Rosenheim/Mühldorf – Die Bad Aiblinger DLRG-Retter sind keine Warmduscher. Elisa Kloß (25) läuft es nach jedem Training eiskalt den Buckel hinunter. Eine Gänsehaut bekommt die Einsatztaucherin aber auch, wenn sie an eine Tragödie von 2015 zurückdenkt – ein einschneidendes Erlebnis, das Elisa mit 16 selbst miterlebt hat.
Zur Vergangenheit später mehr. Im Hier und Jetzt, im Dezember 2024, steht Elisa in der kalten und engen Fahrzeughalle der DLRG Bad Aibling, holt in einem schmalen Spalt zwischen Einsatzwagen und Mauer einen gelben Gartenschlauch von der Wand und hält sich das Ventil über den Kopf. „Das ist unsere Duschkabine“, sagt sie mit einem Schuss Galgenhumor.
Die Halle ist unbeheizt, das Wasser, das aus dem Schlauch kommt, eiskalt. Wie sich die frierenden Eisretter im Winter fühlen, wenn sie sich damit den Schlamm herunterwaschen müssen, kann man nur erahnen. Umkleiden gibt es auch nicht. Zum Umziehen wird extra ein Auto vor das Hallentor gefahren. Die nasse Ausrüstung will in der Kälte auch nicht trocknen.
Eine trostlose Szenerie, die beispielhaft für ein allgemeines Dilemma steht. Weil die inzwischen 540 Bad Aiblinger DLRG-Retter nicht nur beim Duschen frieren, ist die Zeit überreif für ein Wasserrettungs- und Ausbildungszentrum.
Platzmangel und spartanische Rahmenbedingungen kosten nicht nur viel Zeit und Nerven, sondern behindern das Ehrenamt mittlerweile in einem Maß, dass die Grenzen des Erträglichen überschritten sind. Deshalb ist jeder Cent, der bei der Weihnachtsaktion „OVB-Leser zeigen Herz“ in das Großprojekt fließt, gut angelegtes Geld. Dort soll es neben einer Dusch- und Umkleidekabine auch einen eigenen Jugendraum geben.
Im richtigen Leben
nicht untergehen
Mehr noch als auf die Wärme freut sich Elisa Kloß darauf, „dass unser DLRG-Nachwuchs endlich ein richtiges Zuhause bekommt“. Sie weiß, dass Jugendliche nicht nur im Schwimmbad schnell untergehen können, sondern auch im richtigen Leben: in der Familie, in der Schule, in der Szene. Für die Pubertät gilt das in besonderem Maß: Wenn die Hormone verrückt spielen, die Eltern blöd sind, die Lehrer gemein und die Noten schlecht. Dann kommt einem das Leben so eiskalt vor wie das Winterwasser aus dem Gartenschlauch.
„Genau dann holen wir die Buben und Mädchen von der Straße“, sagt die Studentin, die als kleines Mädchen mit fünf Jahren bei der DLRG das Schwimmen gelernt hat und heute, 20 Jahre danach, als Jugendvorsitzende auf ein großes Team bauen kann: Junge Erwachsene, die sich um Jugendliche bemühen; Jugendliche, die sich um Kinder kümmern; damit alle ihren Platz finden; im Wasser, an Land.
Wärme und Zutrauen schenken, Verständnis und Geduld haben, Interesse wecken, eine Aufgabe geben, so etwas wie ein kleines zweites Zuhause schaffen: Damit ist es dem Jugendeinsatzteam schon oft gelungen, das Eis zu brechen.
Eine Erfolgsgeschichte, die mit einer Tragödie begonnen hat – im Sommer 2015, weit weg von Simssee und Mangfall. Damals ziehen Retter der DLRG Borkum einen Mann aus dem Meerwasser, der abseits der bewachten Strände ertrunken ist. Alle Wiederbelebungsversuche sind vergeblich. Elisa Kloß und Annika Maiwald von der DLRG Bad Aibling, die in den Sommerferien mit 16 ehrenamtlich einen zweiwöchigen Zentralen Küstenwasserrettungsdienst an der Nordsee leisten, erleben das Drama aus nächster Nähe mit.
Prägend ist für die zwei Freundinnen aus dem Süden aber vor allem, was danach kommt: Spontan holt die DLRG Borkum alle zusammen, die den tödlichen Unfall mitbekommen haben – vor allem Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Mit dem Erlebnis wird keiner alleingelassen. Und es gibt Pizza für alle.
Mittendrin: Elisa und Annika. Sie spüren Wärme, Geborgenheit und Zusammenhalt. „So eine starke Gemeinschaft brauchen wir auch in Bad Aibling“, beschließen die zwei Mädchen noch auf der Heimfahrt im Zug. Und den Gedanken folgen Taten: Mit viel Engagement bringen sie sich, selbst noch Teenager, in die Jugendvorstandschaft ein und bauen in dieser Generation eine kleine Jugendgruppe auf. Und dann wird immer mehr daraus.
Heute ist der Nachwuchs eine tragende Säule der DLRG Bad Aibling, die es jährlich auf 23000 ehrenamtliche Einsatzstunden bringt. Dabei dreht sich viel ums Wasser, aber eben nicht alles. Ihr Wirken in der DLRG begreift Elisa, die an der TH in Rosenheim den Masterstudiengang Internationales Management belegt, als soziale Basisarbeit aus der gesellschaftlichen Mitte, Suchtprävention inklusive. Das Ziel: Jugendlichen Halt geben, speziell in den kritischen Phasen, „wenn es außerhalb der DLRG nicht läuft“.
Null Bock auf eiskalte
Gartenschlauchdusche
Dafür geht viel Zeit drauf – im Fall von Elisa teilweise mehr als 20 Stunden in der Woche. Aber die Mühe lohnt sich: „Unsere Jugendlichen haben Bock auf Verantwortung und Gemeinschaft – sie wollen gemeinsam Großes bewegen, statt nur am Handy zu hängen“, betont Elisa stolz.
Null Bock haben die Retter von morgen dagegen auf eiskaltes Wasser aus dem Gartenschlauch. Die OVB-Leser könnten mithelfen, ihnen diese Erfahrung zu ersparen …
OVB-Leser zeigen
Herz, Seite 18