Hilft Neugier gegen Kälte?

von Redaktion

OVB-Leser zeigen Herz DLRG-Kinder sollen nicht mehr frieren müssen

Rosenheim/Mühldorf – Advent, Advent, ein Lichtlein brennt: Viele machen es sich jetzt warm und kuschelig. Schade nur, dass das bei der DLRG in Bad Aibling nicht geht. „Unsere Kinder müssen frieren“, sagt Jugendvorsitzende Elisa Kloß (25), auf dem eiskalten Garagenboden sitzend.

„Unsere Kinder“: Damit meint die Einsatztaucherin die acht Buben und Mädchen, die sich soeben zur Kindergruppenstunde eingefunden haben – ein eiskaltes „Garagen-Event“, das sich alle 14 Tage wiederholt. Wer begreifen möchte, warum die Zeit überreif ist für ein DLRG-Wasserrettungs- und Ausbildungszentrum in Bad Aibling, der ist dort richtig.

Gut möglich, dass die acht Kinder die Retter von morgen sind. Aber heute müssen sie sich erst einmal warm anziehen. Alle sind eingepackt in dicke Winterjacken und gefütterte Stiefel, alle machen große Kinderaugen und schauen gespannt zur Mitte.

Dort brennt keine Adventskerze. Stattdessen liegen Flossen, Neoprenanzüge, Tauchflaschen und Bleigewichte herum. In der Kindergruppenstunde geht es jeden zweiten Freitag um ein anderes spannendes Thema mit DLRG-Bezug: Baderegeln, Schwimmtechniken, Eisrettung, Schnelle Einsatzgruppen (SEG) oder Rettungshundestaffel. Heute ist Einsatztauchen dran – eine Garagen-Veranstaltung in der Unterkunft in Mietraching – einer von drei Standorten der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) Bad Aibling.

Sind Flossen eine Idee
von Meerjungfrauen?

Dort wird erst einmal der Einsatzwagen nach draußen gefahren. Dann kann es los- gehen. Ist kindliche Neugier ein wirksames Mittel gegen Kälte? Fast scheint es so, jedenfalls gehen den Buben und Mädchen die Fragen nicht aus. Sieht man beim Tauchen in der Mangfall viele Fische? Auch so bunte wie Nemo, den weltberühmtesten aller Clownfische? Sind Taucherflossen eine Erfindung von Meerjungfrauen? Und übertreibt Arthur (4) nicht maßlos, wenn er behauptet, dass er volle 20 Minuten lang die Luft anhalten kann? Janosch (9) und Valentina (11) glauben das nicht.

Die Kälte ist förmlich zum Greifen. Sie zieht durchs Garagentor herein, durchdringt die Wände, macht sich von unten her breit. Aber das ist den Buben und Mädchen egal – anfangs zumindest. Ihnen ist warm, der Aufregung wegen.

Und neben der ausgebildeten Einsatztaucherin Elisa Kloß und der stellvertretenden Jugendvorsitzenden Femke Lehmann (19) können sie heute auch Jakob Hinterholzer (23) und Mathias Buß (15) mit Fragen löchern. Die vier Ehrenamtlichen nehmen die acht Kinder bei ihrem „Garageneinsatz“ pädagogisch geschickt und auf Augenhöhe mit in die geheimnisvolle Welt der DLRG-Taucher. Es wird gezeigt, getastet, getestet, probiert, begriffen, geübt und gelernt, was die Tauchutensilien und die Tauchersprache hergeben.

Eine großartige Sache – wenn nur der Rahmen nicht wäre. Deshalb ist jeder Spendencent, der durch die Weihnachtsaktion „OVB-Leser zeigen Herz“ ins neue Zentrum fließt, gut angelegtes Geld.

Das Haus wird nicht nur mehr Wärme bieten, sondern auch den Platz, der fehlt: für Seminare, Fahrzeuge, Ausstattung, Material – und eine warme Dusche. Kein Frieren mehr, keine Löcher in der Wand, kein stundenlanges Hin und Her zwischen den drei Standorten in der Stadt: Fahrzeughalle auf dem B&O-Gelände, Lager am Bahnhof, Unterkunft in Mietraching.

Jeder der drei Standorte gleicht einem einzigen Stauraum: Das Material stapelt sich bis zur Decke, es ist kalt und eng, eine Umkleide oder Dusche gibt es nirgendwo. Ein Gartenschlauch, aus dem eiskaltes Wasser kommt, ist alles. Wenn sich die Eisretter damit im Winter den Schlamm von den Anzügen spritzen müssen, bibbernd vor Kälte, ist nicht nur die Schmerzgrenze des Zumutbaren überschritten. Dann kann das auch an die Gesundheit gehen.

Die Grenze des Zumutbaren ist beim „Garagentauchzirkel“ nach maximal 60 Minuten erreicht. Länger darf keine Kindergruppenstunde dauern. Denn spätestens nach einer Dreiviertelstunde fährt allen die Kälte in die Knochen – von unten, von der Seite, von vorn und von hinten. Jetzt helfen auch das Adrenalin, Thermodecken und warme Getränke nichts mehr. Der eiskalte Garagenunterricht ist nur eine Notlösung von vielen, weil dort auch Jugend-Events wie Weihnachtsfeiern stattfinden. Frieren, Improvisieren, Rangieren, Transportieren – Alltag für die DLRG-Retter, weil sich der Ortsverband Bad Aibling, gegründet 1980, rasant entwickelt hat. Aus 31 Mitgliedern beim Start sind 540 geworden – mit immer neuen Aufgabenfeldern und Einsatzbereichen. Nur die Infrastruktur ist nicht mitgewachsen. Die DLRG Bad Aibling bietet die ganze Palette: von der Jugendarbeit über Prävention und Schwimmausbildung bis zum lebensrettenden Einsatz von Schwimmern, Tauchern, SEG-Einsatzkräften und der Suchhundestaffel. Imponierend dabei: Drei von vier Bad Aiblinger Ehrenamtlichen sind unter 28 Jahren. So ist es logisch, dass speziell die DLRG-Jugend viel bewegt. Die Kinderstunden in der Garage organisieren Jugendleiterin Laura Dietl (18) und Anna Zorn (20) mit Geschick und der Hilfe der Jugendvorstandschaft und Jugendlicher. Nur eine Heizung können sie auch nicht herbeizaubern. Die Gruppenstunde ist fast vorbei. Längst hat sich auch der vierjährige Arthur die Mütze über den Kopf gezogen. Wenn er einmal groß ist, möchte er sehr gern „halb untergegangene Menschen aus dem Wasser holen“, wie er es formuliert. Wer 20 Minuten die Luft anhalten kann, der ist dafür ja wie gemacht. Der muss einfach Wasserretter werden.

Und dann wird Arthur eine Kerze anzünden

Falls es dazu kommt, wird Arthur vielleicht derjenige sein, der Kindern in der Gruppenstunde klar macht, wie kostbar das Leben ist; der ihnen zeigt, wie sie den Kopf über Wasser halten können. Nur dass seine kleinen Zuhörer nicht mehr auf dem kalten Garagenboden sitzen, sondern im gemütlich warmen Seminarraum – im neuen Zuhause der Bad Aiblinger DLRG-Retter, das mithilfe der OVB-Leser an der Dieselstraße entstanden ist, am nördlichen Stadtrand nahe Ellmosen. Und wie Arthur dort im Jahr 2040 einen Adventskranz anzündet – eine schöne Vorstellung.

Die Namen der
Spender, Seite 26

DLRG in der Region

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