Rosenheim – Er hat nicht den einen Fall. Den einen, an den er sich immer erinnern wird. Etwas besonders Dramatisches, Rettung in letzter Sekunde oder so. Es ist bei ihm eigentlich immer so, sein ganzes Berufsleben schon, dass er zwischen einem Menschen und dem Tod steht.
Dr. Michael Bayeff-Filloff (62) aus Riedering ist jetzt mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden: dafür, dass er als Notarzt Menschen rettet. Und dafür, dass er als Fachmann und mit viel Engagement den Rettungsdienst in ganz Bayern noch viel besser macht.
„Notfallmedizin schon
immer meine Passion“
Wer einen schweren Unfall überlebt, könnte das dem Chefarzt der Zentralen Notaufnahme des Romed-Klinikums in Rosenheim verdanken. Er sei bei Romed großgeworden, sagt er. „Und Notfallmedizin war schon immer meine Passion.“
Schon während seines Studiums sei er dabei gewesen, im Rettungsdienst. Sein erster Lehrer an der Universität spielte eine wichtige Rolle, nicht nur wegen der Ausbildung an sich. Er fragte sich auch, wie man den Rettungsdienst kontinuierlich besser machen könne. „Heute spricht man über Qualitätsmanagement“, sagt Bayeff-Filloff. „Damals war das aber noch ziemlich neu.“
Romed-Chefarzt ein
Planer und Macher
Damals, also vor bald 40 Jahren, wurden die Weichen für den Romed-Notarzt gestellt. Und so kommt es, dass Bayeff-Filloff Praktiker und Theoretiker wurde. Planer und Macher. Einer, der selbst im Rettungswagen sitzt. Und einer, der sich Konzepte überlegt. Wenn man für den Rettungsdienst verantwortlich sei, dann muss man verpflichtend Notarzt fahren, sagt Bayeff-Filloff. „Verpflichtend. Es wird viel zu oft vom grünen Tisch aus entschieden.“
Er arbeitet mit ruhiger, freundlicher Art eher unauffällig, im Hintergrund. Dort, wo Fäden zusammenlaufen. An der Nahtstelle, sagt Bayeff-Filloff. Dort, wo das Ehrenamt im Rettungsdienst auf das Hauptamt trifft. Es komme da mitunter zu Konfrontationen und Diskussionen, sagt er. „Wenn man es schafft, die Positionen zusammenzuführen, dann hat man, glaube ich, ein Ziel erreicht.“
Ein Orden für
das Lebenswerk
Sein Bundesverdienstkreuz hat Michael Bayeff-Filloff vergangene Woche erhalten, am Mittwoch, 27. November. Überreicht hat es ihm Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, in einem Festsaal des Ministeriums. Der Minister hat die Leidenschaft gelobt, mit der Bayeff-Filloff seiner Profession und seinem Engagement nachgeht. Das mit dem Orden, „das ist fürs Lebenswerk gewesen, so wie ich‘s verstanden habe“, sagt er selber.
Sein Lebenswerk dauert noch an, eine Bilanz in Beispielen kann man aber ziehen. Dass in Rosenheim die Notaufnahme in zwei Jahren unterm laufenden Betrieb so umgebaut wurde, dass sie viele Patienten möglichst gut versorgen kann, ist vor allem ihm zuzuschreiben. „Ein Husarenritt“ sei das gewesen, erzählt er.
Dass die ZNA in Rosenheim aktuell mit einem Computertomografen der neuesten Generation ausgestattet ist, auf dessen Aufnahmen man Schlaganfälle noch genauer und sehr schnell erkennen kann: Bayeff-Filloff hatte die Anschaffung vorangetrieben. Ein Algorithmus, nach dem Notaufnahme-Patienten so registriert, eingestuft und ärztlich behandelt werden, dass die Einrichtung auch unter hoher Belastung weiter funktionieren und helfen kann: Bayeff-Filloff hat ihn ersonnen.
Und dass in Bayern als einzigem Bundesland die Daten aller Einsätze gesammelt werden, geht auch auf ihn zurück. Kranke oder verletzte Menschen werden meist in weniger als den gesetzlich verlangten zwölf Minuten zwischen Unfall und Eintreffen des Notarztes medizinisch versorgt – als Berater und Qualitätsbeauftragter im Dienst des bayerischen Innenministeriums hat Bayeff-Filloff Tempo und Qualität in den vergangenen 25 Jahren verbessert.
Arbeiten mit
Blick auf Italien
Er könnte sich etwas einbilden darauf. Bayeff-Filloff macht hingegen wenig Aufhebens. Nicht aus seinem Retter-Job, nicht aus der Ehrung. Er habe sich nicht abwerben lassen, das erzählt er beiläufig. Wenn er an seinem Schreibtisch sitzt, fällt sein Blick auf drei auf Leinwand gezogene, große Fotografien: Zusammengesetzt zeigen sie einen Ausblick aufs Meer bei Venedig. Sein Sehnsuchtsstrand, sein Urlaubsort. Dort, an der Lagune, spannt er am liebsten aus. „Man ist ja so zügig in Italien, und da kann ich mich halt richtig rausnehmen.“ Auch seine Hündin stammt aus Italien. Die Spaziergänge mit ihr sind so etwas wie Auszeiten im normalen Arbeitsleben.
Das Gute hinter der
„Versorgungskette“
Vermutlich hat er Hunderten von Menschen das Leben gerettet, die Zahl seiner Rettungsdiensteinsätze lässt sich nur schwer schätzen. Gab‘s da nicht vielleicht doch das eine Drama, das ihm sofort in den Sinn kommt, wenn man ihn auf seine Berufsbilanz anspricht? „Wahrscheinlich würden viele dann sagen, das Zugunglück, das ist sicher eines der großen, erinnerungswürdigen Ereignisse“, meint er mit Blick auf die Katastrophe von Bad Aibling. „Aber das ist es gar nicht.“
Was ihn begeistert, ist das Gute, das sich hinter einem so sperrigen Wort wie „Versorgungskette“ verbirgt. „Wenn diese Versorgungskette mit ihren vielen kleinen Gliedern optimal funktioniert und man dann irgendwann später den Menschen, der ins Krankenhaus gefahren wurde, auf dem Weg der Besserung sieht, dann hat man etwas geschafft.“