Wirbel um „Friedensland“-Demo am Tag der Deutschen Einheit

von Redaktion

Kritik an Gastrednern der Veranstaltung – Marschieren Verschwörungstheoretiker, Querdenker und Reichsbürger in Prien?

Prien – Prien ist einer der schönsten Flecken am Chiemsee. Doch zieht die Marktgemeinde nicht nur Kultur-Touristen und Erholungssuchende an, sondern offenbar auch Aktivisten unterschiedlichster Couleur, Pazifisten wie auch Querdenker, Reichsbürger und Verschwörungstheoretiker. So auch am morgigen 3. Oktober: Für den Tag der Deutschen Einheit ist in Prien eine „Friedensland Deutschland“-Demo angemeldet. Eine Versammlung mit umstrittenen Gastrednern.

Kirche sieht „Allianz

des Misstrauens“

Etwa Ronald Weikl. Der Arzt aus Passau wurde im Juni von der AfD für den Deutschen Ethikrat benannt, jedoch vom Bundestag abgelehnt. Wohl auch wegen des Urteils des Landgerichts Passau: Es hatte den Frauenarzt 2022 aufgrund von unrechtmäßig ausgestellten Attesten zur Befreiung von der Maskenpflicht zu einem Jahr Bewährung verurteilt.

Auch Bernd T. Dreyer fällt in der Rednerliste auf. Er ist eine der führenden Personen in der Landshuter Querdenker-Szene und unterhält offenbar enge Verbindungen zum Reichsbürger-Oberst Maximilian Eder, der offenbar tief in die Umsturzpläne von „Heinrich Prinz Reuß“ verwickelt ist.

Angemeldet hat die Demo Peggy Galic, Kandidatin der Rosenheimer „Basis“ bei der Landtagswahl 2023. Es gehe ihr um das Miteinander. „Es sind 25 Initiativen, die das miteinander tragen“, sagt sie auf OVB-Anfrage. Verbunden seien die Gruppen durch den Ruf nach Frieden. Müssten die Demonstranten dann nicht zuerst den Angriffskrieg Putins anklagen? „Es ist total egal, wer den Krieg anfängt“, antwortet Galic: „Es ist entscheidend, wer den Mist beendet.“ Das schönste Ergebnis wäre, wenn aus der Oktober-Demo Initiativen hervorgingen, die wöchentlich für den Frieden auf die Straße gingen.

Doch auch über die Zielrichtung des einen oder anderen Partners könnte man streiten. Unterstützt wird die Demo unter anderem vom „Team Mensch“, das eine der gängigsten Verschwörungstheorien vertritt: die Erzählung vom „Great Reset“ und dem Welt-Wirtschaftsforum in Davos als wichtigstem Gremium obskurer Strippenzieher. Vertreten ist auch „Leuchtturm ARD“, eine Initiative von Gegnern der öffentlich-rechtlichen Medien. Unter anderem deswegen, weil bei ARD und Co. Wladimir Putin nicht gebührend geschätzt werde.

Die Frage bleibt: Wie viel Frieden steckt in der „Friedensland“-Demo? Der Begriff „Friede“ werde häufig angeeignet, warnt Dr. Matthias Pöhlmann, Sektenbeauftragter der evangelischen Kirche. Eine einheitliche Gruppe sei auch nicht hinter der Priener Demo zu erkennen. Es handle sich vielmehr um „eine Allianz des Misstrauens“. Man wisse häufig nicht, wofür die Protagonisten eigentlich stehen. Gemeinsam sei der Unterton, Politiker seien Kriegstreiber, und die Umkehr von Täter- und Opferrolle wie bei der Behauptung, „in Wirklichkeit sei Russland überfallen worden“.

Die Polizei geht von 300 bis 500 Demonstranten bei Demo und Gegendemo aus. So seien die Kundgebungen angemeldet worden. Wobei die Teilnahme stets einer eigenen Dynamik unterliege, so ein Sprecher. Angemeldet sind für die „Friedensland“-Versammlung auch eine Lautsprecher-Anlage und eine Bühne für Redner.

„Friedensland ist eindeutig besser ausgerüstet“, sagt Khando Ronge vom Bündnis „Prien bleibt bunt“, das zur Gegendemo am 3. Oktober aufgerufen hat. „Prien bleibt bunt“ sei ein breites Bündnis aus der Mitte der Gesellschaft, sagt Ronge, in der Zahl aber den „Friedensland“-Initiativen weit unterlegen. Die seien auch überregional viel besser vernetzt. Bereits im Jahr 2022 war Prien Schauplatz einer Querdenker-Demo, nun steigt dort die „Friedensland“-Demo. Was macht Prien so beliebt bei Querdenkern? „Ich weiß es wirklich nicht“, sagt Bürgermeister Andreas Friedrich und klingt kurz leicht genervt.

„Wir sind alles andere als begeistert.“ Aber, das betont Friedrich: Die Organisatoren kommen von außerhalb, „es waren keine Priener, die den Demonstrationszug angemeldet haben“. Peggy Galic führt die Nähe zum Chiemsee mit der Insel Herrenchiemsee als Grund für die Wahl des Ortes an. „Wir kommen am Tag der Deutschen Einheit und am Geburtsort des Grundgesetzes zusammen“, sagt sie.

Bürgermeister „alles
andere als begeistert“

Weltanschauungsexperte Mathias Pöhlmann wiederum sieht das ganze Allgäu und Alpenvorland als „Eldorado“ für Reichsbürger, Esoteriker und Verschwörungstheoretiker – wegen des Hangs zur alternativen Heilkunde, auch wegen der Vorstellung vom „natürlichen“ Landleben als Gegenentwurf zum urbanen Leben im Regierungssitz München.

Für die Gesellschaft könnte das Wuchern von Verschwörungstheorien allerorten dramatische Folgen zeitigen. Der Glaube an solche Erzählungen führe zu geschlossenen Weltanschauungen und Feindbildern. „Da wird dem Diskurs, den eine offene Gesellschaft benötigt, der Boden entzogen.“ Michael Weiser

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