Mordprozess nach Schleuserfahrt

von Redaktion

Eine Schleuserfahrt mit sieben Toten und 15 Verletzten auf der A94 bei Ampfing sorgte vor gut einem Jahr bundesweit für Aufsehen. Jetzt stehen die Termine für die Prozesse gegen den Fahrer und seine mutmaßlichen Helfer fest.

Ampfing/Traunstein – Wegen des Todes von sieben Flüchtlingen, darunter ein sechsjähriges Kind, bei dem schweren Schleuser-Unfall am 13. Oktober 2023 auf der A94 bei Ampfing beginnt der erste Prozess gegen den mutmaßlichen Fahrer am Dienstag, 8. Oktober. Der 25-jährige, staatenlose Fahrer muss sich wegen Mordes vor dem Schwurgericht am Landgericht Traunstein mit dem Vorsitzenden Richter Volker Ziegler verantworten. 15 Menschen erlitten außerdem teils schwerste Verletzungen. Für den Prozess sind sechs Verhandlungstage anberaumt. Mit dem Urteil wird am 5. November gerechnet.

Mit 22 Passagieren
völlig überladen

Der Haupttäter soll am Steuer des mit 22 Passagieren völlig überladenen Kleinbusses gesessen sein und durch seine äußerst riskante Fahrweise die Tragödie verschuldet haben. Drei Begleiter, sogenannte „Scouts“, sollen die Schleuserfahrt an jenem Oktobertag mit einem BMW 520d vor Polizeikontrollen gesichert haben. Sie müssen sich zu einem späteren Zeitpunkt in einem eigenen Verfahren vor der Ersten Jugendkammer mit Vorsitzender Richterin Heike Will verantworten. Die Anklage vertritt in beiden Verfahren Staatsanwalt Markus Andrä. 

Andrä wirft dem Fahrer des Kleinbusses Mord und Einschleusen von Ausländern mit Todesfolge in sieben Fällen vor. Hinzu kommen versuchter Mord, versuchtes Einschleusen von Ausländern mit Todesfolge und gefährliche Körperverletzung in 15 Fällen. Darunter ist ein Fall von schwerer Körperverletzung sowie verbotenes Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge. Den drei Scouts mit syrischer Staatsangehörigkeit im Alter von zur Tatzeit 17, 22 und 23 Jahren legt Andrä mangels Tötungsvorsatz keine Morde, sondern Einschleusen von Illegalen mit Todesfolge zur Last. 

Laut Anklage hat der 25-Jährige bei drei vorherigen Fahrten im September 2023 mit verschiedenen überbesetzten Fahrzeugen insgesamt 46 Flüchtlinge – 15 syrische, fünf türkische und 26 nicht näher bekannte Drittstaatsangehörige – eingeschleust. Er soll sie von Österreich über den Grenzübergang Kirchdorf am Inn nach Deutschland gebracht und in Feldkirchen bei München abgesetzt haben. 

Am 13. Oktober 2023 soll er in dem lediglich für neun Personen ausgelegten Kleinbus 22 Menschen mit türkischer beziehungsweise syrischer Staatsangehörigkeit über den Grenzübergang Burghausen in das Bundesgebiet transportiert haben. Als der 25-Jährige registrierte, dass zwei Beamte der Bundespolizei in einem zivilen Dienstfahrzeug auf ihn aufmerksam geworden waren, soll er nach einem Telefonat mit den Scouts die Signale der Polizei ignoriert und den Bus auf der A94 auf bis zu 180 Stundenkilometer beschleunigt haben. 

Die Polizisten folgten mit einem Abstand zwischen 100 und 200 Metern mit Blaulicht und Martinshorn. Nach Überholen eines Lkws soll der 25-Jährige den Kleinbus kurz vor der Ausfahrt Waldkraiburg/Ampfing auf die Ausfahrtspur gezogen haben, um die Autobahn mit circa Tempo 150 zu verlassen. Bei der Einfahrt in die dortige Rechtskurve kam er aufgrund der überhöhten Geschwindigkeit nach links von der Fahrbahn ab. Der Kleinbus durchbrach die Leitplanke, überschlug sich und schleuderte weiter, bevor er auf dem Dach liegend zum Stillstand kam.

Sieben der geschleusten Personen wurden tödlich verletzt, darunter das sechsjährige Kind. 14 weitere Personen im Fahrzeug erlitten schwere bis mittelschwere Verletzungen. Ein Geschädigter trug laut Staatsanwaltschaft einen bleibenden Hirnschaden davon, welcher ihm jegliche Form der Kommunikation und Fortbewegung unmöglich macht. Er schwebt noch immer in Lebensgefahr. Der mit einem Sicherheitsgurt geschützte Fahrer zog sich selbst nur einen Armbruch und Prellungen zu. 

Umfangreiche
Ermittlungen

Der 25-Jährige kam sofort in Untersuchungshaft. Die Scouts konnten nach und nach ermittelt werden. Sie sind dringend verdächtig, die verhängnisvolle Tour gemeinsam mit dem Fahrer organisiert und durchgeführt zu haben. Sie saßen seit 24. Januar 2024 zunächst in Österreich in Auslieferungshaft und sind aktuell in drei unterschiedlichen bayerischen Justizvollzugsanstalten inhaftiert. 

Die „Spezialabteilung der Staatsanwaltschaft Traunstein zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden und organisierten Kriminalität nach dem Traunsteiner Modell“ hat gegen alle vier Tatverdächtigen im Juli 2024 Anklage erhoben. Das mutmaßliche Tatgeschehen basiert auf umfangreichen Ermittlungen, die von der Staatsanwaltschaft Traunstein und der Spezialabteilung zur Kriminalitätsbekämpfung der Bundespolizei in München in enger Zusammenarbeit mit den österreichischen Behörden geführt wurden.

Artikel 4 von 11