Bruckmühl/Übersee – Der Igel hat es derzeit schwer. Mit dem Herbst beginnt für den hier heimischen Insektenfresser sowieso schon eine harte Zeit. Doch es gibt immer mehr Probleme, die dem Igel zu schaffen machen. Igelstationen sind mittlerweile am Limit und können teilweise keine neuen Patienten mehr aufnehmen. Tierschützer möchten deshalb aufklären und zeigen, dass jeder Einzelne ein Igel-Leben retten kann.
Wenn Igel tagsüber
aktiv sind, ist das
ein Warnzeichen
Julia Grundmann ist erste Vorsitzende des Tierschutzvereins Bruckmühl. Sie kümmert sich zu Hause um bis zu 30 Igel. Grundmann weiß, woran man einen kranken oder geschwächten Igel erkennt. „Igeln, die tagsüber unterwegs sind, geht es ziemlich sicher nicht gut“, erklärt sie. Denn Igel sind nachtaktive Tiere.
„Viele denken, dass es normal ist, wenn Igel in der Sonne liegen“, sagt Grundmann. Dabei seien gerade die besonders in Gefahr, da sich Fliegen sofort auf sie stürzen. „Wenn die dann Eier legen und die Maden schlüpfen, bohren sie sich wahnsinnig schnell in den Igel“, so Grundmann. Das bedeute dann den sicheren Tod. Aber auch Igel, die sehr klein, dünn oder verletzt sind, seien besonders gefährdet. „Kranke Igel erkennt man auch daran, dass sie sich gar nicht mehr richtig zusammenrollen. Da macht nämlich der Kreislauf schlapp“, erklärt die Igelspezialistin. Auch schwankende oder zitternde Igel sind meistens nicht fit und brauchen Hilfe.
Die bekommen sie am besten auf einer Igelstation – zum Beispiel bei den Igelfreunden Übersee am Chiemsee. „Wir haben aktuell um die 90 Igel“, erzählt Angelika Schneider von den Igelfreunden. Davon seien etwa 80 noch sehr klein. „Die Zahl steigt auch weiterhin“, so Schneider.
„Alle Igel, die hier auf die Station kommen, sind krank oder noch zu klein. So können sie den Winter nicht lebend überstehen“, erklärt sie. Vor allem die vielen Babys brauchen besondere Zuwendung. „Sie müssen mit der Flasche aufgezogen und aufgepäppelt werden. Nur so können sie im nächsten Frühling wieder nach draußen“, betont Schneider.
Allerdings häufen sich auch dort die Probleme für Igel. Von Mährobotern, die Igelbabys sofort töten und größere Igel schwer verletzen können, bis hin zum Insektensterben. „Kälteeinbrüche sind auch sehr problematisch“, erklärt Julia Grundmann. Aber auch Überschwemmungen können Igelnester zerstören, zudem werden auch viele Igel überfahren.
Grundmann möchte vor allem mit einem Gerücht aufräumen: „Igel sind keine Schneckenfresser.“ Im Gegenteil, Schnecken stehen bei Igeln nur im größten Notfall auf dem Speiseplan. „Wenn sie keine anderen Insekten finden, müssen sie stattdessen Schnecken fressen“, erklärt die Igelspezialistin. Das könne aber mitunter sehr schlecht ausgehen, denn „dabei können sie sich alle möglichen Parasiten und Würmer einfangen“. Deshalb sei das Insektensterben für die kleinen Säugetiere auch so problematisch.
Diese Nahrungsknappheit hat zum Teil schwerwiegende Folgen. „Um Futter zu finden, müssen Igelmamas immer weiter weg von ihrem Nistplatz“, erklärt Grundmann. Im schlimmsten Fall überwiege dann der Selbsterhaltungstrieb – das bedeutet für die Babys den sicheren Tod. Doch selbst als Laie kann man den heimischen Nützling unterstützen. „Besonders gestriegelte Gärten machen es Igeln sehr schwer, ausreichend Nahrung zu finden“, erklärt Angelika Schneider. Ein kleines Schälchen mit Katzentrockenfutter und eine Wasserschale können bereits Abhilfe schaffen. Aber auch wer Blätter-, Ast- und Totholzhaufen im Garten liegen lässt, kann einen wichtigen Beitrag leisten. „Dort finden Igel nicht nur Nahrung, sondern auch Unterschlupf“, betont Schneider.
