Arbeitsgewand gegen Sakko getauscht

von Redaktion

EIN JAHR IM LANDTAG (II) Der Anruf, der das Leben von Sepp Lausch (FW) veränderte

Drei Neulinge aus der Stadt und dem Landkreis Rosenheim sind im Bayerischen Landtag vertreten, der nach der Wahl im Vorjahr am 30. Oktober 2023 seine Arbeit aufgenommen hat. So hat das Mandat den Alltag von Sepp Lausch (Freie Wähler) verändert.

Großkarolinenfeld –- Als er zwei Tage nach dem Urnengang mit der Landespolitik bereits wieder abschließen wollte, kam der Moment, der dem 54-jährigen Energiefachwirt aus der Gemeinde Großkarolinenfeld nach eigenen Angaben „weiche Knie“ bescherte. „Ich war gerade mit dem Auto unterwegs, um meine Wahlplakate einzusammeln. Da rief mich ein Fraktionsmitarbeiter meiner Partei an und informierte mich darüber, dass ich künftig dem Landtag angehöre und bereits morgen die erste Fraktionssitzung stattfinde“, erinnert sich der FW-Politiker.

„Sprung ins
kalte Wasser“

Er fuhr erst mal rechts ran, um tief durchzuatmen und sich auf den „Sprung ins kalte Wasser“ kurz gedanklich vorzubereiten, der ihm wohl zeitlebens in Erinnerung bleiben wird. „Da saß ich plötzlich in einem Raum mit vielen bekannten Köpfen und wusste, ich bin jetzt einer von den 37 Abgeordneten unserer Partei“, sagt er über seinen ersten Arbeitstag in München.

Der Empfang in der Fraktion sei sehr herzlich gewesen. „Wir haben uns sofort alle geduzt“, berichtet er. Besonders in Erinnerung hat er die „deutliche Ansage“ von Parteichef Hubert Aiwanger in der konstituierenden Sitzung der Mandatsträger. „Wir sind bodenständig und verstehen uns als Kümmerer für die Menschen vor Ort.“

Lausch gehörte zu den 20 Neulingen bei den Freien Wählern. Zu diesem Zeitpunkt ging ihm allerdings nicht nur seine politische Arbeit durch den Kopf. Schließlich war er beruflich selbstständig und betrieb eine Firma, die sich auf Biogasanlagen und die Beratung von Kunden spezialisiert hatte, die solche Anlagen betreiben. „Was mache ich mit der Firma?“ Eine Frage, auf die der frischgebackene Abgeordnete plötzlich eine rasche Antwort finden musste.

Bald Partner
für die GmbH

Für die GmbH hatte er alsbald Partner gefunden, die sich jetzt um das Tagesgeschäft kümmern. Sein ältester Sohn hat zudem mittlerweile eine Landwirtschaftslehre begonnen, der zweitälteste lernt Landmaschinenmechaniker. Um die Zukunft seines Hofes in Petzenbichl bei Tattenhausen, auf dem keine Tiere gehalten werden und Biogas im Mittelpunkt steht, ist Lausch deshalb nicht bang.

Der Weg war somit frei, „um mich voll und ganz auf das Mandat zu konzentrieren“, sagt er rückblickend. Dass er sich nunmehr ausschließlich der Politik widme, darauf hätten die Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch. Freimütig räumt er ein, dass mit dem Einzug ins Maximilianeum für ihn ein „Lebenstraum“ in Erfüllung gegangen sei. „Es war schon immer mein Ziel, mich für die Menschen und meine Heimat einzusetzen“, betont der Abgeordnete.

Das tat er in früheren Jahren bei zahlreichen Vereinen, seit 2002 zunächst in den Reihen der CSU und später der Bayernpartei in der Kommunalpolitik. Seit 2018 ist Lausch FW-Mitglied. Dass die Landtags-Kandidatur im Vorjahr von Erfolg gekrönt sein könnte, daran glaubte er zunächst nicht so recht. Er landete bei der Nominierungsversammlung auf Platz 15 der Oberbayern-Liste seiner Partei. Nur neun FW-Parlamentarier aus diesem Regierungsbezirk saßen damals im Landtag.

„Ich war schon ein wenig enttäuscht ob dieser Ausgangslage, dennoch haben wir entschieden, einen Wahlkampf mit vollem Engagement zu führen“, so Lausch. Es hat sich für ihn gelohnt. „Er sammelte auf den Stimmzetteln so viele Kreuzchen, dass er auf Platz sechs vorgewählt wurde. „Extrem sportlich“ nennt er das Ergebnis heute. Einen solchen Erfolg einfahren zu können, daran habe er niemals geglaubt.

Welche Rolle der sogenannte „Aiwanger-Effekt“ gespielt haben könnte, damit befasst sich der Abgeordnete nicht. Wie berichtet, war der FW-Parteivorsitzende kurz vor der Wahl wegen angeblich antisemitischer Äußerungen in seiner Gymnasialzeit in die Kritik geraten. Rücktrittsforderungen wurden laut. Aiwanger bestritt diesen Vorwurf, das Gegenteil konnte ihm bis heute nicht bewiesen werden, er blieb im Amt. Dass die FW bei der Landtagswahl kräftig zulegten und diese Stimmengewinne letztlich auch für Sepp Lausch hilfreich waren, jenen Umstand führten etliche Wahlbeobachter auf die Tatsache zurück, dass viele Menschen in den Vorwürfen eine gezielte Hetzkampagne gegen den FW-Vorsitzenden sahen und gerade deshalb ihr Kreuz bei den Freien Wählern machten.

