Neubeuern – Wenn sich freitags Am Bauhof 4 in Neubeuern um 14 Uhr die Türen öffnen, stehen meistens schon die Leute an. Einheimische, Geflüchtete, Menschen aller Altersgruppen treffen sich hier, um zu tauschen, sich auszutauschen und vielleicht ein besonderes Stück zu ergattern oder sich von etwas zu trennen. Gerade ist eine Lieferung mit Gläsern und Geschirr gekommen, und Brigitte Stickling arrangiert alles liebevoll in einem der vielen Regale. Es kann von einer Haushaltsauflösung sein, einem Nachlass oder jemand wollte einfach seine Schränke ausräumen. Und bestimmt finden die Gläser, Tassen und Teller bald einen neuen Besitzer, wie der Globus, den sich Clemens aus Rohrdorf geschnappt hat. „Ein toller Ort“, findet er, „ich komme öfter her und bringe oder hole etwas und ich habe hier schon viele Leute kennengelernt.“
Erst 2023
gegründet
„Treffpunkt Tauschbörse“, wie sich das 2023 gegründete Projekt in Neubeuern nennt, trifft also den Nagel auf den Kopf. Jeden Freitag von 14 bis 18 Uhr kann man hier Aussortiertes abgeben, nützliche Dinge finden und an einem der Tische Kaffee trinken. „Viele kommen jeden Freitag“, so Regina Prokopetz, eine der Initiatorinnen und Koordinatorinnen der Tauschbörse, „und es hat sich auch eine Art Stammtisch etabliert, wo schon mal acht oder zehn Personen zusammenkommen und sich bei selbst gebackenem Kuchen austauschen und das rege Treiben beobachten.“ Gleich daneben, hinter einem langen Tresen, stehen die Damen und Herren von der Warenannahme. „Vom Silikonbusen bis zum Falknerhandschuh ist hier alles dabei“, so Monika Rünagel, die zum Annahmeteam gehört. Auf die Frage, was sie antreibe, hier mitzuhelfen, antwortet sie: „Die Harmonie, die Gaudi, die gute Stimmung im Team.“ Das Team besteht aus 30 Frauen und Männern, Einheimischen und Geflüchteten, zehn sind immer vor Ort. 15 Kuchenbäcker und -bäckerinnen liefern jeden Freitag Kuchen und kochen Kaffee, wie Irmgard Kleinhanß, die regelmäßig in der Küche hilft. Koordiniert wird alles über einen Online-Kalender, „funktioniert super“, so Regina Prokopetz.
Einsatz –
auch für andere
Egal ob für Kuchen oder Kaffee, Schuhe, Jeans, Babysachen oder Bücher, es ist jedem selbst überlassen, was er hergibt, was es ihr oder ihm wert ist. „Manchmal, wenn wir einen konkreten Spendenanlass haben, bitten wir schon um eine Spende, zum Beispiel für die Ministranten-Romfahrt.“ Daraus wurde gleich eine Art „Fundraising“, die Ministranten haben mitgeholfen und eine schöne Summe für ihre Fahrt bekommen. Der Großteil der Spenden kommt sozialen Projekten in der Gemeinde zugute. Unterstützt wurden beispielsweise die Jugendfeuerwehr, die Jugendblaskapelle, aber auch ein ambulantes Kinderhospiz oder das Christliche Sozialwerk, das mittlerweile Träger des Projekts ist. Über 7000 Euro kamen seit der Gründung der Tauschbörse zusammen und konnten gespendet werden. „Ausgaben haben wir lediglich für den Kaffee und die Zutaten für die Kuchen“, so Regina Prokopetz.
