„Diese Arbeit kann buchstäblich Leben retten“

von Redaktion

Evangelische Telefonseelsorge in Rosenheim feiert 40-jähriges Bestehen – 365 Tage im Jahr rund um die Uhr erreichbar

Bad Endorf – 1984 startete die evangelische Telefonseelsorge in Rosenheim ihren Dienst am Telefon. Inzwischen sind die rund 60 ehrenamtlichen Mitarbeiter nicht nur am Telefon, sondern auch per Mail rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr zu erreichen. In Marias Kino Bad Endorf begingen sie jetzt ihr Jubiläum mit einem Gottesdienst und anschließendem Sektempfang und Buffet.

„Marias Kino, ein Ort der Träume, der Gruselgeschichten, der Komödien und Dramen, alles, was das Leben zu bieten hat. All das begegnet uns auch in unseren Telefongesprächen und Beratungen“, erklärte Birgit Zimmer, Leiterin der Telefonseelsorge, in ihrer Begrüßung. „Früher wurden auch Kinos Lichtspieltheater genannt. Wir versuchen in diesen kurzen Momenten der Begegnung, einen Lichtpunkt im Leben der Anrufenden und der Mailer zu finden.“ Birgit Zimmer dankte den Ehrenamtlichen für ihr Engagement und den Förderern und Unterstützern aus Kirche und Politik.

Gaby Leicht, Rosenheims Dritte Bürgermeisterin, überbrachte im Namen der Stadt Rosenheim die Glückwünsche für 40 Jahre Telefonseelsorge. „Diese Telefonseelsorge ist ein Angebot für Menschen in der Krise“, erklärte Gaby Leicht. „Ich danke allen ehrenamtlichen Mitarbeitern der Telefonseelsorge, die 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche eine sehr wertvolle Arbeit leisten. Geben Sie, was Sie können, aber holen Sie sich auch selbst die Unterstützung, die Sie brauchen.“

Der stellvertretende Landrat, Sepp Hofer, fragte sich in seinem Grußwort, ob er jemals in der Situation war, die Telefonseelsorge anzurufen. „Nein, ich hatte das Glück, immer Menschen, Familie, Freunde an der Seite zu haben, denen ich mein Herz ausschütten konnte. Aber wenn man diese Menschen nicht hat, denen man sich anvertrauen kann, und liest die erschreckende Zahlen, dass jeder dritte Mensch in Deutschland einsam ist, dann ist die Telefonseelsorge eine sehr wichtige Aufgabe“, sagte Sepp Hofer. Klaus Voss von der Geschäftsleitung der Diakonie zeigte sich sehr ergriffen von der Atmosphäre der Feier. „Für uns als Träger und für die Menschen, die uns täglich brauchen, ist die Telefonseelsorge ganz was Besonderes. Ihr Engagement ist einfach großartig und mit Geld nicht bezahlbar.“

Matthias Oesterheld blickte aus Sicht eines Ehrenamtlichen auf 40 Jahre Telefonseelsorge zurück: „Bevor Sie Selbstmord begehen, rufen Sie mich an“, zitierte Oesterheld den Londoner Pfarrer Chad Varahin in seinem Rückblick, der die Annonce 1953 in der Times aufgab. „Das Erscheinen dieser Anzeige gilt als die Geburtsstunde der weltweiten Telefonseelsorge.“

Seit 1956 gibt es auch in Deutschland die ersten Hilfe-Telefone und 1984 war es dann auch im Raum Rosenheim so weit. Die Telefonseelsorge der Diakonie nahm ihre Arbeit auf. 1999 wurde die Mail-Beratung eingeführt. Von anfänglich 23 Ehrenamtlichen sind es heute knapp 60 Frauen und Männer, die ihr Wissen rund um die Uhr zur Verfügung stellen. Sieben weitere sind in Ausbildung. Anfänglich waren es überwiegend junge Männer, die die Mailberatung in Anspruch nahmen. Erst langsam kamen auch junge Frauen dazu. Die Zahl der unter 20-jährigen weiblichen Ratsuchenden liege dabei bei mehr als einem Viertel, hieß es.

Im ersten Jahr der Mailberatung waren es 361 Mail-Anfragen in ganz Deutschland. 2023 wurden allein in Rosenheim über 5400 Mails von nur 14 Mitarbeitern beantwortet. Oesterfeld wies in Anbetracht dieser Flut von Mails darauf hin, dass zusätzliche Mitarbeiter jederzeit willkommen seien. Während am Telefon das Thema Einsamkeit an erster Stelle stehe, sind es in der Mail-Seelsorge Suizid-Gedanken und sexualisierte Gewalt. „Am Thema Suizid zeigt sich, wie wertvoll und unersetzlich unsere tägliche Arbeit ist“, erklärte Matthias Oesterfeld. „Sie kann buchstäblich Leben retten. In aller Bescheidenheit können wir stolz sein, so viele Jahrzehnte Tag und Nacht am Telefon und online ein offenes Ohr zu haben, für Menschen, die unsere Hilfe suchen und brauchen.“ Birgit Zimmer, die seit 2013 die Leitung der Telefonseelsorge hat, bezeichnete er als die Seele der Telefonseelsorge. „Was wären wir ohne sie.“

Im Rahmen der Jubiläumsfeier wurden Monika Scheck und Wolfgang Loschan durch Klaus Voss für zehn Jahre Dienst in der Telefonseelsorge, für ihren unermüdlichen Einsatz und ihre fachliche Kompetenz geehrt.

Rosemarie Ammelburger

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