Traunstein – Nahezu jede Woche sind mindestens eine, oft parallel mehrere Traunsteiner Strafkammern mit kriminellen Schleusungen befasst. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und der Polizei erstrecken sich oft über Jahre, erfordern zeitaufwendige Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden, häufig auch hohen technischen Aufwand. Mal haben die Angeklagten in Deutschland ein einwandfreies Vorleben, mal weist das Bundeszentralregister – wie bei einer im Herbst 2024 in Traunstein verurteilten bulgarischen Staatsangehörigen – zahlreiche Einträge auf.
Vom Diebstahl zum Menschenschmuggel
Die 58-jährige Schleuserin stand zwischen 1997 und 2022 bereits 16-mal vorwiegend in München, aber auch in Rosenheim und Laufen vor einem Amtsgericht. Die Delikte reichten von kleineren Diebstählen über Straftaten im Verkehr bis zu einem Computerbetrug. Einem neuen, scheinbar lukrativeren Betätigungsfeld widmete sich die Frau offensichtlich im Jahr 2019. In Bosnien und Herzegowina verbüßte sie dafür wegen „Menschenschmuggels“ vier Monate Haft. Einige Monate war sie 2020 in der Türkei hinter Gittern. Mitte 2022 klickten in Bayern die Handschellen. Seither saß die 58-Jährige ununterbrochen in einer bayerischen Frauenhaftanstalt – entweder in Strafhaft oder in Untersuchungshaft.
Fünf Jahre Gefängnis – 18500 Euro Wertersatz
Die Erste Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzender Richterin Heike Will verurteilte die geständige Angeklagte kürzlich wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in neun Fällen, davon in zwei Versuchstaten, zu fünf Jahren Haft. Dabei bezog die Kammer eine Vorahndung des Amtsgerichts Laufen von Ende 2022 mit 21 Monaten Freiheitsstrafe wegen versuchter Schleusung einer türkischen Familie mit ein. Bei den jüngst angeklagten neun Schleusungen im Zeitraum Mitte 2020 bis April 2022 fungierte die 58-Jährige teils als Organisatorin, aber auch als Fahrerin beziehungsweise Beifahrerin. Ihren Schleuserlohn, der als Wertersatz fixiert wurde, errechnete die Erste Strafkammer mit 18500 Euro.
Fünf „lebensgefährdende Behandlungen“
Um zehn gewerbsmäßige Schleusungen, davon fünf mittels „lebensgefährdender Behandlung“, drehte sich ein Verfahren der Neunten Strafkammer mit Vorsitzender Richterin Barbara Miller. Gegen einen nicht vorbestraften 36 Jahre alten ukrainischen Taxifahrer aus Estland verhängte das Gericht eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten. Sein Pkw wurde eingezogen, der Wertersatz mit 9400 Euro beziffert. Zwei Vorwürfe hatte das Gericht mit Blick auf die übrigen Fälle eingestellt. So verblieben im Urteil acht Fahrten. Über eine Facebook-Anzeige waren dem unter Geldnot leidenden Familienvater von einem „Alex“ Fahraufträge in der EU, angeblich „Gruppenbeförderungen von Bauarbeitern“, in Aussicht gestellt worden. Als er erkannte, worum es sich eigentlich handelte, ließ er sich dennoch darauf ein.
Ungesicherte Passagiere im Kofferraum
Der Grund: Er benötigte Geld für seine Familie – und zwar längerfristig. Für die Tätigkeit als Fahrer winkten 300 Euro pro Person, 100 Euro je Person, wenn er als vorausfahrender Scout im Späheinsatz war. An 37 Tagen pendelte er ab Ende Januar 2024 zwischen Slowenien und der Bundesrepublik. Sein Pkw Peugeot 503 verfügte über vier Sitzplätze mit Sicherheitsgurten für die Geschleusten. Waren mehr Passagiere an Bord, mussten sie ungesichert im Rückbankbereich oder im Kofferraum sitzen. Unter den Flüchtlingen waren vier minderjährige Kinder. Bei seiner letzten Tour, dieses Mal lediglich als Scout, wurde er am 29. Februar 2024 nachts um 3.30 Uhr auf der Autobahn A8 bei Anger von der Polizei gefasst.kd