Rosenheim – Der Ampel-Bruch ist komplett. Am Mittwochabend hat Bundeskanzler Olaf Scholz Finanzminister Christian Lindner entlassen. Übrig bleiben zahlreiche Fragen – auch für die Region. Denn in der ersten Jahreshälfte 2025 hätte eigentlich im Bundestag über den Brenner-Nordzulauf entschieden werden sollen. Erst vor wenigen Wochen fand dazu noch eine Anhörung im Verkehrsausschuss statt, in dem sich die CSU und die Rosenheimer Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig für mehr Tunnellösungen stark machten.
Bürgerinitiative
wagt keine Prognose
War das nun umsonst? Und wie geht es jetzt mit der wichtigen Entscheidung für die Region weiter? „Wie entschieden wird und wann eine Entscheidung kommt, dazu wage ich keine Prognose“, sagt Lothar Thaler, Vorsitzender der Bürgerinitiative Brenner-Dialog, die sich gegen den Bau der Neubaustrecke stellt. „Ich kann mir vorstellen, dass die Regierung in den kommenden Monaten andere Probleme hat.“ Diese Vermutung kann Daniela Ludwig (CSU) klar bestätigen. „Eine solche Situation, dass ein Kanzler keine Mehrheit mehr hat, sich aber weigert, unverzüglich die Vertrauensfrage zu stellen, hatten wir in der Geschichte der Republik noch nie“, sagt sie auf OVB-Anfrage. „Wir stecken hier im Chaos.“ Daher sei es jetzt auch nicht sinnvoll, nach Einzelanträgen zu fragen. „Wir wissen nicht einmal, ob überhaupt noch irgendeine Ausschusssitzung stattfindet.“ Von positiver Stimmung sei man in Berlin jetzt weit entfernt. „Hier herrscht eine unglaublich angespannte Stimmung. Keine Freude, kein Triumph, nichts“, sagt Ludwig. Es betreffe nicht nur den Brenner-Nordzulauf. Alle Anträge und Entscheidungen liegen vorerst auf Eis. „Alles ist komplett in der Schwebe“, erklärt Ludwig. „Wir hätten heute eine volle Tagesordnung gehabt. Aber derzeit wird nichts mehr entschieden.“ Dennoch: Beim Brenner-Dialog gibt man die Hoffnung nicht auf. „Ich bin vorsichtig optimistisch, dass Einsicht einkehrt“, sagt Thaler. Man wolle weiterhin Überzeugungsarbeit leisten.
Anders sieht das der für die Region zuständige Grünen-Bundestagsabgeordnete Karl Bär. „Wir müssen die Situation jetzt nutzen und noch vor den Neuwahlen eine Entscheidung hervorrufen“, sagt er auf OVB-Anfrage. Die CSU habe die Planungen zum Brenner-Nordzulauf um ein Jahrzehnt zurückgeworfen. Jetzt sei es an der Zeit, aufs Tempo zu drücken. Bär hat auch eine Idee, wie diese Entscheidung rein theoretisch hervorgebracht werden könnte. „Praktisch müssen wir schauen, was passiert“, sagt er. Ihm bereite es Sorgen, dass nichts vorangeht. Schließlich steckten Milliarden an Steuergeldern in diesem Projekt. „Eine geringe Hoffnung bleibt“, macht Bär deutlich.
Der Grünen-Politiker sieht einen sogenannten Entschließungsantrag als Möglichkeit, das Thema trotz der Minderheitsregierung durchzukriegen. „Ich weiß natürlich nicht, ob man noch mit der FDP zusammenarbeiten könnte“, sagt er. „Aber ich versuche, mal herauszufinden, was Herr Wissing dazu denkt.“ Denn: Das für den Brenner-Nordzulauf zuständige Verkehrsministerium bleibt weiterhin in der Hand von Volker Wissing.
Wissing bleibt
Verkehrsminister
Am Morgen nach Lindners Entlassung kündigte Wissing an, aus der FDP auszutreten und weiterhin als Verkehrsminister im Amt zu bleiben. Während sich also seine Parteikollegen Christian Lindner, Marco Buschmann (Justiz) und Bettina Stark-Watzinger (Bildung) aus ihren Ämtern verabschieden, kehrt Wissing der FDP den Rücken – und übernimmt zusätzlich noch das Justizministerium.
Vorerst eine schlechte Nachricht für die Brenner-Gegner in der Region. Schließlich war Wissing beim Thema Brenner-Nordzulauf in der Vergangenheit kein zuverlässiger Ansprechpartner. Anfragen blieben häufig unbeantwortet oder wurden mit bereits zuvor veröffentlichten Statements abgetan. Auch am gestrigen Donnerstag blieb die Anfrage unserer Zeitung bis Redaktionsschluss unbeantwortet.