Sie erweckt Stoff zum Leben

von Redaktion

Christine Bergener (24) aus Bad Feilnbach schneidert für TV-Show „The Masked Singer“

Bad Feilnbach/Garching an der Alz – „Hunderte glitzernder Pailletten muss ich noch an das Abendkleid nähen“, erzählt Christine Bergener aus Gottschalling bei Bad Feilnbach, führt konzentriert die Nadel durch den feinen Stoff und strahlt beim Anblick ihres edlen Designerkleides. Die junge Schneidermeisterin kreiert für eine Moderatorin der Berliner Aids-Gala die Abendrobe und betrachtet voller Stolz ihr gelungenes Werk aus Seide.

Genau das Gegenteil ihrer handwerklichen Fähigkeiten ist beim Entstehen der Kostüme für die TV-Show „The Masked Singer“ gefragt, wenn die 24-Jährige prominente Künstler in fantasievolle Kreationen hüllt. Ein Traumjob, den sie seit zwei Jahren in der Schneiderwerkstatt von Alexandra Brandner in Garching an der Alz und im Kölner Fernsehstudio voller Enthusiasmus ausübt. Wobei ihre steile Karriere 2016 ganz unspektakulär mit der Ausbildung zur Damenschneiderin mit Schwerpunkt „Tracht“ in einem ehemaligen Bad Aiblinger Trachtengeschäft begann.

Ausbildung mit der
Traumnote 1,0
abgeschlossen

Dass Christine Bergener einmal TV-Stars mit fantasievollen Kostümen ausstaffieren darf, hätte sie sich nie träumen lassen. Manchmal muss sie sich kneifen, damit ihr bewusst wird, dass ihr Leben kein Traum ist, sondern ein traumhaftes Leben. „Dabei hatte ich mit der Schneiderei in meiner Kindheit nicht wirklich viel am Hut“, erinnert sich die begeisterte Querflötenspielerin. Nach der Mittleren Reife ging ihr ein Praktikum in der 9. Klasse als Schneiderin nicht aus dem Kopf. Ein Inserat mit dem Titel „Ausbildungsplatz zur Maßschneiderin zu vergeben“ weckte ihr Interesse und prompt bekam sie die Stelle in Bad Aibling. Ihre Ausbilderin hat die Basis ihres handwerklichen Könnens gelegt und war nicht ganz unbeteiligt an ihrem Abschluss mit der Traumnote 1,0 mit anschließendem Staats- und Förderpreis. Doch zurück zum schimmernden Kleid auf der Schneiderpuppe im Atelier in Garching an der Alz: „Ein ganz besonderer Moment ist es immer wieder, wenn mein genähtes Kleidungsstück durch das Tragen zum Leben erweckt wird“, sagt Christine Bergener und strahlt. Aber das filigrane Seidenkleid muss jetzt doch noch auf seine Vollendung warten.

Ihre Chefin Alexandra Brandner hat eine wichtige Teambesprechung einberufen. Die neuen Kostüme für „The Masked Singer“ stehen auf dem Produktionsplan des 15-köpfigen Teams, das mit einer professionellen Maskenbildnerin in Wien eng zusammenarbeitet. „Da müssen die Arbeitsschritte detailliert besprochen werden, damit die Visionen der Kostümbildner Wirklichkeit werden.“ Ende November startet bereits die elfte Staffel der beliebten Live-Show.

„Dabei ist die Produktion der einzigartigen Kostüme schon längst in Arbeit“, erklärt Alexandra Brandner, die sich sicherlich als Koryphäe auf ihrem Gebiet bezeichnen darf. Die selbstständige Kostümbildnerin und Gewandmeisterin weiß ihr kreatives Team zu Höchstleistungen zu pushen – und das ist bei der Herstellung der handwerklich anspruchsvollen Kostüme absolut notwendig. Die perfekte Zusammenarbeit von Kostüm- und Maskenwerkstatt lässt dank hervorragend ausgebildeter Schneider und Maskenbauer einzigartige Kostüme entstehen, was bei manchem Modell schon mal bis zu 600 Stunden Arbeit dauern kann.

