Rosenheim – Alle wollen in den Zug, doch ist noch nicht klar, wie das gehen soll. Sitzplätze hat es schon vor der Ankunft am Bahnhof Rosenheim keine mehr gegeben. Nun steigen zwar Passagiere aus. Aber noch viel mehr wollen rein. Man schiebt, man drängt. Irgendwann geht nichts mehr. Ein bulliger Mann im schwarzen T-Shirt schwingt sich zum Krisenmanager auf. „Alle einen Schritt rein“, brüllt er, als die Türen sich nicht schließen wollen. „Das gilt auch für den alten Mann mit Rollator da!“ Die Masse im Zug wird noch ein wenig kompakter. „Sie da“, befiehlt der Mann einem andern, „Sie stehen im Mittelgang und haben zwei Meter freien Raum vor sich. Rücken Sie auf.“
Keine Chance für
Ticketkontrollen
Irgendwann sind tatsächlich alle drin. Vom ersten Wagen bis zum letzten stehen Menschen. Noch zwischen den Kunstledersitzen der ersten Klasse sitzen Passagiere auf dem Boden oder stehen. Wer jetzt noch die erste Klasse aufsuchen wollte, käme schon die Stufen nicht mehr hoch: Dort haben sich Kinder niedergelassen. Selbst wenn ein Zugbegleiter Tickets prüfen wollte, hätte er kaum eine Chance. Zugfahren im Herbst 2024 auf der Strecke München – Salzburg ist oft kein Vergnügen. Manchmal erduldet man den Trip nur noch. So wie eben am Montag, 21. Oktober. Es ist so eng. Und es ist gefährlich: Besser, man denkt nicht darüber nach, wie die Menschen im Falle einer Vollbremsung durchs Abteil geschleudert werden.
Wenn sich jemand für den aktuellen Zustand der Bahn interessiert, ist er auf der Strecke zwischen München und Salzburg richtig. Irgendwas ist immer. Mal landet man in Zügen, in denen die meisten Toiletten nicht in Betrieb oder Türen kaputt sind. Mal halten die Züge auf offener Strecke an, weil „der Streckenabschnitt vor uns belegt ist.“ Oder weil eine Funktionsstörung vorliegt. Oder es sind Bauarbeiten. So wie im Moment in Teisendorf. Von „sehr hohen Verspätungen“ spricht auf OVB-Anfrage die Bayerische Regiobahn (BRB). „Die Strecke ist in diesem Bereich derzeit nur eingleisig befahrbar, was dafür sorgt, dass Verspätungen auch nicht einfach wieder aufgeholt werden können“, heißt es weiter. Am Bahnhof Traunstein festgemacht, nahe an der Baustelle, liege die Pünktlichkeit derzeit bei nur rund 45 Prozent. Weil in Teisendorf gebaut wird. „Weshalb diese Arbeiten derzeit nötig sind, kann Ihnen jedoch nur die DB InfraGO AG als Infrastrukturverantwortliche beantworten“, heißt es noch seitens der BRB. Was so viel bedeutet wie: Wir sind nicht schuld. Jedenfalls ist in diesen Tagen nicht einmal jeder zweite BRB-Zug auf der Strecke München – Salzburg auch nur halbwegs pünktlich. Häufig summiert sich die Verspätung in Rosenheim auf 30 Minuten. So auch am beschriebenen Montag. In solchen Fällen ist Bahnsteig 1 verwaist, die Menschen strömen zum Steig 3.
Der Zug, der dort hält, fährt nach München. Aber er hat zwei Nachteile. Er hält öfter und braucht daher länger. Und er ist wesentlich kürzer als der schnellere BRB-Zug nach München. Am späten Nachmittag ist er regelmäßig mit vielen Ausflüglern und Wanderern besetzt. Zu denen kommen dann in Rosenheim Pendler und Berufsschüler.
Längere Züge
sind nicht möglich
Warum verlängert die BRB die Züge nicht einfach? Immerhin lässt sich ja gerade für Herbsttage mit sonnigem Wetter vorhersagen, dass am Abend viele Ausflügler in die Metropole zurückströmen werden. Doch dazu fehlt es der Regiobahn an Flotte. „Die Züge aus dem Inntal zu verlängern, ist leider nicht möglich, da hierzu keine Fahrzeuge zur Verfügung stehen.“ Wie im Ersatzfahrplan zu sehen sei, verursache die Baustelle kaum Verbindungsausfälle, sodass im Grunde alle Züge und somit auch Fahrzeuge im Einsatz seien.
Und so kommt es immer wieder zu überfüllten Zügen. Letztlich ist man dann aufs Wohlwollen des Personals angewiesen. Wann ist übervoll zu voll? „Grundsätzlich sind Stehplätze in Zügen zulässig, auch in den Gängen zwischen den Sitzreihen“, sagt die Sprecherin der BRB. „Ist jedoch die Sicherheit zum Beispiel in einem Notfall nicht mehr gewährleistet, müssen Fahrgäste aussteigen.“ Geschehe dies nicht „auf freiwilliger Basis“, müsse gegebenenfalls die Bundespolizei zur Unterstützung herangezogen werden. Und das ist, das lehrt die Erfahrung, keine rein hypothetische Aussage.
Die Ausfälle dürften
sich wiederholen
Bei Teisendorf soll ab dem Wochenende Schluss sein mit den Einschränkungen, heißt es seitens der Bahn. Die nächsten Problemstellen im Schienenverkehr der Region Rosenheim zeichnen sich aber schon ab. Die DB InfraGO AG führt nämlich weiterhin Bauarbeiten durch. Von Freitag, 25. Oktober, bis Sonntag, 3. November 2024, werden sie sich auf die Zugverbindungen der BRB im Netz Chiemgau-Inntal auswirken, wie die BRB meldet. Diesmal auf der Strecke Rosenheim – Holzkirchen. Dort kommt es in beiden Richtungen zunächst nachts zu Ausfällen von Zügen und Schienenersatzverkehr. Vom 1. bis 3. November kommt man den ganzen Tag über nur mit Bussen voran. Informationen über Ersatz und Ausfälle gibt es auf der Homepage der BRB.