Vier Pistolen sind zwei zu viel

von Redaktion

Ein Großwildjäger will seine Waffen aus Angst vor seiner zunehmenden Demenz in Sicherheit bringen und übereignet sie dem Schwager. Der ist Jäger und gerät wegen unerlaubtem Waffenbesitz in das Visier der Staatsanwaltschaft. Nun wurde der Fall vor dem Amtsgericht Mühldorf verhandelt.

Mühldorf – Ein Fall von unerlaubtem Waffenbesitz, der zwischen den Landratsämtern Mühldorf und Rosenheim und zwischen den Polizeidienststellen Haag, Waldkraiburg und Prien hin- und herging, wurde nun vor dem Amtsgericht Mühldorf verhandelt. Angeklagt war ein 72-jähriger Jäger aus dem Landkreis Rosenheim wegen unerlaubten Besitzes zweier halbautomatischer Pistolen.

Diese beiden und mehrere Langwaffen hatte ihm sein Schwager, ein passionierter Großwildjäger, im Juni 2022 schriftlich übertragen. Der damals bereits 96 Jahre alte Mann wollte sichergehen, dass seine rund 30 Waffen in der Familie bleiben. Dies geschah aus Angst vor zunehmender Demenz, falls er nicht mehr dazu fähig wäre, sie selbst gefahrlos zu verwahren. Ende 2022 übergab er dem 72-jährigen Jäger zusätzlich ein verschlossenes Kuvert. Darin befand sich ein Code für einen Tresor, in dem die Schlüssel zu den Waffenschränken lagen.

Polizei durchsuchte
Haus nach Waffen

Laut Vorsitzendem Richter Florian Greifenstein waren diese Waffenschränke gut verborgen in dem Haus des Großwildjägers im Landkreis Mühldorf untergebracht. Im Keller, hinter einem Bauernschrank auf Rollen, habe sich eine Stahltür befunden. Hinter dieser war der Raum mit den Waffenschränken und einem Schrank für die Munition.

Aufgrund eines Hinweises wurde das Haus am 7. März 2023 von der Polizei nach Waffen durchsucht. Da der Hausherr nicht mehr in der Lage war, die Waffenkammer selbst zu öffnen, wurde der jetzt Angeklagte dazugeholt. Vor Ort habe er zum ersten Mal das Kuvert geöffnet und mithilfe des Codes den Beamten und einem Vertreter des Landratsamtes Mühldorf Zutritt verschaffen können, so Strafverteidiger Markus Frank.

Polizei und Landratsamt als zuständige Waffenbehörde ließen nach der Durchsuchung sämtliche Waffen in dem Haus zurück und nahmen dem Angeklagten auch die Schlüssel nicht ab.

Der Grund: Als Jäger mit Waffenbesitzkarte ist dieser grundsätzlich zum Besitz von Langwaffen in unbegrenzter Zahl und von zwei halbautomatischen Kurzwaffen, zum Beispiel für die Wildschweinjagd, berechtigt. Die zwei von seinem Schwager zusätzlich überlassenen Pistolen brachten ihn schließlich jedoch in die Bredouille.

Wochen später kündigte das Landratsamt Rosenheim an, dass die Polizei die Waffen am 13. Juni abholen werde. Um sie vor der Wegnahme durch die Polizei zu schützen, holte der Angeklagte am 12. Juni 2023 alle Waffen aus dem Haus seines Schwagers ab und brachte sie zu sich in den Landkreis Rosenheim, in einen eigens dafür angeschafften Tresor. Das teilte er den Landratsämtern Mühldorf und Rosenheim am folgenden Tag in aller Früh mit.

Angeklagter wollte
Schwester helfen

„Die beiden Kurzwaffen wollte ich gar nicht mitnehmen, ich hatte ja selbst schon zwei, aber meine Schwester hat geweint und mich angefleht, sie mitzunehmen“, berichtete der 72-Jährige vor Gericht. „Sie wüsste nicht, wie ihr dementer Mann sich weiterentwickeln und was er eventuell mit den Waffen anstellen würde.“ Am 14. Juni folgte eine Durchsuchung bei dem Angeklagten. Die beiden Halbautomatischen wurden von der Polizei Waldkraiburg gefunden und sichergestellt, sie werden vom Landratsamt Mühldorf verwahrt.

Warum es überhaupt zu der zweiten Durchsuchung im Juni gekommen ist, konnten sich Richter Greifenstein und der Verteidiger nicht erklären. Der federführende Staatsanwalt war nicht selbst bei der Verhandlung anwesend und auch nicht erreichbar. „Die Staatsanwaltschaft fühlte sich wohl hinters Licht geführt, weil der Angeklagte die Waffen abgeholt hat“, mutmaßte der Richter. Auch eine als Zeugin geladene Polizeibeamtin der Dienststelle Haag und später Waldkraiburg, wusste den Grund nicht. Nur, dass die Waffen auf Betreiben der Staatsanwaltschaft im Juni 2023 abgeholt werden sollten.

Noch eine Mutmaßung stand im Raum: Der jetzt Angeklagte hätte bereits im Juni 2022 die tatsächliche Gewalt über die Waffen gehabt, dies aber den Behörden nicht gemeldet. Also die beiden halbautomatischen Kurzwaffen unerlaubt besessen – wenn auch nicht im eigenen Haus.

Verteidiger regt
Einstellung an

Das bestätigte die Mitarbeiterin des Landratsamtes Rosenheim als Zeugin: „Er hatte die Zugriffsmöglichkeit, konnte sie jederzeit abholen.“ Die Waffen habe er schließlich „in einer Nacht-und-Nebel-Aktion“ aus dem Landkreis Mühldorf in den Landkreis Rosenheim gebracht. „Spätestens am 12. Juni hatte er zwei Kurzwaffen zu viel.“ Gleich mehrfach regte der Verteidiger die Einstellung des Verfahrens an. Sein Mandant habe die zwei Pistolen nur zwei Tage tatsächlich in seinem Besitz gehabt und habe das den Behörden mitgeteilt. Überhaupt hätten die schon bei der ersten Durchsuchung im März 2023 reagieren und die Waffen sicherstellen müssen.

Der anwesende Staatsanwalt konnte dem nicht zustimmen. Er forderte wegen minderschwerer Schuld eine Strafe von 80 Tagessätzen und die Einziehung der zwei Pistolen. Der Verteidiger blieb bei seiner Argumentation, 30 Tagessätze zu je 20 Euro seien das Höchstmaß. Der Angeklagte war mit der Einziehung der Waffen einverstanden: „Ich wollte sie nie, bin froh, wenn ich sie nicht mehr habe!“

Richter Florian Greifenstein sprach den Jäger schuldig wegen vorsätzlichen unerlaubten Besitzes der beiden Pistolen. Er verurteilte ihn zu 55 Tagessätzen à 20 Euro – bei 60 Tagessätzen wäre der Jagdschein weg gewesen. Das Urteil begründete er mit der kurzen Besitzdauer der Waffen von nur zwei Tagen und damit, dass der Angeklagte nicht schon im Juni 2022 die Waffen an sich genommen hatte. Er könne zwar nicht nachvollziehen, warum man in der Familie so sehr an den Waffen des Schwagers hängt, aber: „Das ist wohl das Besondere an Waffen.“

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