Klaus Moritz vom Wasserwirtschaftsamt. Foto Privat
Rosenheim – Das Jahr 2024 war das nasseste Sommerhalbjahr und das nasseste Abflussjahr in Südbayern in der 74-jährigen Beobachtungsreihe. Das teilt das Bayerische Landesamt für Umwelt mit. Ursache dafür sind vor allem die Dauer- und Starkregenereignisse von Januar, Mai, Juni und September. „2024 war ein bewegtes hydrologisches Jahr“, bilanziert Klaus Moritz die vergangenen Monate. Er leitet den Hochwassernachrichtendienst im Wasserwirtschaftsamt Rosenheim und ist zudem „Herr“ über alle amtlichen Grundwassermessstellen im Landkreis.
Überdurchschnittlich
viel Niederschlag
„Das alte Jahr endete mit überdurchschnittlich viel Niederschlag im November und Dezember. Das Frühjahr 2024 war normal bis unterdurchschnittlich und dann kam das deutlich zu nasse Sommerhalbjahr, beginnend Ende Mai, mit den Starkregenfällen Anfang Juni und dem Dauerregen im September. In der Folge gab es episodische oder dauerhafte Anstiege der Grundwasserstände.“ Die meisten Grundwassermessstellen im Landkreis verzeichneten die Jahreshöchstwerte im September. „2024 war ein gutes Jahr für die Grundwasserneubildung“, so Moritz, „aber leider ein schlechtes Jahr für manchen Hausbesitzer.“ Auch das Wasserwirtschaftsamt hätte sich eine geringere Dynamik bei den Niederschlägen gewünscht.
80 Grundwassermessstellen im Landkreis Rosenheim zeichnen Daten auf. „Abhängig vom Einzugsgebiet, Grundwasserspeicher sowie der Intensität und Verteilung der Niederschläge konnten wir starke Schwankungen der Pegelstände beobachten“, informiert Moritz. Trotzdem hatte der Landkreis zwar „hohe, aber keine exorbitant hohen“ Grundwasserstände. „Nur drei der 80 Messstellen verzeichneten ein Allzeithoch seit Beginn der Beobachtung“, ordnet Klaus Moritz die Messungen dieses Jahres ein. Im Jahre 2013 waren an 30 Grundwassermessstellen die Wasserstände als Folge des großen Mangfall-Hochwassers noch höher. 1995 verzeichneten nach einem Starkregen Anfang Juni 15 Messstellen einen absoluten Höchstwert.
Geballter Datenschatz
ist online verfügbar
„Der geballte Datenschatz der Aufzeichnungen ist beim Gewässerkundlichen Dienst Bayerns online einsehbar“, so Moritz. Ein Blick in Karten und Diagramme zeigt, dass es im dicht besiedelten Mangfalltal historisch gewachsen die meisten Grundwassermessstellen gibt. In Westerham bei Bad Aibling beispielsweise wird schon seit 1978 beobachtet. Der mittlere Wasserstand liegt hier bei circa 6,40 Meter unter der Geländeoberkante (u.G.). Seit Anfang Juni ist der Pegel dort kontinuierlich um fast 2,50 Meter angestiegen und erreichte im September seinen Allzeithöchststand von 4,25 Metern u.G. Inzwischen ist er wieder rückläufig und liegt jetzt bei 5,50 Metern u.G.
Hydrologen sehen
große Schwankungen
Eine noch größere Schwankungsbreite beobachteten die Hydrologen im engen Gebirgstal bei Aschau im Chiemgau. „Wie das Grundwasser auf Regenfälle reagiert, hängt von der Beschaffenheit und Mächtigkeit des Grundwasserspeichers ab“, erklärt Moritz. Deshalb sei keine Messstelle wie die andere. In Aschau ist die grundwasserführende Gesteinsschicht (Aquifer) Schotter. „Im schmalen Tal hat das Grundwasser nicht viel Platz und fließt schnell nach Norden ab.“ Bei einem durchschnittlichen Grundwasserstand von 13,5 Metern u.G. wurde hier im Jahr 2013 mit 7,80 Metern u.G. der allzeit höchste Grundwasserspiegel gemessen. In diesem Jahr stieg er im Juni auf 10,60 Meter u.G. und im September auf 9,80 Meter u.G. an. In Trockenphasen wie im Jahr 2018 sank er dagegen auf 15,7 Meter u.G. „Wir haben hier also eine Schwankungsbreite von fast acht Metern“, macht Klaus Moritz die besondere Situation im engen Priental deutlich.
Ein Blick nach Wiechs in der Marktgemeinde Bruckmühl. Das Einzugsgebiet der dortigen Messstelle ist groß, die Schotterfläche mächtig, die Grundwasseroberfläche in einer durchschnittlichen Tiefe von fast 14 Metern u.G. „Es dauert, ehe die Niederschläge bis in diese Tiefe sickern und Einfluss auf den Grundwasserspiegel haben“, wertet Moritz das Beobachtungsdiagramm aus. „Nach den Niederschlägen von Anfang Juni hat es bis Anfang Juli gedauert, ehe der Grundwasserspiegel von 14,50 Metern u.G. um zwei Meter auf 12,50 Meter u.G. gestiegen war. Nach dem Starkregenwochenende im September wurde erst Mitte Oktober der Grundwasserhöchststand dieses Jahres von 11,20 Metern u.G. erreicht.“
Doch zur Beschaffenheit der Grundwasserspeicher kommt ein weiterer Aspekt hinzu: In Gegenden mit oberflächennahem Grundwasser wirken sich extreme Niederschläge und Hochwasserereignisse relativ schnell auf den Pegel aus und verursachen oft auch Schäden an Gebäuden, die außerhalb der von Flüssen und Bächen überschwemmten Gebiete liegen. Dann drückt es durch die Kellerwände, denn: „In diesen Bereichen ist das Grundwasser natürlicherweise nicht tief unter der Geländeoberkante, sondern nahe an der Oberfläche“, so der Experte vom Wasserwirtschaftsamt.
