„Jeder Tag ist eine neue Herausforderung“

von Redaktion

Interview Ex-Eishockeyprofi Mike Glemser und Freundin Lara Lindmayer über das Leben mit dem Rollstuhl

Rosenheim – Von einer Sekunde auf die nächste hat sich das Leben von Mike Glemser verändert. Bei einem Spiel der Starbulls Rosenheim gegen den SC Riessersee am 3. Februar 2023, kam es bei einem Zweikampf zwischen Glemser und dem Gegenspieler Jan-Niklas Pietsch zum Schockmoment. Der Rosenheimer Eishockeyprofi krachte nach einem Check Kopf voraus in die Bande, woraufhin zwei Halswirbel brachen. Die Folge: eine Querschnittslähmung. Im OVB-Gespräch am Rande einer Veranstaltung zum Thema Patientenverfügung und Vollmacht erzählen Glemser und seine Freundin Lara Lindmayer, wie sich ihr Leben seit dem Unfall verändert hat.

Sie sprachen kürzlich bei einer Veranstaltung zum Thema Patientenverfügung und Vollmacht. Wie kam es dazu?

Das Landratsamt hat sich bei uns gemeldet und gefragt, ob wir diese Veranstaltung unterstützen möchten. Dadurch, dass ich selbst in der Situation war und keine Patientenverfügung oder Vollmacht hatte, wusste ich ja, wie schwierig das solche Lagen macht. Ich dachte, vielleicht erreicht man dann auch Menschen, die dieses Thema sonst nicht auf dem Schirm gehabt hätten.

Das heißt, vor Ihrem Unfall waren Patientenverfügung und Vollmacht für Sie auch kein Thema?

Nein, ich habe mich damit gar nicht auseinandergesetzt. Man denkt ja auch immer „Mir passiert sowas nicht“.

Wie geht es Ihnen inzwischen? Gibt es Fortschritte in der Therapie?

Es ist immer relativ ähnlich. Es sind ganz minimale Fortschritte, aber eben keine neuen Funktionen und die Selbstständigkeit ist immer noch ausgeblieben.

Sie haben in einem anderen Interview darüber gesprochen, dass es auch mit der Wohnung schwierig ist.

Überall, wo man hinkommt, ist es schwierig. Es ist fast nirgends perfekt ausgelegt für Rollstuhlfahrer. Außerdem brauche ich immer und überall Unterstützung – essen, trinken, alles Mögliche.

Wo liegen die größten Herausforderungen?

Jeder Tag ist eine neue Herausforderung. Man versucht, wirklich jeden Tag „zu meistern“.

Lara Lindmayer: Wenn man verabredet ist und dann ist ein Tag, wo es ihm einfach nicht so gut geht, muss man Dinge halt wieder absagen. Oder wenn man auf eine Hochzeit eingeladen ist und dann nicht hin kann, weil der Weg in die Kirche nicht erreichbar ist. Das sind neue Herausforderungen jeden Tag, die man vor dem Unfall so nicht gehabt hat.

In den Sozialen Netzwerken sieht man auch, dass Sie ab und an schon verreist sind. Das ist bestimmt auch mit einigen Hürden verbunden.

Ja gut, was heißt schon verreisen. Es sind meistens zwei, drei Tage gewesen, damit man mal außerhalb der Reha und den eigenen vier Wänden etwas anderes sieht. Aber eine richtige Erholung ist das nicht. Es ist eher ein Abenteuertrip. Man bucht zum Beispiel ein barrierefreies Zimmer, dann kommt man dort an und es ist doch nicht barrierefrei. Dann muss man improvisieren. Man kann sich auch vorab schon mal informieren, wo man überall hinkommt. Am Ende des Tages muss man aber auch einfach vor Ort schauen.

Fällt Ihnen das oft auf, wie wenig barrierefrei manche Orte sind?

Ja, es ist nicht leicht. Wir waren kürzlich in Düsseldorf. Dort wollten wir nur kurz bei Starbucks einen Kaffee trinken. Am Eingang war eine 20-Zentimeter-Schwelle – dann bin ich mit dem E-Rollstuhl dort nicht reingekommen. Man muss immer schauen, wo man überhaupt hinkommt. Es ist immer ein Abenteuer.

Es wurden inzwischen fast 700000 Euro an Spenden gesammelt. Darunter auch 600 Euro von Schülern der Otfried-Preußler-Schule in Stephanskirchen, die gebastelt und Kuchen verkauft haben. Wie geht es Ihnen, wenn Sie von solchen Aktionen lesen?

Das ist natürlich sehr bewegend. Ich bin unendlich dankbar. Was mich wirklich sehr berührt ist, dass auch Kinder mich schon so stark unterstützen.

Sie waren gerade eben noch in einem Gespräch mit einem Eishockey-Fan. Werden Sie häufiger angesprochen?

Wenn wir in Richtung Bayern oder Eishockey kommen, merkt man schon, dass die Leute auch schauen. Aber in den meisten Fällen wird man in Ruhe gelassen.

Stört es Sie, wenn Sie angesprochen werden?

Man kann mich natürlich ansprechen. Ich freue mich da auch. Ab und zu ist man aber auch froh, wenn man seine Ruhe hat. Zum Beispiel, wenn wir mal in einem Restaurant sind und Zweisamkeit hätten – was ohnehin selten vorkommt.

Interview: Patricia Huber