Die Gemeinde hat bis jetzt die Räume unentgeltlich zur Verfügung gestellt, das wird sich demnächst ändern. Denn die Tauschbörse muss umziehen. Doch die Gemeinde wird auch in Zukunft passende Räume anbieten, und zwar im alten Rathaus in der Schlossstraße. Auch Bürgermeister Christoph Schneider ist ein Befürworter der Tauschbörse: „Eine positive Sache, die vielen Menschen in der Gemeinde, die sich bisher nicht begegnet sind, einen wöchentlichen Treffpunkt gibt.“
Pro Woche bis zu
150 Gäste
„100 bis 150 Menschen nehmen das Angebot jede Woche wahr“, erzählt Regina Marmaglio, die verantwortlich für das Bücherregal ist. Diesmal hat sie es nach Farben sortiert, „schaut einfach schön aus“. Krimis, Romane, Sachbücher, auch der eine oder andere Bestseller ist dabei. Um das Richtige zu finden, muss man sich ein bisschen Zeit nehmen. Zwei junge Leute stehen vor dem Regal, nehmen Bücher heraus, blättern und lesen, ob der Inhalt passt. Zufrieden ziehen sie mit ihrer „Beute“ zur Spendenbox, und wenn’s doch nichts ist, kann man es ja wieder herbringen.
Doch die Tauschbörse ist nicht nur Treffpunkt und Kaffeeklatsch, sie hat auch einen enorm hohen Wert für Geflüchtete. Viele haben hier das erste Mal die Möglichkeit zu arbeiten und sich so in das Dorfgefüge einzubringen. Hier begegnen sich Welten, um voneinander zu lernen. Durch Kooperationspartner wie dem Gartenbauverein und einem Pflanzenflohmarkt wird eine Kommunikationsplattform für bestimmte Themen geschaffen.
Projektziele für
die Zukunft
Wenn man nach den Projektzielen für die Zukunft fragt, stehen ganz oben die Sicherung und der Fortbestand der Tauschbörse. „Mit dem Umzug ins alte Rathaus ist zumindest ein Einjahres-Horizont abgedeckt“, erläutert Regina Prokopetz, „damit sind wir zufrieden.“ Aber auch viele andere Ideen warten auf ihre Realisierung, darunter Lesungen, Konzerte, Filmvorführungen oder Spieleabende und damit zusätzliche Öffnungszeiten am Abend. Kooperationspartner wie die Reparier-Bar und eine Elternkind-Gruppe nutzen die Räume am Bauhof ebenfalls. Außerdem werden immer wieder Sonderaktionen organisiert. Im Sommer gab es eine Art „Concept-Store“ für „Sommer, Sonne, Badespaß“ sowie Sportbekleidung und -artikel.
Und zur Ballsaison wird man bestimmt fündig, wenn man ein Ballkleid, eine Krawatte, glänzende Schuhe oder ein Abendhandtäschchen sucht. Vielleicht freut sich dann eine Dame auf einer großen Party, wenn sie ihr altes Kleid an einer neuen Trägerin entdeckt. Könnte lustig werden!
Nachahmung
empfohlen
Die Tauschbörse Am Bauhof 4 ist eine Idee, die Schule machen sollte und absolut zur Nachahmung empfohlen wird. Kann sein, dass Clemens aus Rohrdorf seinen Tier-Globus wiederbringt oder den Nachbarskindern erklärt, auf welchem Kontinent ein Löwe, ein Känguru oder die Giraffe lebt. Ganz bestimmt wird er ihn nicht in den Keller räumen und verstauben lassen. Für den Falknerhandschuh hat sich noch kein Interessent gefunden, aber das kann ja noch kommen. Vorbeischauen lohnt sich auf alle Fälle, egal, ob man mit einem Globus, einem interessanten Gespräch oder einer Tasse Kaffee nach Hause geht.
Bei der nächsten Sonderaktion geht es um Küchengeräte aller Art. Sie steht unter dem Motto „Töpfe, Pfannen, Haushaltswaren“. Nachschauen, was man alles so doppelt oder sogar dreifach hat, egal, ob Kleingeräte, Töpfe, Dosenöffner oder Pfannen und vorbeischauen, tauschen und sich austauschen! Aktuelle Informationen gibt es bei Instagram #ambauhof4.