Einer der Scouts geständig

von Redaktion

Helfer des verurteilten Schleuserfahrers von Ampfing vor Gericht

Traunstein/Ampfing – Mit einem neuen Schöffen startete gestern der zweite Prozess im Zusammenhang mit dem Schleuserunfall mit sieben Toten und 15 teils schwerst Verletzten am 13. Oktober 2023 auf der A94 bei Ampfing von vorne. Einer der vorherigen Schöffen hatte ausgetauscht werden müssen, nachdem er damals Ersthelfer an der Unfallstelle war (wir berichteten).

Vor der Jugendkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzender Richterin Heike Will räumte einer der drei Angeklagten gestern ein, den vorausfahrenden Spähwagen gelenkt zu haben. Er habe von dem Unfall auf der A94 nichts mitbekommen, sei bereits vorher auf der Bundesstraße B20 nach Österreich umgekehrt.

Nicht zur Flucht vor
der Polizei geraten

Drei Syrer, alle aus Wien und Umgebung, müssen sich vier Tage lang vor der Jugendkammer verantworten – wegen „Einschleusen mit Todesfolge“. Den eigentlichen Schleuser, einen 25-jähriger Syrer, ebenfalls aus der österreichischen Hauptstadt, hatte das Schwurgericht am Dienstag wegen des gleichen Delikts und weiterer massiver Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt (wir berichteten).

Der jetzigen Anklage von Oberstaatsanwalt Dr. Martin Freudling zufolge sollen die drei Männer im Alter von inzwischen 23, 18 und 24 Jahren von ihrem BMW 520d aus den Hauptschleuser vor Polizeikontrollen gewarnt haben. Konkret sollen die Scouts die beabsichtigte Route vorher abgefahren sein. Als sie in jener Nacht am Grenzübergang Simbach Polizei sichteten, sollen sie den neunsitzigen, mit 22 Flüchtlingen völlig überladenen Mercedes Vito zum Grenzübergang Burghausen gelotst haben. Der 25-Jährige setzte danach seine Fahrt über die B20 und die A94 Richtung München fort. In der Ausfahrt Waldkraiburg/Ampfing verursachte er durch viel zu hohes Tempo und einen verhängnisvollen Fahrfehler den Unfall mit sieben Toten, darunter ein sechsjähriges Kind und dessen Vater, und 15 teils schwerst verletzten Flüchtlingen.

Zwei der mutmaßlichen Scouts ließen ihre Verteidiger, Michael Vogel aus Traunstein und Raphael Botor aus Rosenheim, gestern erklären, man werde vom gesetzlichen Schweigerecht Gebrauch machen. Lediglich der 23-jährige Fahrer des Spähwagens gab über seine Verteidigerin, Anita Süßenguth aus Neuötting, ein Geständnis ab. Fragen würden aber nicht beantwortet, betonte die Anwältin. Sie bestätigte, ihr Mandant sei in jener Nacht tatsächlich als Scout für den 25-Jährigen unterwegs gewesen und hätte 1000 Euro Lohn plus Auslagenersatz erhalten sollen.

Über die drohende Polizeikontrolle bei Simbach sei der Schleuser via Handy informiert worden. Der 23-Jährige habe ihm empfohlen, nach Burghausen auszuweichen. Zusammen sei man dorthin gefahren. Als der 25-Jährige von der Zivilstreife der Bundespolizei noch auf der B20 offenbar entdeckt worden und vor den Verfolgern geflohen sei, habe man mit dem BMW 520d umgehend den Rückweg nach Österreich angetreten.

Die Verteidigerin trug vor, der 23-Jährige habe gewusst, dass die Flüchtlinge in dem Kleinbus Mercedes Vito keine gültigen Ausweisdokumente besaßen. Auch, dass das Fahrzeug überladen war. Der Angeklagte habe dem Hauptschleuser nicht zur Flucht vor der Polizei geraten. Die Rechtsanwältin dazu: „Er ging davon aus, dass sich der 25-Jährige der Polizeikontrolle stellt.“ Frau Süßenguth schloss: „Mein Mandant wollte nicht, dass jemand verletzt wird oder stirbt. Das Ganze tut ihm wahnsinnig leid.“

Die ersten Zeugen, zwei Beamte der Bundespolizei, informierten die Jugendkammer gestern über ihre Erkenntnisse aus der Auswertung mehrerer Handys. Über die Mobiltelefone waren sie auf die drei Angeklagten gekommen.

Fortsetzung
am 27. November

Wie es der Zufall wollte, waren deren Identitäten schon bekannt – aus einer verdachtsunabhängigen Zufallskontrolle bei deren Einreise nach Deutschland. Mit einer Verzögerung zwischen wenigen Wochen und drei Monaten klickten dann die Handschellen.

Gemäß Anklage von Staatsanwalt Dr. Martin Freudling haben die drei Männer mit dem 25-Jährigen die Schleusung am 13. Oktober 2023 organisiert. Der 23-Jährige soll den 25-Jährigen zudem als Fahrer des Kleinbusses angeworben haben. Die Hauptverhandlung wird am 27. November sowie am 11. Dezember jeweils um 9.30 Uhr fortgeführt. monika kretzmer-diepold

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