Wasserburg – Drei Frühchen in einem Inkubator, die Scheiben notdürftig mit Klebeband geflickt: Dieser Anblick schockierte Andreas Bauer, im Raum Wasserburg „Ranger“ genannt (nach einem von ihm früher geführten Outdoor-Sportgeschäft), als er in seinem Urlaub Pakistan besuchte. Hier hatte er als Projektpate des Vereins „Begegnungen mit Menschen“ schon mehrfach Soforthilfe organisiert.
Eigentlich wollte er in seinem Jahresurlaub „nur“ eine mit Spendenmitteln geförderte Schule, ein Mädchenhostel, ein Jungenwaisenhaus sowie ein Kinder- und Geburtskrankenhaus besuchen und sich ein Bild der Lage machen. Doch die Zustände auf der Frühchenstation schockierten ihn so sehr, dass er nach eigenen Angaben beschloss: „Ich muss sofort was tun.“
„Wir können die
Welt nicht verändern“
Fest steht laut Bauer: „Wir können die Welt nicht verändern, aber einzelne Leben – indem wir helfen, vor Ort, ganz konkret.“ In diesem Fall hieß dies: den Ankauf neuer Inkubatoren organisieren. Gar nicht so einfach in einem armen Land, dessen öffentliche Verwaltung große Schwächen aufweist.
Doch der Ranger, der in Pakistan nach eigenen Angaben sehr gut vernetzt ist, ließ nicht locker. Innerhalb weniger Tage managte er Bestellung, Finanzierung, Auslieferung und Installation von drei neuen Wärmebettchen für zu früh geborene Babys. Als das erste im frisch eingetroffenen, hochmodernen Inkubator in Sicherheit gebracht wurde, war „der Ranger“ persönlich vor Ort.
Auch das sei ihm wichtig, sagt er: sich davon zu überzeugen, dass aus Spenden gekaufte Hilfsmittel auch wirklich dort ankommen, wo sie gebraucht werden. „Das Strahlen der ersten Mutter, die ihr Baby auf der Frühchenstation so gut aufgehoben sah, werde ich nie vergessen“, sagt der Unterreiter.
Doch sein Urlaub wurde kurz nach diesem Erfolgserlebnis wieder unterbrochen. Pakistan, ein Land, das extrem unter dem Klimawandel und Unwetterkatastrophen wie Flut leidet, wurde mal wieder von schweren Regenfällen heimgesucht. In einer Region im Norden, die der Ranger seit Jahren gut kennt, kam es nach seinen Angaben zu Erdrutschen. 1000 Menschen waren betroffen, über 30 Häuser und viele Felder wurden unter Schlamm-Massen begraben. „Auch da konnte ich nicht wegschauen“, sagt Bauer.
8000 Kilogramm
Nahrungsmittel
In nur drei Tagen organisierte er erneut eine Soforthilfe: 8000 Kilogramm Nahrungsmittel für 80 Familien, die mit Reis, Mehl, Öl und Linsen einen Monat überleben können, und außerdem Materialien wie wärmende Decken erhielten. Erneut kam dem „Ranger“ der gute Kontakt zu wichtigen Personen zugute: etwa zum Tourismuspräsidenten und Polizeichef der betroffenen Region. Sie unterstützten mit ihren Netzwerken, sodass die Lastwagen mit den Hilfsgütern anrollen konnten, so Bauer. „Es war emotional sehr ergreifend, die Dankbarkeit der Menschen zu erleben“, berichtet er.
Der „Ranger“ war wieder persönlich vor Ort, packte beim Beladen der Lkw und Verteilen der Hilfsgüter mit an. „Begegnungen mit Menschen“ also, so wie auch der von ihm geleitete Verein heißt. Gegründet wurde er 2004 nach der Tsunami-Katastrophe in Südostasien: als Plattform für Initiativen und Gruppen, die weltweit Hilfe zur Selbsthilfe unterstützen wollen und in akuter Not zur Seite stehen. Sitz des Vereins ist in Unterreit, dem Wohnort von Bauer. „Begegnungen mit Menschen“ hilft bei Koordination, Steuerung und Abwicklung von Hilfsprojekten. Ehrenamtliche übernehmen außerdem Patenschaften für Projekte und kümmern sich um deren Umsetzung vor Ort, oft persönlich.
Patenschaften für
Projekte weltweit
Der Verein konzentriert sich zwar seit Jahren weltweit auf Pakistan, Nepal, Kolumbien, Südsudan und Uganda, hilft jedoch seit Ausbruch des Angriffskriegs von Russland auf die Ukraine auch hier. Es entstanden viele Kontakte durch die in der Region ebenfalls beheimatete Osteuropa-Hilfe mit Sitz in Soyen.
Schon wenige Wochen nach dem Kriegsausbruch organisierte das Team des „Rangers“ den ersten 40-Tonner, der medizinische Geräte und Hilfsmittel in die Ukraine brachte. Darauf konzentriert sich der Verein bis heute, berichtet Bauer. Erst jüngst wurde nach seinen Angaben ein Transport zusammengestellt, der dem Notruf eines Kinderkrankenhauses gefolgt war: Mehrere Seiten lang war die Bedarfsliste für medizinische Materialien. Skalpellklingen, Beatmungsschläuche, OP-Handschuhe, Infusionssets, Pflaster, Spritzen, Magensonden, Gips, Bandagen.
Hilfsgüter im Wert von 30000 Euro wurden ins Kriegsgebiet geliefert, wo die Not laut Bauer groß ist: Denn durch die Bombardements sind viele Regionen in der Ukraine von der Versorgung abgeschnitten, auch Kliniken liegen in Schutt und Asche. Viele Patienten mit akuten Verletzungen seien zu versorgen. Im Fokus: neurochirurgische Fälle durch Splitter-Verletzungen. „Es sind Schicksale, die nur schwer zu verarbeiten sind“, sagt der „Ranger“.
Ukraine-Hilfe,
die auch ankommt
Der Verein arbeitet in der Ukraine intensiv mit Bodenbergungstruppen zusammen. Auch hier werde jeder Transport dokumentiert, um zu beweisen, dass die Hilfsgüter aus Deutschland auch wirklich dort ankommen, wo sie dringend benötigt werden, betont der „Ranger“. „Begegnungen mit Menschen“ hat sich für die Ukraine-Hilfe intensiv vernetzt mit Krankenhäusern in der Region: Eng arbeitet der Verein unter anderem mit den Kliniken des Romed-Verbunds, dem Ebersberger Krankenhaus und der Schön-Klinik Vogtareuth sowie „Apotheker ohne Grenzen“ zusammen. Ärztliche Teams unterstützen bei der Auswahl der Materialien.
Vereinsgründer Bauer kann hier auch sein Wissen einbringen, denn er ist Intensivfachpfleger auf der Kinderstation der Schön-Klinik Vogtareuth. Sein Helferherz schlägt für alle Menschen in Not, speziell für die Kinder in Pakistan. Seine zweite Heimat, wie er sagt. „Täglich erreichen mich Dankesnachrichten, die mir die Energie geben, weiterzumachen“, sagt er.