Straßenhund wird Lebensretter

von Redaktion

Die wunderbare Karriere von Labrador-Mischling Poker aus Ungarn

Rosenheim/Mühldorf – Gestern zerzauster Straßenhund in Ungarn, heute feinspüriger Lebensretter in Oberbayern: Die Blitzkarriere von Labrador-Mischling Poker ist eine Geschichte, die ans Herz geht. „Das war Liebe auf den ersten Blick“, sagt Marianne Huber.

Marianne Huber (43) aus Tuntenhausen – das ist die Frau, die Poker ein neues Hundeleben ermöglicht hat. Vier Jahre ist das her, und im Advent 2020 ist es so wie beim sprichwörtlichen Kauf der Katze im Sack: Ein Foto von einem armseligen Straßenhund auf ihrem Handy ist alles, was sie hat. Trotzdem lässt sie ihn herbringen – direkt vom Plattensee.

Als der Hund anrollt, halten die ungarischen Transporteure Huber telefonisch auf dem Laufenden: Es werde spät in der Nacht werden. Nun gibt es kein Zurück mehr. Kann das gut gehen? Wird sich Poker mit den Kindern vertragen? Und mit der Katze? Die Nervosität steigt mit jedem Kilometer, den der Lieferwagen näher kommt.

Keine Katze im Sack –
ein liebenswerter Kerl

Um 2 Uhr nachts klingelt es. Endlich. Zwei Ungarn stehen vor der Tür, den ganzen Transporter voll mit Streunern aus Osteuropa. Sie öffnen die Heckklappe – und es ist ein wahres Goldstück, das herausspringt, mitten in die ausgestreckten Arme von Huber hinein, ein liebenswerter Kerl, ganz außer sich vor Freude, wild mit dem Schwanz wedelnd: endlich willkommen, endlich ein Zuhause, endlich eine Familie – als ob es der Hund spüren würde.

Und es ist eine große Familie. Marianne Huber ist verheiratet, hat vier Kinder und einen Kater: „Bubi“ (damals 10) hat schon ein paar Jahre mehr auf dem Katzenbuckel als der junge Neuankömmling aus Ungarn. Liebe auf den ersten Blick ist es zwischen dem skeptischen Bubi und Poker nicht ganz. Aber auch sie freunden sich schnell an – Kuscheln inklusive.

Poker dürfte Ende 2020 etwa ein Jahr gewesen sein. Zu seiner Biografie ist so gut wie nichts bekannt. Tierfreunde haben den Mischling im Herbst 2020 an einer Dorfstraße aufgelesen – im Nirgendwo nahe Veszprém, einer 60000-Einwohner-Stadt im Norden des Plattensees, ohne Marke, total abgemagert, verschreckt. Sie nennen ihn Poker. Niemand sucht nach ihm. Niemand fragt nach ihm. Bis Marianne Huber sein Bild aufs Handy geschickt bekommt.

Die OVB-Weihnachtsaktion unterstützt 2024 neben zwei BRK-Projekten in Rosenheim und Mühldorf den Bau eines Wasserrettungs- und Ausbildungszentrums der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) in Bad Aibling. Zur Rettungshundestaffel der DLRG Bad Aibling gehören seit Kurzem auch Marianne Huber und Poker – das ist der zweite Teil der bayerisch-ungarischen Liebesgeschichte.

Doppeljob als Busfahrerin und in der Gastronomie, verheiratet, vier Kinder, davon zwei noch in der Schule: Da könnte man abends die Füße hochlegen. Nicht so die busfahrende Kochhilfe aus Tuntenhausen. Anderen Menschen helfen – das treibt Huber an.

So kreuzt sie im November 2021 mit Poker zum Schnuppertraining bei der DLRG Bad Aibling auf. Der Hund hat ebenso Lust auf eine Aufgabe, auch wenn er anfangs noch etwas schreckhaft und stur ist. Aber unter dem dicken Fell, ohne das ein Straßenhund nicht überleben kann, verbirgt sich ein lernwilliger und zuverlässiger Menschenfreund mit einer Spürnase, die beim Schnüffeln sofort weiß, woher der Wind weht.

Frau (86) nachts bei
Burgkirchen gefunden

So gelingt, was angesichts der Begleitumstände eine reife Leistung ist: Nach drei Jahren Trainieren, Üben und Lernen schafft das Duo Anfang November 2024 die Prüfung in Starnberg. Marianne ist jetzt Rettungshundeführerin, Poker Rettungsflächensuchhund. Bravo!

„Dafür haben wir drei Jahre trainiert, im Schnitt zweimal wöchentlich, bei jedem Wetter: im Regen, im Schnee, im Dunkeln sowieso“, blickt die 43-Jährige auf die fordernde Ausbildung zurück. Der Sanitätskurs ist nur der Anfang, man muss das ganze Abc des Retter-Lateins beherrschen: Katastrophenschutz, Einsatztaktik, Erste Hilfe am Hund, Straßenverkehrsordnung, Unfallverhütungsvorschriften, Navigation oder Funk.

Marianne Huber, die das Bronze-Abzeichen im Rettungsschwimmen hat und sich gerade in der Wasserortung ausbilden lässt, war auch schon einmal „live“ bei einem Ernstfall dabei – im Juli 2024, ohne Poker, als Begleiterin von Marina Jesse (44) von der Bad Aiblinger DLRG-Rettungshundestaffel und deren Suchhündin Fini.

Damals wurde eine Frau (86) aus dem Kreis Altötting vermisst. Weil sich die groß angelegte Suche mehrerer Rettungsorganisationen mit Polizeihubschrauber und Hundestaffeln schon stundenlang ergebnislos hinzogen hatte, rückten spät am Abend auch noch Jesse, Fini und Huber, als Helferin, von der DLRG Bad Aibling aus. Mit schnellem Erfolg: Fini fand die Seniorin im Wald bei Burgkirchen – um 1 Uhr nachts. Die Frau saß frierend im dunklen Wald. Huber: „Wir haben sie sofort in Rettungsdecken eingehüllt. Der entkräfteten und stark unterkühlten Frau helfen zu können – das war schon ein großartiges Gefühl.“

Keine Paprika-Salami:
Die Zeiten sind vorbei

Wer sich „testweise“ mal von Poker „retten“ lassen möchte, der kann sich gern melden. „Wir können Suchpersonen fürs Training gebrauchen“, so Huber. Wenn Poker dann fündig wird, gibt es zur Belohnung allerdings keine ungarische Salami. Paprika-Salami war gestern. Heute mag er lieber Geflügelwurst aus Bayern.

Zahlscheine für die OVB-Weihnachtsaktion liegen heute bei.

Die Namen der
Spender, Seite 43

DLRG in der Region

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