Findet man doch einen hilfsbedürftigen Igel, sollte man sich an einigen Regeln orientieren. „Zuerst muss der Igel gesichert werden. Und zwar unmittelbar und sicher vor Fliegen“, betont Schneider. Am besten fasst man ihn mit Handschuhen an. Dann kann er in einen Karton oder eine Tiertransportbox mit einem Handtuch gelegt werden. Außerdem muss jedes Tier vorerst einzeln untergebracht werden, ansonsten können sich Krankheiten schnell ausbreiten.
„Im zweiten Schritt sollte der Igel dann oberflächlich untersucht werden“, erklärt Schneider. Dabei müsse man besonders auf Verletzungen oder Fliegeneier achten – die können auch versteckt zwischen den Stacheln sitzen. Wenn Fliegeneier oder Maden zu sehen sind, kann man sie beispielsweise mit einer kleinen Bürste entfernen.
Besonders wichtig ist Wärme, etwa durch eine Wärmflasche. Allerdings sollte diese nicht zu heiß sein. „Außerdem muss der Igel genug Platz haben, damit er sich auch von der Wärmflasche weglegen kann“, betont Schneider. „Auf keinen Fall sollten Heiz- oder Rotlichtlampen verwendet werden.“ Die könnten den Igel austrocknen.
„Im Idealfall sollte der Igel auch gewogen werden. Das ist bei der Aufnahme in eine Igelstation eine wichtige Information“, erklärt Schneider. Ist der kleine Patient so weit gesichert, kann eine Igelstation oder Wildtierhilfe kontaktiert werden. In der Region gibt es zum Beispiel die Igelhilfe Bruckmühl, telefonisch erreichbar unter 0179/6651191, die Igelfreunde in Übersee, erreichbar unter Telefon 0151/54176293, auch per Whatsapp, oder die Wildtierhilfe Amerang, erreichbar unter der mobilen Rufnummer 0174/7535001.
Mit den Igelhelfern kann dann das weitere Vorgehen besprochen werden. „Die Station ist derzeit überlastet“, betont Angelika Schneider von den Igelfreunden. Sie helfen dennoch weiter. Man kann eine Nachricht mit ersten Informationen zum Igel und seine Telefonnummer hinterlassen oder eine Whatsapp-Nachricht schreiben.
Auch Pflegestellen und helfende Hände werden dringend gesucht. Manche Igel seien einfach nur unterernährt. „Wenn sie dann bei jemandem unterkommen, der sie ein paar Tage füttert, ist uns schon viel geholfen“, das sagen sowohl Julia Grundmann als auch Angelika Schneider. Menschen, die Igel aufnehmen, stehen sie mit Rat und Tat zur Seite.
Spezialistin warnt
vor Aktionismus
und Kreislaufkollaps
Einige Informationen möchte Schneider auf jeden Fall noch weitergeben. Auch wenn es auf den ersten Blick sinnvoll erscheint, sollte der Igel nämlich vorerst kein Futter oder Wasser bekommen und nicht gebadet werden. „Er kann sonst einen Kreislaufkollaps erleiden“, informiert die Spezialistin. Baby-Igel bräuchten außerdem spezielle Nahrung. „Auch Spot-On-Präparate gegen Milben, Flöhe und Zecken können für den Igel tödlich sein“, warnt Schneider. Deshalb solle man diese auf keinen Fall verwenden.
Die Igelhilfe Bruckmühl und die Igelfreunde Übersee am Chiemsee sind sehr bemüht, alle Igel zu versorgen. Allerdings werden Ressourcen knapp. „Ein Igel kostet im Monat um die 30 Euro“, erklärt Schneider. Deshalb sind die beiden Vereine auf Spenden angewiesen.