Prozessauftakt zum Geldtransporterüberfall in Großkaro – Angeklagte schweigen

von Redaktion

Vor dem Landgericht Traunstein werden Details über den Tatablauf deutlich – Polizei ist sich nach Ermittlungen sicher: Die Täter hatten Insiderwissen

Traunstein/Großkarolinenfeld – Die Täter des spektakulären Raubüberfalls auf einen Geldtransporter vor der VR-Bank in Großkarolinenfeld am Morgen des 5. Januar 2024 verfügten über Insiderwissen. Das betonte der polizeiliche Sachbearbeiter am gestrigen Mittwoch vor der Neunten Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzender Richterin Barbara Miller.

Auf der Anklagebank sitzen Vater und Sohn. Der 29-Jährige steuerte damals wohl den Transporter und soll zwei Unbekannten den Weg für den Raub von 475000 Euro ermöglicht, der 49-Jährige wesentlich im Hintergrund mitgewirkt haben.

Als der blaue Geldtransporter eines Unternehmens in Kolbermoor – dort war der 29-Jährige beschäftigt – vorfuhr, wartete auf der anderen Straßenseite bereits ein weißer Kastenwagen – ein Mercedes Vito. Zwei maskierte Männer stürmten herbei, entrissen dem Geldboten den ersten Koffer mit Bargeld und verletzten den Mann durch einen Schlag mit der Waffe auf den Kopf. Die Räuber verschwanden unerkannt. Die Beute ist bis heute verschwunden.

Das weiße Tatfahrzeug stammte angeblich aus einer eigenen Firma des Sohnes, bei der wiederum sein Vater mitarbeitete. Nach Anklage von Oberstaatsanwalt Dirk Dombrowski soll der 49-Jährige für die unbekannten Räuber eine Schreckschusspistole und Sturmhauben in dem Mercedes platziert haben. Außerdem soll der Vater die Aktion via Handy koordiniert haben. Der Ermittlungsführer von der KPI Rosenheim schilderte am ersten Prozesstag, dass der 29-jährige Angeklagte nach seinen Erkenntnissen kurzfristig mit dem Geldboten, entgegen dem Tourenplan, den Platz im Fahrzeug getauscht habe. Der Fahrer müsse auch das gesamte Umfeld kontrollieren – um dem Boten gesicherten Zugang zum Kunden zu verschaffen.

Nach dem Überfall liefen nach Worten des KPI-Mitarbeiters sofort die polizeilichen Maßnahmen an. Videos wurden ausgewertet, Zeugen vernommen, darunter auch der Geldbote, den das Gericht am nächsten Verhandlungstag anhören wird. Er hatte den Schlitten der Pistole in dem Transporter gefunden. Bei der damaligen Vernehmung der Geldtransporterbesatzung hätten sich schnell Unstimmigkeiten gezeigt. Der 29-Jährige sei daraufhin observiert worden. Kurze Zeit später wurde der Angeklagte mit drei unbekannten Männern in einem Gewerbegebiet gesehen.

Das weiße Tatfahrzeug, das einer Frau gehörte, konnte nach Überzeugung des Oberkommissars auch identifiziert werden. Am 5. Januar 2024 habe sich der Mercedes Vito in der Firma des 49-Jährigen befunden. Aus elektronischen Daten ergebe sich, dass es sich zur Tatzeit bewegt und genau die passende Fahrstrecke absolviert habe, so der Polizeisachbearbeiter. Genaueres würden noch IT-Spezialisten liefern. Man habe auch eine Tatrekonstruktion mit den Fahrzeugen durchgeführt.

Durchsuchungen bei dem 29-Jährigen hätten hingegen keine Verbindung zu dem Überfall erbracht. Bei dem Vater habe man Waffen und kleinere Bargeldbeträge entdeckt. Gegen andere zunächst infrage kommende Personen habe sich keinerlei Tatverdacht erhärtet, auch nicht gegen den Geldboten, hob der Polizist heraus. Der weiße Kastenwagen wurde damals technisch auf Spuren untersucht. Auch die Finanzen der Tatverdächtigen wurden unter die Lupe genommen – mit unauffälligem Ergebnis. Mehr werden zu gegebener Zeit andere Ermittler erläutern, hieß es am ersten Prozesstag. Die Angeklagten beriefen sich am gestrigen Mittwoch auf ihr Schweigerecht, sowohl zur Person als auch zu den Vorwürfen des Staatsanwalts. In den Zuhörerreihen saßen viele Leute, Familienangehörige und Freunde der Angeklagten. Die Verteidiger, Benedikt Stehle und Andreas Müller aus München für den 29-Jährigen, Tim Weller aus Düsseldorf für den 49-Jährigen, hatten beantragt, den Polizeisachbearbeiter nicht als ersten Zeugen, sondern erst später zu befragen. Zuerst sollten die anderen Zeugen aussagen. Das sei „ein Gebot der Fairness“.

Das Gericht wies den Antrag aber zurück. Die Reihenfolge der Zeugen bestimme die Vorsitzende Richterin. Man werde den Beamten derzeit aber nur zum Verfahrensgang vernehmen, nicht zu den konkreten Aussagen von Zeugen. Das auf zwölf Tage anberaumte Verfahren wird am Mittwoch, 23. Oktober, um 9 Uhr fortgesetzt. Monika Kretzmer-Diepold

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