Rosenheim/Halfing – Donald Trump hat die Präsidentschaftswahl in den USA gewonnen. Warum das Querdenker aus der Region bestärken könnte und wieso Politiker wie Söder und Aiwanger genauer auf ihre Wortwahl achten sollten, erklärt Politik-Experte und Demokratieforscher Florian Wenzel aus Halfing im OVB-Interview.
Donald Trump hat die US-Wahl gewonnen. Mit welchen Auswirkungen auf Deutschland rechnen Sie?
Die wirtschaftlichen Auswirkungen finde ich nicht unbedingt bedenklich. In diesem Bereich wurde ja deutlich, dass wir uns unabhängig von Trump oder Harris mehr um die Sicherheit, regionale Kreisläufe und Unabhängigkeit von bestimmten Lieferketten kümmern müssen. Für mich ist eher bedenklich, welche Signale Trumps Sieg an diejenigen aussendet, die auch bei uns die Demokratie hinterfragen und torpedieren wollen. In unserer Region haben wir genügend Querdenker, Reichsbürger, Rechts-Esoteriker, die sich natürlich schon sehr ermutigt fühlen.
Von welchen Botschaften konkret sprechen Sie?
Trump verachtet ganz klar althergebrachte Institutionen und operiert mit Feindbildern. Wenn das bei uns noch salonfähiger wird, dann ist das vor allem für die davon betroffenen Minderheiten eine große Gefahr.
Bestärkt Trumps Wahlsieg also Querdenker und Co.?
Wenn sich Fake News und Verschwörungsmythen, die ja interessanterweise immer auch mit einer Abwertung und mit Feindbildern einhergehen, verbreiten, dann betreffen diese Feindbilder meistens Minderheiten, die ausgegrenzt oder abgeschoben werden sollen.
Das hat, glaube ich, schon Auswirkungen auf die Frage, wie frei man hier leben kann, wenn man jüdischen Glaubens ist, wenn man schwul ist, wenn man nicht bestimmten Mustern entspricht.
Das ist sehr, sehr problematisch – und das hat Trump im Wahlkampf vorgelebt.
Auch die AfD schafft immer wieder Feindbilder. Kann man einen Vergleich zwischen Trump-Wählern und AfD-Wählern ziehen?
Bei den Wählern besteht immer noch die Hoffnung, dass man in eine Diskussion gehen kann. Aber es ist schon eine Herausforderung, wenn die Menschen so emotional eingefahren sind, dass es nur Gut und Böse gibt. Quasi ein „Wir stehen auf der richtigen Seite und alle anderen sind falsch.“
Das treibt ja auch einen Keil zwischen die Menschen.
Ja. Das führt weiter zur Spaltung der Gesellschaft. Das ist auch das, was die AfD immer wieder propagiert: Deutschland steht am Abgrund, die Gesellschaft steht am Abgrund, alle anderen sind daran schuld und wir sind die Heilsbringer. Demokratie ist nicht immer schön und lustig, sie ist komplex, dauert lange. Aber wenn das Verständnis für diese Mühen aktiv untergraben wird, dann wird es gefährlich. Das leistet der Autokratie-Vorschub. Viele Menschen wollen sich einfach in dieser Zeit, in der man mit schnellen Klicks und schnellen Triebbefriedigungen am Smartphone alles erreichen kann, gar nicht mehr mit dieser Komplexität auseinandersetzen. Sie werden emotional angesprochen und hoffen oder wünschen sich, dass es eine Partei gibt, die das jetzt endlich mal alles lösen möchte. Das ist, glaube ich, auch der Grund, warum diese Grenzüberschreitung bei Trump so gut funktioniert. Egal, was er sagt, Hauptsache einer macht mal alles anders.
Machen Sie sich auch Sorgen um die Demokratie in Deutschland?
Was mir Sorgen bereitet, ist, dass Menschen wie Aiwanger oder Söder auch diese Sprache aufgreifen. Wenn unser Ministerpräsident davon spricht, dass man sich überlege, das Grundrecht auf Asyl abzuschaffen, dann macht mir das Sorgen, inwieweit der Wert der Solidarität, letztlich also der Anspruch der Würde des Menschen, für alle noch gilt.
Wenn wir schon über deutsche Politiker sprechen: Welchen Umgang mit Trump erwarten Sie?
Es ist schwierig. Eine ganz klare Abgrenzung ist wahrscheinlich nicht möglich, da die USA so wichtig sind. Man muss die Zähne zusammenbeißen und einen pragmatischen Umgang finden. Gleichzeitig ist die Frage, ob es noch möglich ist, wirklich für die eigenen demokratischen Werte einzustehen. Ich sehe bedenkliche Tendenzen bei uns. Wer einen Blick in die USA wirft, und sieht, dass das funktioniert, könnte dann auf den Zug aufspringen.
Inwiefern?
Das sehen wir ja gerade in Bayern leider immer wieder. Dass sich die Parteien selbst bis zu den Grünen schwertun, nicht über die Stöckchen zu springen, die die AfD hinhält. So wird dann nur noch mehr über Migration gesprochen – und zum Beispiel gar nicht mehr über eine Reichensteuer. Das ist auch eine Gefahr für die Demokratie. Quasi, dass ein proaktives, verantwortungsvolles Gestalten der Gesellschaft für Politiker oft gar nicht mehr möglich ist, weil sie ständig von sehr lautstarken, skandalisierten Botschaften getroffen werden und immer darauf reagieren müssen. Das macht etwas mit der Demokratie, und das ist auch die Systematik der AfD.
Es wird ja inzwischen von vielen Seiten provoziert und einander verbal angegriffen in der deutschen Politik.
Wenn immer wieder Aussagen auch von konservativen Politikern kommen, wie „Das ist die schlechteste Regierung, die wir jemals hatten“ oder „Das ist der schlechteste Wirtschaftsminister, den wir je hatten“ – das ist O-Ton Trump. Diese Eskalationen und diese Superlative sind wirklich nicht hilfreich.
Trump hatte angekündigt, wenn er gewinnt, beendet er den Krieg in der Ukraine. Was glauben Sie, wird jetzt passieren?
Ich glaube, dass das keinesfalls funktioniert. Ich glaube, ihm ist das Schicksal der Menschen in der Ukraine, die er wahrscheinlich auch als Minderheit sieht, nicht so wichtig , wie sich mit den Mächtigen der Welt, mit denen er dann auch Geschäfte machen kann, gutzustellen. Der Begriff von universeller Solidarität oder Menschenwürde ist bei Trump völlig außer Blick geraten. Wenn Einwanderer als Tiere bezeichnet werden, dann ist der Weg zur Vernichtung nicht mehr weit.
Sprachliche Eskalation auch in Deutschland?
Die gibt es schon. Anfang des Jahres war das Wort Remigration noch ein riesiger Aufreger, was zu Demonstrationen geführt hat. Jetzt wird es auch in den Medien als normaler Begriff verwendet. Das ist nicht gut und nicht schön, aber es hat sich inzwischen normalisiert – und das ist unglaublich.
Interview: Patricia Huber