Solche Situationen gibt es häufig entlang der Flüsse und Bäche, also beispielsweise in Siedlungsbereichen entlang der Mangfall. Die Grundwasserstände reagieren hier nicht nur auf den Niederschlag, sondern werden auch über die Wasserstände in der Mangfall beeinflusst. Moritz: „So stiegen die Grundwasserspiegel während der beiden Hochwasserereignisse im Juni und September an der Mangfall deutlich über den mittleren Wasserstand und waren nicht mehr weit entfernt vom Allzeithoch vom 5. Juni 1995.“
Nassester Sommer seit
Aufzeichnungsbeginn
In der Gemeinde Raubling gibt es nur einen amtlichen Grundwassermesspegel – bei Redenfelden. Der langfristige Mittelwert der seit 1970 aufgezeichneten Beobachtungen liegt bei 2,75 Metern u.G. Im Jahr 1995 kletterte der Grundwasserspiegel hier bis auf 1,60 Meter u.G. Nach dem Starkregen vom 3. Juni stieg er massiv auf zwei Meter u.G. an und hat sich seitdem wieder leicht über seinem Mittelwert eingepegelt. „Entscheidend sind immer die hydrologischen Rahmenbedingungen“, erklärt Klaus Moritz. „Grundwasserleiter sind hier die den Inn begleitenden, geringmächtigen Schotterflächen.“
Dass sich nach Regenfällen auf Wiesen und Feldern über Wochen das Wasser an der Oberfläche staute, war im nassesten Sommer seit Aufzeichnungsbeginn nicht zu übersehen. „Das ist ein Indikator dafür, dass viel Wasser im Boden ist, hat aber nicht unbedingt etwas mit den Grundwasserständen zu tun, sondern mit der Bodenbeschaffenheit“, erklärt Klaus Moritz. Auf bindigen Böden wie beispielsweise Lehm könne das Wasser in Geländesenken stehen, auch wenn der Grundwasserstand deutlich tiefer liegt, da die Versickerung eingeschränkt ist.
Bleibt die Frage nach den Mooren: Für die in der Gemeinde Raubling liegen dem Wasserwirtschaftsamt Rosenheim keine eigenen Messdaten vor. „Bislang haben wir zu wenige Informationen, um den Einfluss von Starkregen und Sturzfluten auf den Grundwasserspiegel der Moore vollumfänglich bewerten zu können“, sagt der Leiter des Hochwassernachrichtendienstes. „Renaturierte Moore haben relativ hohe, oberflächennahe Grundwasserstände und häufig noch Puffer, um Regenfälle schnell aufnehmen zu können.“
Zu den circa 20 Messpegeln sollen nun in geplanten Renaturierungsflächen des Landratsamtes und der Bayerischen Staatsforsten weitere hinzukommen. „Mit Blick auf das Starkregenereignis im Juni sind die Schäden aber die klare Folge der außergewöhnlichen Niederschlagsereignisse und nicht der Moorrenaturierungen“, betont Moritz.
Im größten zusammenhängenden Hochmoor in Bayern – der Kendlmühlfilzen – gibt es eine Messstelle des Wasserwirtschaftsamtes Traunstein. Nach großflächigem Torfabbau begann Mitte der 1990er-Jahre die Renaturierung. Schon seit 1985 wird der Grundwasserspiegel beobachtet. Zu Beginn der Aufzeichnungen pendelten die Grundwasserstände in den Kendlmühlfilzen zwischen 1,60 und 1,10 Metern unter Geländeniveau. Seit Ende der 1990er-Jahre war ein enormer Anstieg zu verzeichnen. Infolge der Wiedervernässung hat sich der mittlere Wasserstand inzwischen bei 90 Zentimetern u.G. eingepegelt. 2017 wurden Höchststände von 50 Zentimetern u.G. gemessen. In diesem Jahr stand der Pegel fast kontinuierlich am Mittelwert, mit wenigen Ausschlägen im Januar, Anfang Juli und Mitte September auf 70 Zentimeter u.G.
Grundwasser fast
an der Oberfläche
Im Bereich der Panger Filze bei Kolbermoor befindet sich die Grundwassermessstelle Schlarbhofen. Dieses Hochmoor wurde seit 1889 entwässert und zur Torfgewinnung genutzt. In den 1950er-Jahren begann die Kultivierung eines Teils des abgetorften Hochmoores. Seit 1980 wird der Grundwasserspiegel vom Rosenheimer Wasserwirtschaftsamt kontrolliert. Der Mittelwert liegt bei 2,60 Metern u.G., schlägt aber immer wieder bis auf etwa 25 Zentimeter unter der Erdoberfläche aus.
„Bei Starkregen steigt das Grundwasser also fast bis an die Oberfläche“, so Moritz. In diesem Jahr hat sich der Schlarbhofener Pegel seit Juni noch nicht wieder normalisiert, erreichte seinen Höchststand im September mit 25 Zentimetern u.G. und lag Mitte Oktober noch bei 1,50 Metern u.G. „Die deutliche Zunahme des Grundwasserstands über die 44 Jahre verursacht im unbesiedelten Umfeld keine Probleme“, informiert Moritz.