„Die Grundversorgung ist gesichert“

von Redaktion

Fachkräftemangel und Zuzug – Schulamt informiert über Lage an Grund- und Mittelschulen in Region

Rosenheim – Die Sommerferien als Stresszeit: Arbeitsame Wochen liegen hinter Schulamtsdirektorin Angelika Elsner und ihren Mitstreitern am Staatlichen Schulamt in Rosenheim. Die Herausforderungen sind groß im neuen Schuljahr. Zum Beispiel in puncto Personal. Denn mehr Schüler treffen in den Grund- und Mittelschulen der Region Rosenheim auf immer noch wenige Lehrer. Eine weitere Herausforderung, das wurde beim Pressegespräch kurz vorm Start des neuen Schuljahres deutlich, ist die Digitalisierung. Vor allem das Thema künstliche Intelligenz.

Fachkräftemangel
im Klassenzimmer

„Der Fachkräftemangel macht auch vor den Schulen nicht halt“, sagt Elsner. Das sei im Bildungsbetrieb auch nicht anders als in der Gastronomie und so vielen anderen Bereichen. Der Mangel, seit Jahren spürbar, ist nicht behoben. Er verschärft sich vielmehr. Zu diesem Schluss kommt man, wenn man sich die Schülerzahlen ansieht.

Steigende
Schülerzahlen

Insgesamt 671 Schüler mehr verzeichnet das Schulamt in Grund- und Mittelschulen in Landkreis und kreisfreier Stadt Rosenheim. Die Gesamtzahl im kommenden Schuljahr liegt bei 18582 Schülern, 3,75 Prozent mehr als 2023 (17911). Besonders in der Stadt Rosenheim haben die Zahlen angezogen, um 167 oder 4,99 Prozent auf 3517. Auffällig ist die Zahl der Schulanfänger an der Grundschule: Sie steigt um 36 auf 635 – das sind sechs Prozent mehr als im vergangenen Jahr. In den vergangenen fünf Jahren nahm laut Elsner die Schülerzahl um 1555 Schüler oder 9,1 Prozent zu. Die Steigerung hat ihre Ursache im Zuzug. Nicht nur durch Geflüchtete etwa aus der Ukraine, wie Elsner unterstrich, sondern auch durch Zuzug aus dem Rest Deutschlands. „Rosenheim ist eine Zuzugsregion“, sagte sie.

Ein Drittel mit
Migrationshintergrund

Dennoch: Spezieller Unterricht für Kinder und Jugendliche ohne ausreichende Kenntnisse des Deutschen wird wichtiger. Rund 5813 Schüler, ein gutes Drittel der Schüler an Grund- und Mittelschulen in der Region, haben Migrationshintergrund. Sie sind also entweder nicht in Deutschland geboren oder besitzen keine deutsche Staatsangehörigkeit oder sprechen zu Hause (als „Verkehrssprache“) nicht Deutsch.

Schlaglichter erhellen die fordernde Situation für Lehrkräfte: An den Grundschulen Rosenheims – mit Ausnahme Aisings, Pangs und Westerndorfs – bewegt sich der Migrationsanteil deutlich über 50 Prozent. An den Mittelschulen in Aising, Westerndorf, Fürstätt und am Luitpoldpark bewegt sich der Anteil zwischen 56 und 86 Prozent. „Migrationshintergrund bedeutet aber nicht unbedingt, dass die Schüler nicht hervorragend Deutsch sprechen können“, betonte Elsner.

Viele Schüler, aber
keine Mega-Klassen

Die Zahl der Klassen steigt insgesamt um 32 auf 873. Sechs erste Klassen gibt es an den Grundschulen, insgesamt 146. Trotz dieses Zuwachses steigen die Klassenstärken in dieser Altersklasse am deutlichsten, in der Stadt Rosenheim etwa um 2,39 Prozent auf den Schnitt von 32,51 pro Klasse. In anderen Bereichen sind die Klassenstärken fast unverändert.

Die Schwankungen bei den Schülerzahlen pro Klasse sind beträchtlich. 94 Grundschulklassen kommen an die kritische Marke mit 26 bis 28 Schülern. Klassen mit über 26 Schülern an Mittelschulen und über 28 Schülern an Grundschulen habe man vermieden, sagt der für die Klassenbildung zuständige Schulamtsdirektor Herbert Unterreiner. „Für Lehrer wie Schüler sind die aber auch eine Herausforderung.“ Vier von fünf Grundschülern sind in Klassen von 25 oder weniger Schülern untergebracht.

Quereinsteiger und
„mobile Reserven“

Die Kinder können am Dienstag ins neue Schuljahr starten, die Lehrer sind verteilt, inklusive der 110 Lehrer, die als mobile Reserven auftauchen – „die im Krankheitsfall einspringen“, wie Schulrat Wolfgang Baumann erläutert. „Wenn die erste Grippewelle heranrollt, dann sind die wieder alle im Einsatz.“ Angelika Elsner gibt so etwas wie Entwarnung. „Die Grundversorgung ist gesichert“, sagt sie.

Heißt: Der Unterricht sollte ohne allzu viele Ausfälle in Zeiten personeller Engpässe garantiert werden können. Viel Spielraum gibt die Zahl der Pädagogen allerdings nicht her. Auch wenn ihnen rund 35 Quereinsteiger zur Seite springen. Damit sind nicht nur die wenigen Lehrer mit Zweitqualifizierung gemeint, sondern auch Lehramtsstudenten. Oder Akademiker mit Uni-Abschluss. Sie helfen meist in der Deutsch-Förderung und Vorkursen in Kindertagesstätten aus oder in Randfächern wie Musik und Kunst.

Neu sind in diesem Jahr in der Region Rosenheim die „Pädagogischen Unterstützungskräfte“. Wie auch im restlichen Bayern handelt es sich dabei um so etwas wie speziell qualifizierte Assistenten, die Lehrern etwa bei der Aufsicht in Mittagspausen, bei Schülerfahrten oder Wandertagen zur Seite stehen.

Digitalisierung
geht weiter

Nicht neu, aber immer wieder Neuland: Das ist die Digitalisierung im Schulunterricht. Sie verändert Form und Inhalt des Unterrichts in atemberaubendem Tempo. Laptop und andere mobile Geräte lösen in manchen Fällen das Buch ab, bieten interaktive Aufgaben, vermitteln multimedial Lernstoff, machen zur Not den Unterricht aus der Ferne möglich. Der Umgang mit dem digitalen Instrumentarium ist aber auch Selbstzweck: Schüler sollen Fingerspitzengefühl und wache Sinne für Chancen und Gefahren der virtuellen Welt entwickeln.

Künstliche Intelligenz
wird wichtiger

Die nächste Dimension der Digitalisierung hat an den Schulen bereits Einzug gehalten: künstliche Intelligenz. Sie werde bei der Wissensvermittlung eine zunehmend wichtige Rolle spielen, sagte Herbert Unterreiner. „Künstliche Intelligenz kann etwa in Mathematik das Niveau eines Schülers einschätzen und genau dafür angemessen Aufgaben stellen“, nannte Unterreiner als praktisches Beispiel.

Die Digitalisierung soll auch bei der Hardware weiter vorangebracht werden. Mit einem Anreiz: 350 Euro steuert der Freistaat Bayern bei, wenn Eltern ihren Kindern nach Vorgaben der Schulen Laptops oder Tablets kaufen. Wer keine besonderen Ansprüche stelle, komme mit dem Geld gut zurande, sagte Herbert Unterreiner.

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