Rohrdorf/Rosenheim – Stau am Brenner – und beim Brenner-Nordzulauf. Während die Südtiroler und Tiroler schon fleißig gebohrt und gebaut haben, tut sich beim Brenner-Nordzulauf in Deutschland bisher nichts. Denn die endgültige Entscheidung über die Trasse und die Kernforderungen aus der Region muss erst noch in Berlin getroffen werden. Währenddessen blickt man im Raum Rosenheim mit bangem Blick Richtung Brennerautobahn – genauer gesagt auf die Luegbrücke.
Im Januar 2025 starten dort umfangreiche Bauarbeiten. Denn nach über 55 Jahren ist das alte Bauwerk „am Ende seiner Nutzungsdauer angelangt“, wie es die zuständige Autobahngesellschaft Asfinag beschreibt. Die Folge: Bis die neue Brücke gebaut ist, muss die bestehende entlastet werden. Konkret bedeutet das, dass die Brücke in beide Fahrtrichtungen nur einspurig befahrbar sein wird. Nur an 170 Tagen mit besonders hohem Verkehrsaufkommen geht es auf der Brücke in Richtung Brenner dann zweispurig voran.
„Das Risiko
von Stau nimmt zu“
Ein massiver Einschnitt in den Transitverkehr auf der wichtigen Strecke über die Alpen – der auch die Unternehmer aus der Region beschäftigt. Schließlich sind die Nerven der Speditionsunternehmer hier bereits durch die österreichische Blockabfertigung massiv strapaziert. Jetzt kommen auch noch die Belastungen durch die Luegbrücke hinzu.
Daher war die Sperrung auch beim Rosenheimer IHK-Regionalausschuss am vergangenen Donnerstag im Rohrdorfer Zementwerk Thema. „Es hilft nichts“, fasst Korbinian Leitner, IHK-Referatsleiter Verkehrsinfrastruktur, zusammen. „Man muss die Zeit im wahrsten Sinne des Wortes überbrücken.“ Das bedeutet auch: „Das Risiko von Stau nimmt auf alle Fälle zu.“ Das kostet auch Geld. Bei der italienischen Handelskammer in Bozen rechnet man mit einer zusätzlichen Belastung von 90 Millionen Euro – „weil die Fahrzeuge nicht fahren, sondern stehen“, sagt Leitner.
„Man muss damit rechnen, dass Verkehre nicht mehr berechenbar sind“, warnt der IHK-Verkehrsexperte. Den Unternehmern rät er, mehr Zeit einzuplanen und – falls möglich – die Lager zu vergrößern. Schließlich könne es im schlimmsten Fall auch dazu kommen, dass der Verkehr komplett zum Erliegen kommt. „Es ist eine riskante Zeit von zwei, drei Jahren“, sagt Leitner. Hinzu kommt: „Die Tiroler sind knallhart.“ Denn es besteht auch ein Nachtfahrverbot für Lkw auf der Strecke. Dazu möchte die IHK allerdings auch noch einmal mit der italienischen Handelskammer und den Tiroler Behörden das Gespräch suchen. Für Leitner ist aber auch klar: „Die Verkehre werden ans Ziel kommen. Das steht nicht zur Debatte. Es ist nur die Frage, wie viel Zeit sie in Anspruch nehmen.“
Keine leeren Regale
in der Region
Andreas Bensegger, Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses Rosenheim, hat beim Gedanken an die Bauarbeiten an der Luegbrücke gleich im doppelten Sinn Bauchschmerzen. „Zum einen für die Bürger aus der Gegend, die gerne in Richtung Süden fahren“, sagt er. „Zum anderen ist es für die Wirtschaft eine deutliche Herausforderung“, sagt Bensegger. „Wenn wirklich gar nichts mehr gehen sollte, weil beispielsweise ein großer Unfall passiert, dann müssen wir improvisieren“, macht er deutlich.
Manche Preise
könnten steigen
Das könne allerdings nicht jeder Betrieb. Dennoch rechnet er nicht damit, dass die Endverbraucher davon etwas spüren werden. Die Wirtschaft werde schnell lernen, wie man disponieren und planen muss. Lediglich eine Preissteigerung bei manchen Produkten könnte ein Faktor sein. Denn wenn ein Fahrer länger unterwegs ist, koste es schließlich auch mehr. „Ich glaube aber nicht, dass wir leere Regale haben werden“, gibt Bensegger Entwarnung.
Beim Brenner-Nordzulauf ist man bei der IHK guter Dinge. Es sei keine Frage des „ob“, sondern nur eine Frage des „wie“ und „wann“. Bei der Anhörung zum Brenner-Nordzulauf im Bundesverkehrsausschuss drohte der Tiroler Landesrat René Zumtobel mit mehr Blockabfertigung, sollte Deutschland beim Bau nicht endlich in die Puschen kommen.
Diese Drohkulisse nimmt man bei der IHK ernst. Das bestätigt auch Bensegger: „Die Tiroler haben gezeigt, dass sie das ernst meinen, und die Dinge, die sie ankündigen, auch durchziehen.“ Mehr Blockabfertigungen träfen die regionale Wirtschaft. Manche Standorte im Inntal seien dadurch schon jetzt schwer erreichbar. Die Folgen: „Weniger Effizienz, weniger Leistungsfähigkeit, mehr Ausfall, höhere Preise.“ Für ihn ist klar: Es braucht jetzt eine Entscheidung beim Nordzulauf. Dann hätte man Rahmenbedingungen, mit denen man arbeiten könne.
Blockabfertigung
und Nachtfahrverbot
Auch Leitner ist der Meinung, dass jetzt etwas passieren müsse. Denn bei den österreichischen Nachbarn akzeptiere man nichts anderes. „Für die steht es nicht zur Debatte, dass es auf deutscher Seite nicht weitergeht“, sagt er. „Die Tiroler machen Ernst. Die Tiroler haben es im Griff. Die Tiroler schaffen Fakten. Blockabfertigung, Nachtfahrverbot und weitere Lkw-Fahrverbote.“ Hierzulande schaue man nur zu. „Ich glaube, wir können daraus lernen.“ Man sei nun aufgefordert, einen Beitrag zu einer neuen Ära des Transits zu leisten. Und zwar auf der Schiene.