Lange verweile ich mit meinen Gedanken bei einem Blatt Papier, das mir unsere Sekretärin auf den Schreibtisch gelegt hat. Darauf stehen die Namen der Menschen, die ich im vergangenen Jahr zu Grabe getragen habe. Manche der Familien habe ich erst beim Trauergespräch vor der Beerdigung kennengelernt, andere Verstorbene haben mich über Jahre meines eigenen Lebenswegs begleitet und sind mir dabei lieb ans Herz gewachsen. In den Gottesdiensten am Allerseelentag werden alle Namen noch einmal vorgelesen und für jeden einzelnen eine Kerze entzündet. Wir erinnern uns. Gerade weil mir bewusst ist, dass die kommenden Allerheiligentage bei Trauernden den Schmerz über den Verlust eines geliebten Menschen in besonderer Weise lebendig werden lassen, bemühe ich mich um eine hoffnungsvolle Gestaltung unserer Feiern am Friedhof und in den Pfarrkirchen. Unsere christliche Erinnerungskultur ist dabei so diametral zu unserer Gesellschaft, in der unsere Verstorbenen oft nach kurzer Zeit ausgeblendet und aus allen Registern gelöscht werden. Nicht mehr da und damit auch nicht mehr existent und relevant. Wir bringen an Allerheiligen und Allerseelen unsere Hoffnung zum Ausdruck, dass bei Gott niemand vergessen ist und dass wir Menschen zu einem Leben ohne Grenzen bestimmt sind. Dieses findet seine volle Erfüllung aber immer erst bei Gott, wie immer wir ihn auch in unserem Leben erfahren und begreifen. Unsere Verstorbenen sind uns im Leben kostbar gewesen, deshalb bleiben sie es über den Tod hinaus. Wir tragen im Herzen das gemeinsame Leben, das uns niemand nehmen kann, und stellen uns damit der Realität, dass der Tod ein Teil unseres eigenen Lebens ist. Nicht am Ende, sondern am großen Ziel aller unserer Wege.