Rosenheim – „Das ist keine Wahlkampfveranstaltung“, betonte Bezirksrat Sepp Hofer mit entschuldigendem Unterton, als er die rund 50 Besucher zur Veranstaltung der Freien Wähler „Pflege in der Krise – wie geht es weiter?“ im Gasthof „Höhensteiger“ begrüßte. Die Veranstaltung habe er lange vor der aktuellen Entwicklung in Berlin geplant, da ihm das Thema sehr am Herzen liege. Die Pflege werde immer wichtiger, und jeder müsse damit rechnen, einmal selbst betroffen zu sein – direkt oder als Angehöriger indirekt.
Derzeit gibt es laut dem Pflegebeauftragten der bayerischen Regierung rund 600000 pflegebedürftige Menschen in Bayern. Aufgrund der demografischen Entwicklung nehme ihre Zahl stetig zu. Schon in absehbarer Zeit werde es über eine Million Pflegebedürftige geben. Die Zahl der Pflegekräfte hingegen nehme ab, da die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen. In der anschließenden Podiumsdiskussion kamen Vertreter der Praxis zu Wort. Ein großes Problem sieht Klaus Voss von der Diakonie in der überbordenden Bürokratie: „Die Pflegekräfte wollen pflegen, nicht verwalten.“ Sein Kollege Erwin Lehmann vom Caritas-Kreisverband stimmt ihm zu: „Wir müssen unsere Pflegekräfte sinnvoll einsetzen, damit sie nicht abspringen.“ Veronika Leidel von der Nachbarschaftshilfe Rosenheim hält es für sinnvoll, „die Anerkennung von ausländischen Ausbildungen zu verbessern“, um Migranten schnell in den Arbeitsmarkt zu integrieren. So könnte man auch Pflegekräfte gewinnen.
Ob die Digitalisierung eine Entlastung der Pflegekräfte bringen kann, wollte der Landtagsabgeordnete Sepp Lausch wissen, der die Diskussion leitete. „Der Pflegeroboter wird es alleine nicht schaffen“, meint Stefan Mayer von „CaraVita“. Er sieht jedoch die Möglichkeit, dass etwa Sensoren im Boden melden, wenn ein Bewohner eines Pflegeheims stürzt. Dies könnte den Mitarbeitern von Pflegeheimen viele Wege ersparen. Gleichzeitig berge dies aber auch die Gefahr, dass damit das Personal überwacht werde. Carsten Hoeft von „Die Mobile Krankenpflege“ sieht jetzt schon ein „latentes Misstrauen“ der kontrollierenden Institutionen, was die Mitarbeiter belaste.
Die Bezahlung hält Hoeft bei einer Vollzeitbeschäftigung für auskömmlich, während Voss meint, dass sie nicht angemessen sei, vor allem, wenn man die in Oberbayern teuren Wohnungen berücksichtige. Mayer gibt bei der Lohndiskussion zu bedenken, dass die Träger von Pflegeeinrichtungen auch „überleben können müssen“. Sonst müssten sie ihre Einrichtungen schließen, was zu einem Mangel an Pflegeplätzen führen würde.
Grundsätzlich müsse man „die Pflege neu denken“, meint Lehmann. Dazu gehöre auch, dass Pflegekräfte planbare Arbeitszeiten brauchen, damit ihnen auch ein planbares Privatleben möglich ist. Zum mehrfach angesprochenen Problem der Bürokratie meint Lausch: „Bürokraten werden nicht die Bürokratie abbauen. Das muss die Politik machen.“ Angesichts der Gesamtsituation stellt er fest: „Das ganze Gesundheitssystem braucht einen Reset.“ Nach einem Neustart mit vernünftigen Regeln würde es besser funktionieren. als