Laufen/Bernau – Elio war schwer leberkrank, hatte eine lange Krankheitsgeschichte hinter sich und wog zum Schluss nur noch 40 Kilo. Die Metastasen fraßen seine transplantierte Leber regelrecht auf.
Am 20. Mai stirbt er mit 62 Jahren. So schlimm es auch war, ihren Vater im Hospiz auf den letzten Metern zu begleiten – Familie Persico würde den Weg wieder so bestreiten.
Über Vorurteile
aufklären
Wer in ein Hospiz kommt, ist an seinem Lebensende angekommen, verlässt die Einrichtung in der Regel nicht mehr lebend. Dass das vielen Menschen Angst macht, sich überhaupt mit dem Thema näher zu beschäftigen, können Helga Persico und ihre Söhne David und Valentino nachvollziehen. Auch sie waren anfangs skeptisch, ob sie ihren Vater wirklich in der Einrichtung unterbringen möchten. „Ein Hospiz gilt ein bisserl als Tabuthema. Es schreckt ab. Deshalb ist es auch so wichtig, über die Vorteile aufzuklären“, betont Valentino. Ihnen hat das Chiemseehospiz Bernau sehr unter die Arme gegriffen. Alleine hätten sie es wohl in den letzten Wochen vor Elios Tod nicht geschafft – weder körperlich noch psychisch.
In Bernau werden Menschen behandelt, die aufgrund einer schweren Krankheit zu Hause nicht mehr gepflegt werden können, noch eine sehr begrenzte Lebenserwartung haben und bei denen keine Chance auf Heilung besteht. Im Jahr 2017 war auch die OVB-Weihnachtsspendenaktion der Hospizbewegung gewidmet: Es kamen über 875000 Euro für die Einrichtungen in Bernau und Waldkraiburg zusammen.
Mit dem Jahreswechsel ging es los: Elio baute immer mehr ab, sein körperlicher Verfall zeigte sich von Tag zu Tag deutlicher. Er wurde immer wieder ins Krankenhaus eingeliefert, auf der Palliativ-Station behandelt, wieder entlassen und zu Hause von der Familie versorgt und gepflegt – bis es wieder von vorne losging. „Es war ein regelrechter Teufelskreis“, erinnert sich der ältere Sohn David, der bis zuletzt direkt neben seinem Vater wohnte. „Bis Ostern verschlechterte sich sein Zustand merklich, er konnte sich nicht mehr alleine versorgen, es drohte ein sogenanntes ‚Leberkoma‘. Sein Tag bestand aus permanenten Wechseln von Schlaf- und Wachphasen. Er konnte einfach nicht mehr so, wie er gerne wollte.“
Schlussendlich kam die Sprache in der Familie auf ein Hospiz. Zunächst kontaktierten sie das „Netzwerk Hospiz“ mit Sitz in Traunstein, das landkreisübergreifend agiert und die Persicos für wenige Stunden am Tag unterstützte und betreute.
„Dabei handelt es sich aber nicht um eine Dauerbetreuung von 24 Stunden“, betont David. „Wir haben eingesehen, dass er nicht mehr alleine bleiben darf, abwechselnd bei ihm geschlafen. Irgendwann mussten wir einsehen, dass es so nicht mehr weitergehen konnte. Es war mit unserem Berufsleben und der Familie nicht vereinbar, wir stießen an unsere Grenzen.“
Sie suchten das Gespräch mit Elio, was in allen ein bedrückendes Gefühl hervorgerufen hat: Schließlich drehte es sich um den Tod und das Sterben. Nicht nur Elio selbst haderte mit der Entscheidung, sein Lebensende in einem Hospiz zu bestreiten. „Wir wollten dem Ganzen allerdings eine Chance geben und versprachen, ihn da sofort wieder herauszuholen, sollte er sich partout nicht wohlfühlen“, erinnert sich David zurück.
„Wir wussten nicht, was auf uns zukam. Doch was dann geschah, hat uns alle überrascht“, betont Helga, die sich trotz Trennung immer gut mit Elio verstanden hat. „Er hat gleich nach dem ersten Tag im Hospiz zu uns gesagt, er möchte gar nicht mehr weg, wir können seine Wohnung getrost kündigen. Er war fest davon überzeugt, dass er da ewig wohnen bleibt. Wir sollten ihm Basilikum kaufen, damit er das auf der Terrasse pflanzen konnte.“ Die Wohnungen modern sowie geräumig, mit einer großen Terrasse und wohnlich eingerichtet. In jedem Zimmer gibt es ein Gästebett, in dem Angehörige über Nacht bleiben können.
Familie Persico hat mit viel gerechnet, aber nicht mit einer so positiven Wende nach der Unsicherheit der vergangenen Wochen: „Den Angehörigen wurde immer ein beruhigendes Gefühl vermittelt.
Die Angestellten im Hospiz gehen mit dem Thema Tod auf ihre ganz eigene Art um. Obwohl hier Menschen sterben, war es in dem Haus in keiner Weise bedrückend – wir haben uns nie unwohl gefühlt.“
Valentino hat nachträglich beeindruckt, welchen Job die Angestellten im Hospiz tagtäglich leisten: „Wir erkannten, wie liebevoll, respektvoll und gleichzeitig professionell sich um unseren Papa gekümmert wurde, da gewinnt man wieder Vertrauen. Es wird viel gelacht – auch geweint. Die Angestellten nehmen sich deutlich mehr Zeit, das wäre im Krankenhaus überhaupt nicht möglich.“
Bis zum Schluss
einfach da sein
Und dann ging alles ganz schnell: Nach nur zwei Wochen stirbt Elio im Chiemseehospiz. Den Sterbeprozess habe die Familie als „schön-traurig“ empfunden. Es habe dem Ganzen eine gewisse „Leichtigkeit“ gegeben, erklärt Valentino und erhält zustimmendes Nicken von seinem Bruder.
„Wir konnten für Papa bis zum Schluss da sein und mit ihm eine schöne Zeit verbringen, hatten die Möglichkeit, gemeinsam zu lachen. Es war der würdigste Weg. Den hat uns das Hospiz ermöglicht und dafür sind wir dankbar.“ Helga könne nur jedem ans Herz legen, in einer so schweren Entscheidung, die Hilfe eines Hospizes anzunehmen: „Es war für Elio das Beste, was passieren konnte – und für uns auch. Eine Bereicherung für beide Seiten.“