Aschau am Inn – Petrus wusste am gestrigen Donnerstagvormittag selber nicht: Sollte er angesichts des russischen Angriffskrieges in der Ukraine und dem dortigen Leiden weinen. Oder sollte er sich freuen, dass in Aschau-Werk eine neue Fertigung entsteht, um ab 2026 die Motoren für die Luftabwehrrakete Patriot zu bauen. Und so entschied sich Petrus für einen Mittelweg: Eisige Temperaturen und einen grauen Himmel, durch den ab und an die Sonne blitzte.
Millionen-Investition
für Patriot-Raketen
Die Bayern-Chemie investiert in Aschau-Werk einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag für sechs neue Gebäude und 50 neue Arbeitsplätze. Ab 2026 sollen hier wieder – mit Blick auf die Berge – die Motoren für über 1000 Patriot-Raketen entstehen; erstmals wieder nach der Fertigung zwischen 1987 und 1996.
Im Januar hatte die NATO- Agentur NSPA die Comlog GmbH, ein Joint Venture der Rüstungskonzerne MBDA Deutschland und Raytheon, mit der Herstellung und Lieferung von 1000 Patriot-Lenkflugkörpern für die Bundeswehr und weitere NATO-Partner beauftragt. Als MBDA-Tochter ist die Bayern-Chemie für die Produktion und Lieferung der Raketen-Motoren verantwortlich.
„Das ist ein Beitrag zum Schutz für unser Land, zum Schutz für die Menschen“, unterstrich Bayerns Ministerpräsident Markus Söder in seiner Rede vor der Belegschaft und zahlreichen Ehrengästen. Unter diesen waren neben Aschaus Bürgermeister Christian Weyrich und Mühldorfs Landrat Max Heimerl der Bundestagsabgeordnete Stephan Mayer, die Landtagsabgeordneten Sascha Schnürer und Markus Saller. Als Vertreter der Bundeswehr waren der Chef des Stabes im Kommando Luftwaffe, General Christian Leitges, sowie General Thomas Hambach, Kommandeur Landeskommando Bayern, vor Ort.
„Frieden und Freiheit sind wesentlich bedrohter, als wir bisher gedacht haben. Wir haben wieder Krieg in Europa“, unterstrich Dr. Wolfgang Rieck, Geschäftsführer der Bayern-Chemie, mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. „Mit dem heutigen Spatenstich leistet die Bayern-Chemie einen Beitrag zum Schutz unserer Bürger und unserer Partner.“ Die Luftabwehrrakete Patriot sei ein „Eckpfeiler“ der Luftverteidigung.
„Russland hat auf Kriegswirtschaft umgestellt – für Attacke“, unterstrich Ministerpräsident Söder. „Jetzt wissen wir wieder: Alles ist möglich.“ Söders Schlussfolgerung: „Wir müssen selber robust und stark sein.“ Dazu brauche es auch eine „starke Bundeswehr“ mit Rückhalt in der Gesellschaft, bester Ausrüstung und modernen Systemen. Die „wackeligen“ zwei Prozent Verteidigungsausgaben würden nicht reichen: „Wir brauchen eher drei Prozent.“
Auch für Söder ist der Spatenstich ein Beitrag für die Sicherheit. „Wer ein Raketenschutzschirm hat, kann deutlich beruhigter sein. Das ist ein Beitrag zum Schutz für unser Land, zum Schutz für die Menschen und die Demokratie.“
Als Vertreterin der US-amerikanischen Botschaft lobte Jane Bocklage die transatlantische Allianz und den Beitrag Deutschlands. Die Zusammenarbeit bei Patriot zeige, was gemeinsam erreicht werden könne. „Wir bauen nicht nur System, wir bauen Vertrauen, Verständnis und eine stärkere Zukunft.“ Es sei ein Symbol „für unsere gemeinsame Entschlossenheit, unsere Nationen zu schützen und die Werte, die uns vereinen, zu bekräftigen: Freiheit, Demokratie, die Souveränität von Staaten und Rechtsstaatlichkeit.“
Für Bayern-Chemie-Chef Rieck ist die Investition zugleich ein „Symbol unserer Entschlossenheit“, den Standort in Aschau-Werk zu sichern und auszubauen. Das freute Aschaus Bürgermeister Weyrich, der die Unterstützung der Gemeinde zusicherte: „Wir sind hier vor Ort und nicht nur gestern und heute, sondern auch morgen und übermorgen da und helfen.“
Nach Angaben von Thomas Haslinger, Sprecher der Bayern-Chemie, verfügt das Unternehmen europaweit „über einzigartige Genehmigungen“ für die Produktion und den Test von Explosivstoffen. „Der Ausbau des traditionsreichen Standortes, an dem wir bereits über 60 Jahre wehrtechnische Produkte herstellen, ist auch generell notwendig, um unsere Spitzenstellung im Bereich Staustrahlantrieb und Feststoffraketen-Motoren weiter auszubauen.“
Russland eskaliert am
Tag des Spatenstichs
Während die Gäste in Aschau noch den Spatenstich für die Abwehrrakete Patriot feierten, lief über den Nachrichtenticker eine Meldung aus der Ukraine. Russland hat am Tag des Spatenstichs erstmals eine Interkontinentalrakete auf die Ukraine abgefeuert. Die 50 Tonnen schwere Rakete vom Typ RS-26 Rubesch schlug in einem Vorort der Millionenstadt Dnipro ein.