1737 Rettungseinsätze in den Alpen

von Redaktion

Das steckt hinter der Mega-Bilanz von Bergretterin Martina Bauer aus Aschau

Aschau – Heavy Metal auf der Steinlingalm? Rammstein auf der E-Gitarre? Das entspricht so gar nicht der romantischen Vorstellung eines Sonnenuntergangs auf der Kampenwand. Und doch kann es sein, dass Martina Bauer den Abend auf ihrer Almhütte genau so ausklingen lässt. Manchmal wählt sie das Kontrastprogramm, liest, stickt, näht oder wird eins mit der Natur.

Seit 20 Jahren verbringt die 45-Jährige ihre Sommer auf der Alm. Schon seit 28 Jahren ist sie mit der Bergwacht Sachrang-Aschau im unwegsamen Gelände von der österreichischen Grenze bis zur Kampenwand im Einsatz. Für das Kriseninterventionsteam der Bergwacht Bayern ist sie landesweit aktiv. Jetzt wurde sie dafür mit dem Leistungsabzeichen in „Silber“ der Bergwacht Bayern ausgezeichnet.

Von klein auf
in den Bergen

Die Berge sind ihr Zuhause. An der engsten Stelle des Prientals – in Stein – wuchs sie auf. Seitdem hat sie Schachen, Überhängende Wand, Aschentaler Wände, Tristmahlnschneid, Zinnkopf und Klausen direkt vor der Nase.

Mit ihrem Vater und Bergretter-Vorbild Christoph war sie schon von Kindesbeinen an bei den Vorsorgediensten am Geigelstein mit dabei. Dass sie eines Tages die erste Frau der Bergwacht Sachrang sein würde, hat sie den Kameraden schon beizeiten angekündigt.

„Ich konnte noch nicht mal über den Tisch schauen, da hab ich ihnen schon versprochen, dass ich auch mal bei der Bergwacht mitmachen würde“, erzählt sie lachend. Damals hieß es noch: „Frauen gehen nicht zur Bergwacht.“ Doch wenige Jahre später (1992) klagte sich die erste Frau in Bayern in die Bergwacht ein und ebnete damit auch Martina den Weg.

„Mit 16 darf man zur Bergwacht. Mit 16 war ich dabei“, erzählt sie. „Und da sie schon lange in der Mannschaft bekannt war, gab es natürlich auch keine Probleme mit unserer ersten Frau in der Bergwacht Sachrang-Aschau“, hat Bereitschaftsleiter Thomas Riepertinger von den älteren Kameraden erfahren.

28 Jahre und 537 Einsätze in den Chiemgauer Bergen später ist Martina die stellvertretende Leiterin der Bereitschaft Sachrang-Aschau, Regionalgruppenleiterin des Kriseninterventionsdienstes (KID-Berg), Vorsitzende des Sachranger Bergbauernvereins, Vorstandsmitglied des Landschaftspflegeverbandes Rosenheim, Mitglied des Lehrteams Naturschutz und eine von sechs Frauen in ihrer Bereitschaft.

Sie hat sich all ihre Träume erfüllt und setzt sich für das ein, was ihr am Herzen liegt: die Menschen, die Natur, ihre Familie und der elterliche Hof.

Dafür hat sie zig Ausbildungen gemacht: erst zur Floristin, dann zur Hauswirtschaftsmeisterin, später berufsbegleitend auch noch zur Landwirtin. Sie ist geprüfte Natur- und Landschaftspflegerin, Rettungssänitäterin und Fachberaterin Krisenintervention.

13 Jahre Skiwacht
auf der Zugspitze

13 Jahre lang verbrachte Martina die alpinen Winter von November bis Mai bei der Skiwacht auf der Zugspitze. Um für Sicherheit auf den Pisten zu sorgen und verunglückte Sportler zu retten. Manche der 1200 Einsätze sind ihr im Gedächtnis geblieben. „Bei einem Unfall war gar nicht viel passiert. Nur ein verdrehter Daumen. Trotzdem hat der Fall mich lange beschäftigt, denn der Mann war Berufsmusiker. Für ihn brach eine Welt zusammen“, erzählt sie. Dann ist sie da, hört zu und spendet Trost: „Durch ihre Arbeit im Kriseninterventionsteam der Bergwacht hat Martina schon vielen Angehörigen von schwer verletzten oder zum Teil verstorbenen Patienten geholfen, mit dem Schicksalsschlag umzugehen“, berichtet ihr Bereitschaftsleiter. Jedes Schicksal bewegt. Auch das des 68-jährigen Thüringers, der am 28. August an der Kampenwand abstürzte und mit dem Rettungshubschrauber schwerst verletzt ausgeflogen wurde. Wie so oft war Martina Bauer auch an diesem Tag eine der ersten Einsatzkräfte. Denn wenn etwas auf der Kampenwand passiert, ist sie von der Steinlingalm aus schnell vor Ort.

Schnellstmöglich
an Einsatzstelle

„Dann werfe ich den Bergwachtrucksack über und laufe schnell hin oder fahre mit dem Auto zur Unfallstelle“, beschreibt sie. Ein Glücksfall für die Bergwanderer und das Team der Bergwacht, denn „wenn der Einsatzleiter schnellstmöglich eine Lage von der Einsatzstelle erhält, kann er die Rettung des Patienten noch besser planen“, erklärt Riepertinger. Martina Bauer fühlt sich sicher in den Bergen. Nicht nur, weil sie von klein auf daran gewöhnt ist, sich auf steilen Hängen und Wiesen zu bewegen, sondern vor allem durch ihre Ausbildung und Erfahrung bei der Bergwacht.

„Die Liebe zu den Bergen und der Natur verbindet uns Bergwachtler“, sagt der Bereitschaftsleiter: „Aber natürlich braucht man auch einige sportliche Voraussetzungen, um im Bergrettungsdienst und speziell in der Ausbildung zu bestehen.

Dazu gehören eine gute Skitechnik, Grundkondition und Kletterkenntnisse.“ Und wer in 90 Minuten nicht die 1000 Höhenmeter vom Fuß der Kampenwand bis zu den Eingängen der Kaisersäle am Gipfel schaffe, bestehe den Eignungstest nicht, fügt Martina hinzu. Allein die Vorstellung macht Außenstehende atemlos.

Die intrinsische Motivation, anderen zu helfen, verbindet alle Retter der Bergwacht Sachrang-Aschau. Und nur als Team ist es ihnen möglich, Menschen zu retten. „Einer allein kann am Berg gar nichts ausrichten. Es ist immer Teamwork.

Jedes Rädchen greift ins andere, um das Bestmögliche für den Patienten zu erreichen“, beschreibt Martina. Deshalb sieht sie ihre Auszeichnung als Dank an alle Bergwachtler. Den reicht sie auch an die „alten“ Kameraden weiter, als die von der Auszeichnung hören und ihr gratulieren, denn: „Ohne euch könnte ich gar nichts tun.“

Ein ganz
besonderer Mensch

Und doch ist Martina Bauer ein ganz besonderer Mensch, wie Bereitschaftsleiter Thomas Riepertinger beschreibt: „Extrem empathisch, mitfühlend und verständnisvoll. Eine klasse Rettungssanitäterin, die mit ihrem enormen Erfahrungsschatz der Mannschaft im Einsatz am Patienten die nötige Ruhe vermittelt. Und auch für stark belastete Einsatzkräfte, beispielsweise nach sehr traumatischen Einsätzen, ist sie immer eine Stütze.“

Die Bergwacht Sachrang-Aschau

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