Erster Termin in
der Regel um 9 Uhr

Wenn man Sepp Lausch fragt, was sich mit dem Einzug ins Parlament für ihn grundlegend geändert habe, dann verblüfft seine Antwort ein wenig. „Früher bin ich mit dem Arbeitsgewand außer Haus gegangen, jetzt mit einem Sakko.“ Als selbstständiger Unternehmer sei er Woche für Woche viele Stunden in ganz Bayern unterwegs gewesen, jetzt ringe ihm die Politik ein erhebliches Zeitkontingent pro Woche ab.

Sich Zeit für die Familie zu nehmen, das macht er auch heute noch bei jeder sich bietenden Gelegenheit. „Das gemeinsame Frühstück am Sonntag ist uns nach wie vor heilig“, nennt er ein Beispiel.

Den ersten Termin in München hat er werktags in der Regel um 9 Uhr. Gelegentlich fährt er mit dem Auto in die Landeshauptstadt, gerne aber auch mit dem Zug vom Ostermünchener Bahnhof weg. „Wenn der pünktlich fährt“, schränkt Lausch ein. Immer wieder mal komme es vor, dass er wegen Verspätungen vom Bahnsteig wieder zu seinem Auto gehen und mit ihm nach München fahren müsse, um pünktlich zur Arbeit zu kommen. Seit er Pendler ist, kann er den Ärger vieler Arbeitnehmer über die Unzuverlässigkeit der Bahn deshalb besser verstehen. Wann immer es möglich ist, fährt er abends nach Hause.

Wenn sich sein Arbeitstag bis in die Nacht hineinzieht, hat er allerdings auch eine Übernachtungsmöglichkeit in München. „Ein Büro mit Schlafcouch und das Bad auf dem Gang.“ So beschreibt er sein schlichtes Domizil für Abgeordnete, das sich auf der Praterinsel beim Deutschen Museum in der Nähe des Landtags befindet.

Durch das Mandat sei seine Belastung im Vergleich mit der Selbstständigkeit nicht gewachsen, sagt Lausch. „Ich habe jetzt nicht mehr Stress als früher, aber es ist eine andere Form von Stress.“ Eine Einschätzung, die seine Frau Martha teilt. Natürlich habe sich das Leben der Familie durch die Abgeordnetentätigkeit ihres Mannes geändert, aber man habe alles im Griff. Die größte Umstellung für ihn sei gewesen, nicht mehr sein eigener Chef zu sein, glaubt sie.

Gelegentlich begleitet Martha Lausch ihn bei Terminen. „Beim Sommerempfang von Landtagspräsidentin Ilse Aigner war ich heuer dabei. Das war ein sehr schöner Anlass, mit ihm unterwegs zu sein“, nennt sie ein Beispiel. Ansonsten hält sie sich im Hintergrund und beschränkt sich darauf, ihrem Mann den Rücken möglichst freizuhalten.

Kümmern vor Ort schließt für den FW-Parlamentarier Transparenz seiner Arbeit ein. Lausch stellt sie unter anderem regelmäßig in den Sozialen Medien vor. Instagram, Facebook und Whatsapp sind Kanäle, die er nahezu täglich nutzt. „Ich stelle meine Beiträge alle selber ein, sonst wäre ich nicht authentisch“, sagt er.

Video bringt
1,5 Millionen Klicks

Vom Austausch mit Wissenschaftlern zum Thema Wasserstoff in der andalusischen Hauptstadt Sevilla bis hin zum Heimatabend, an dem er teilnimmt, reicht die Palette seiner Veröffentlichungen. Die Resonanz sei beachtlich. Rund 200000 Zugriffe pro Monat registriert er, etwa 12000 Follower hat er nach eigenen Angaben allein bei Instagram.

Oftmals stehe die Politik gar nicht im Mittelpunkt, wenn ein Beitrag besonders erfolgreich sei, weiß der Abgeordnete zu berichten. Ein Video über einen Auftritt der Kapelle „Beirer Blech“ habe beispielsweise 1,5 Millionen Klicks eingebracht. Schier unglaubliche 328000 Zugriffe registrierte Lausch, als er eine Sequenz vom Auftritt der Musiker aus Neubeuern beim Dorffest in Mietraching im Internet verbreitete.

Von der CSU hat er sich politisch schon länger entfernt, ein Spruch ihres langjährigen Parteivorsitzenden Franz Josef Strauß dient ihm jedoch als Leitlinie für seine politische Arbeit. „Jedermanns Darling ist jedermanns Depp.“ Für Lausch eine klare und überzeugende Ansage, seine Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen zu treffen und dabei nicht auf Gefälligkeitswerte zu achten.

Den Wert von Netzwerken dagegen hat er früh erkannt und nutzt ihn auch im Parlament. Lausch ist beispielsweise Mitglied des sogenannten Südost-Quartetts seiner Fraktion. Neben ihm gehören diesem die Abgeordneten Markus Saller (Landkreis Mühldorf), Michael Koller (Landkreis Berchtesgadener Land) und Dr. Martin Brunnhuber (Landkreis Traunstein) an. „Wir spielen uns die Bälle zu und unterstützen uns mit unserem Fachwissen“, beschreibt er ein wesentliches Element dieses Zusammenschlusses.

Schon im November
nächste Kandidatur

Der Appell von Hubert Aiwanger an die Abgeordneten bei deren erster Fraktionssitzung, sich als Kümmerer vor Ort zu verstehen, beschert Sepp Lausch übrigens demnächst eine weitere Kandidatur. Wenn im November in seiner Heimatpfarrei Tattenhausen eine neue Kirchenverwaltung gewählt wird, steht sein Name auf der Liste derjenigen, die sich für dieses Ehrenamt zur Verfügung stellen. Die Anstrengungen eines Wahlkampfes muss er dafür freilich nicht auf sich nehmen.

„Man braucht einen „seeeehr“ langen Atem“

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