutionen engagieren sich auch Vereine oder Nichtregierungsorganisationen.“