Rosenheim – An den Einsatz kann sich Wachleiter Benjamin Stelzer noch gut erinnern. Am vergangenen Sonntag mussten seine Kollegen einen jungen Mann retten. Er hatte versucht, über den Zaun des Friedhofs zu klettern, stürzte und brach sich den Fuß. „Aber solche Fälle kommen eher selten vor“, sagt der Feuerwehrmann. Er steht in der Nähe des Auerbräu-Biergartens im Kapuzinerweg. Es wird gescherzt, hin und wieder bleibt ein Kind am Zaun stehen und zeigt auf das Feuerwehrauto. „Wir kümmern uns vor allem um Kleinbrände“, sagt Stelzer. Also beispielsweise dann, wenn es in der Küche oder in einer Mülltonne zu brennen beginnt. Aber das sei äußert selten. „Das Personal ist sehr gut geschult“, sagt der Wachleiter. Deutlich häufiger müssen er und seine Kollegen Pflaster verteilen, für die „geschundenen Frauenfüße“, wie Stelzer schmunzelnd anmerkt.
Arbeit auf mehreren
Schultern verteilt
Ab 18 Uhr ist die Feuerwehr mit sechs Einsatzkräften vor Ort, davor seien es drei. „Wir haben genug Männer und Frauen im Team, sodass wir die Arbeit auf mehreren Schultern verteilen können“, sagt Stelzer. Zustimmung bekommt er von Zugführer Philipp Schildbach. Er weiß auch, dass es in den vergangenen 40 Jahren nie einen größeren Einsatz gegeben hat.
Um seine Aussage zu untermauern, holt er ein altes Einsatztagebuch aus dem Feuerwehrauto. Er blättert es durch, zeigt auf den ersten Eintrag aus dem Jahr 1978. „Jeder Einsatz wird hier dokumentiert“, sagte er. Ein Blick in das Buch zeigt: Schon damals wurden vor allem Füße mit Pflastern versorgt.
Die Einsatzkräfte vom Bayerischen Roten Kreuz haben im Gegensatz dazu alle Hände voll zu tun. Immer wieder stehen Herbstfest-Besucher vor ihrem Container. Einige klagen über Blasen aufgrund zu enger Haferlschuhe, andere haben mit Kreislaufproblemen oder Schlimmerem zu kämpfen. Geholfen wird ihnen allen.
„Wir machen unsere Arbeit zu 100 Prozent ehrenamtlich“, sagt BRK-Bereitschaftsleiter Markus Neef. Er und seine Kollegen sind während der 16 Wiesntage von 11 bis 24 Uhr im Einsatz. Je nach dem zu erwartenden Einsatzaufkommen sind zwischen sechs und 34 Kräfte vor Ort. Einige kommen aus der Region, andere reisen extra für das Herbstfest an. „Das sind rund 400 Schichten, die besetzt werden müssen“, sagt Neef. Personal zu finden sei in der Regel kein Problem, nur hin und wieder falle jemand aus, weil beispielsweise der Vollzeit-Beruf dazwischenkommt. Dann ist es an Markus Neef, sich um Ersatz zu kümmern.
16 Tage
voller Stress
Genießen kann der Leiter der BRK-Wiesnwache das Herbstfest trotz allem. Auch, wenn die 16 Tage mit viel Stress verbunden sind. Laufteams versorgen Patienten auf dem Gelände und bringen sie, wenn nötig, zurück zur Ambulanz, die sich neben dem Riesenrad befindet. Dort kümmert sich ein Ambulanzteam um die weitere Versorgung – bei Bedarf zusammen mit dem Wiesn-Ärzteteam von Dr. Fritz Ihler.
Größere Einsätze habe es in den ersten Wiesntagen – zum Glück – jedoch nicht gegeben. „Bisher hatten wir es hauptsächlich mit Insektenstichen und Kreislaufproblemen zu tun“, sagt Neef. Hin und wieder würden seine Kollegen auch seelischen Beistand leisten. „All die Dinge, die im Alltag passieren, sehen wir auch auf dem Herbstfest.“
Das bestätigt auch die Wiesnwache um Einsatzleiter Robert Maurer. Der Polizeihauptkommissar kümmert sich an diesem Abend erst einmal um die Kontrolle der Parkplätze. So komme es während der Herbstfest-Zeit immer wieder vor, dass sich Autofahrer auf Behindertenparkplätze stellen – obwohl sie da eigentlich nicht stehen dürften. „Wir sind mehrmals am Tag in der Stadt unterwegs und kontrollieren, ob sich jeder an die Regeln hält“, sagt der Polizeihauptkommissar.
Am Salzstadel fällt seinen Kollegen dann der erste Falschparker ins Auge. Ein grauer BMW steht auf einem Behindertenparkplatz. Von einem entsprechenden Ausweis fehlt jedoch jede Spur. Kurzerhand informiert Maurer den Abschleppdienst. 20 Minuten später schnallt der Mitarbeiter des Unternehmens die Gurte um die beiden Hinterräder des Autos. „Dadurch, dass wir nicht wissen, wann die Besitzer zurückkommen, warten wir nicht auf sie“, erklärt Maurer.
Abwechslung
vom Alltag
In der Regel würden sich die Besitzer dann in der Inspektion melden – viele mit einem schlechten Gewissen, weil sie bereits wissen, dass sie falsch geparkt haben. Ein teurer Fehler. „Am Wochenende ist man da schnell mal bei 400 Euro“, sagt Maurer. In den vergangenen fünf Wiesntagen mussten insgesamt 24 Autos abgeschleppt werden – fünf mehr als 2023 um die gleiche Zeit.
Während Maurer noch die letzten Informationen in seinen Unterlagen vermerkt, sind die beiden Polizeihauptmeister Michaela Meyer und Christoph Dienhart bereits auf dem Festplatz-Gelände unterwegs. „Bisher ist es sehr ruhig“, sagt Dienhart. Er arbeitet sonst bei der Autobahnpolizei, freut sich über die Abwechslung beim Herbstfest.
Immer wieder bleiben er und seine Kollegin stehen. Sie helfen Besuchern bei der Orientierung, erklären, wie sie am schnellsten zum nächsten Taxistand kommen. Kindern drücken sie Gummibärchen und Schlüsselanhänger in die Hand. Hin und wieder knackt das Funkgerät und sie werden über Vorfälle informiert. Aggressive Betrunkene. Ein Herbstfest-Gast, der versucht hat, einen Masskrug mit nach Hause zu nehmen. Eine Frau, deren Handtasche gestohlen wurde.
„Insgesamt mussten wir bisher (Stand: Mittwoch, 4. September) 19 Wiesnverbote aussprechen“, ergänzt Hauptkommissar Robert Maurer. Genau so viele, wie im vergangenen Jahr um die gleiche Zeit. Für Maurer ist das Herbstfest ein „positiver Stress“, auch wenn es sich um die wohl einsatzintensivste Zeit handelt. Denn auch das normale Geschehen abseits vom Fest geht ganz normal weiter.
Ähnlich wie Zugführer Philipp Schildbach und BRK-Bereitschaftsleiter Markus Neef lobt er vor allem die Zusammenarbeit. „Wir unterstützen uns gegenseitig. Das ist sehr besonders.“