Christine Bergener ist ein wichtiger Teil dieses Teams, zu dem sie eher zufällig gestoßen ist. Nach ihrer Ausbildung ging sie im September 2020 für zwei Jahre auf die Deutsche Meisterschule für Mode/Design in München. Staatlich geprüfte Modegestalterin und Maßschneidermeisterin für Damen und Herren sind weitere Abschlüsse, die ihren Lebenslauf füllen.

Eher zufällig knüpfte sie Kontakt zu ihrer Kollegin aus der Ausbildungszeit, die sie einlud, im Atelier Alexandra Brandner vorbeizuschauen. Gute Schneidermeisterinnen könne man dort immer gebrauchen. Und ehe sie sich versah, hatte sie einen Vertrag in der Tasche. „Ich habe sehr große Hochachtung vor unserer Chefin“, erzählt Christine Bergener. „Ich bewundere sowohl ihr handwerkliches Können und ihre Fähigkeiten als diplomierte Kostümbildnerin als auch ihre Leidenschaft für diesen Beruf “. Sie sehe in Alexandra Brandner, die 2020 mit dem Deutschen Fernsehpreis für das beste Kostüm ausgezeichnet worden war, „ein großes Vorbild“.

Anfang des Jahres wurde der 24-Jährigen die Leitung der Schneiderwerkstatt in Garching an der Alz übertragen. In den nächsten Wochen ist das Team wieder besonders gefordert, da die Abnahmetermine der Kostüme für „The Masked Singer“ näherrücken. Jetzt zeigt sich nämlich, ob die umgesetzten Visionen auch „fernsehtauglich“ sind. Christine Bergener erinnert sich noch genau an ihre Premiere in Köln, als sie im Juni 2023 die Kostüme nicht nur im Atelier, das damals noch in Mühldorf beheimatet war, bearbeiten, sondern den Künstlern beim Einkleiden hinter den Kulissen der Fernsehshow helfen durfte.

Da merke man schnell, ob das Werk auch bequem und optisch ansprechend ist und ob es den Anforderungen bei den viertägigen Proben, Aufführungen und TV-Produktionen standhält. „Es hat alles perfekt geklappt, obwohl es immer mal Momente gab, wo man kurz den Atem anhält“ – weil sich beispielsweise eine kleine Naht öffnet, ein Knopf wackelt oder die Unterkonstruktion in Schieflage gerät. Aber das Verhältnis zwischen den Künstlern und den Profis mit Nadel und Faden sei sehr harmonisch. „Alle sind wahnsinnig nett zu uns“, bekräftigt Christine Bergener und so sei so eine „Schrecksekunde“ auch schnell wieder vorbei.

Wobei im Atelier ja nicht nur die rund 30 Kostüme für dieses Live-Konzept in Deutschland, Belgien und den Niederlanden produziert werden. Die Palette an Kreationen ist vielfältig und reicht von historischen Kostümen für mittelalterliche Spektakel, Comicmessen, Musikvideos, Kleider für Theater-, Film- und Fernsehproduktionen im In- und Ausland bis hin zu einem Halloween-Kostüm für eine Gala in Zürich.

Im Trachtenverein, der
Jungbauernschaft und
in der Kapelle aktiv

Doch wo findet die Gottschallingerin den nötigen Ausgleich zum fordernden Beruf? Den findet sie bei den Eltern und den beiden Geschwistern sowie in ihrer Freizeit, beispielsweise als aktives Mitglied im Trachtenverein D’Sulzbergler Litzldorf, bei der Jungbauernschaft und in der Musikkapelle Litzldorf. Die Teambesprechung ist mittlerweile vorbei, Christine Bergener kann sich nun wieder dem roten Seidenkleid widmen und näht mit geschickter Nadelführung weitere Pailletten an. Aber Eile ist geboten, denn in Kürze geht es wieder nach Köln zur nächsten Liveshow von „The Masked Singer“. Für die junge Frau aus Gottschalling wahrlich „ein Traumjob“!

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