Das Zeug zur Bundespräsidentin

von Redaktion

Sie ist eine der bayerischen Polit-Größen, die weit über die Grenzen des Freistaats hinaus bekannt und beliebt sind: Ilse Aigner aus Feldkirchen-Westerham ist am Samstag 60 geworden. Was Weggefährten der Landtagspräsidentin besonders an ihr begeistert – und wieso es ihrer Meinung nach Zeit für einen Ilse-Aigner-Fanclub ist.

Feldkirchen-Westerham – Bundeslandwirtschaftsministerin, bayerische Wirtschaftsministerin und nun Landtagspräsidentin: Ilse Aigner aus Feldkirchen-Westerham, eine der bekanntesten Persönlichkeiten der CSU, hat schon viele wichtige Ämter bekleidet. Nicht wenige Bayern hätten sich die Politikerin, die am Samstag ihren 60. Geburtstag feierte, auch als bayerische Ministerpräsidentin vorstellen können. Letztlich sollte aber Markus Söder Horst Seehofer im Jahr 2018 als Landesvater beerben. Doch was ist es, was die bayerische Politikerin weit über die Grenzen des Freistaats hinaus so beliebt macht? Was ist es, was Ilse Aigner fast schon zu „Uns Ilse“ macht? Das OVB hat sich bei langjährigen Weggefährten auf die Suche nach Antworten gemacht.

Bodenständig und
heimatverbunden

Elisabeth Jakob (60) kennt Ilse Aigner seit ihrer Kindheit. Denn Jakob ist mit Aigner und deren drei Schwestern in Feldkirchen-Westerham aufgewachsen. Und zwar als direkte Nachbarn im Herzen des Gemeindeteils Feldkirchen. „Wir hatten eine tolle Kindheit“, erinnert sich Jakob zurück. Denn neben den vier Aigner-Kindern sowie ihrer Schwester hatten dort noch viele weitere Kinder gelebt, weshalb „immer was los war“.

So trafen sich die Kinder dort im großen, von den umliegenden Wohnhäusern eingerahmten Hof während der Ferien regelmäßig, um beispielsweise Völkerball zu spielen. Wie das verabredet worden war? Vielleicht über ein ganz spezielles Kommunikationsmittel, auf das Elisabeth Jakob und Ilse Aigner setzten. „Das Haus der Aigners war von unserer Wohnung ja nur ein paar Meter entfernt“, erzählt die 60-Jährige. „Und so hatten wir die Möglichkeit, über ein Dosentelefon miteinander zu sprechen.“ Auch der Pool, den die Nachbarsfamilie im Garten hatte, und die bunten Indianerfeste, die einmal im Jahr an den Fischteichen der Aigners veranstaltet worden waren, sind der langjährigen Nachbarin der amtierenden Landtagspräsidentin noch gut in Erinnerung geblieben.

Wobei Jakob klarstellt, dass Ilse Aigner, wenn sie in ihrer Heimatgemeinde weilt, „nicht die Frau Landtagspräsidentin, sondern die Ilse“ ist. Denn auch mit dem zunehmenden politischen Erfolg sei die CSU-Vertreterin immer „bodenständig und heimatverbunden“ geblieben. „Sie ist ein wahnsinnig geselliger und freundlicher Mensch“, sagt Jakob. „Und wenn sie bei uns in der Gemeinde ist, dann gibt sie sich völlig unkompliziert, total offen und nahbar.“

„Extrem
willensstark“

Erfahrungen, die Jakobs Papa Manfred Merk (87), der seit 50 Jahren für die OVB-Heimatzeitungen aus Feldkirchen-Westerham berichtet, nur bestätigen kann. „Sie ist nach wie vor eine engagierte und liebenswerte Frau“, sagt Merk, der sich noch gut an die kleine Ilse erinnern kann und Aigners politischen Aufstieg seit den 90er-Jahren hautnah mitverfolgt hat. Damals war die CSU-Politikerin erstmals in den Feldkirchen-Westerhamer Gemeinderat gewählt worden.

Aigner sei extrem „willensstark“, findet Merk, auch wenn sich das in ihrer Zeit als Gemeinderätin noch nicht unbedingt gezeigt habe. „Sie hat da schon ihre Meinung kundgetan, ist aber jetzt auch nicht übermäßig aufgefallen“, erinnert sich der 87-Jährige zurück. Daher sei ihr politischer Aufstieg so „nicht zu erwarten gewesen“. Mittlerweile könne er sich Ilse Aigner aber durchaus als bayerische Ministerpräsidentin oder gar Bundespräsidentin vorstellen.

Heinz Oesterle, SPD-Vertreter im Feldkirchen-Westerhamer Gemeinderat, hätte dagegen kein Problem damit, Ilse Aigner „aufgrund ihres Bekanntheitsgrads und ihrer Popularität“ in der bayerischen SPD aufzunehmen. „Auch wenn das natürlich absolut illusorisch ist“, sagt Oesterle und lacht. In den 90er-Jahren hatte er gemeinsam mit Ilse Aigner am Ratstisch im Feldkirchen-Westerhamer Rathaus gesessen, um die Zukunft der Kommune in die richtigen Bahnen zu lenken. „Bei vielen Themen, vor allem wenn es um Jugend und Soziales ging, waren wir oft einer Meinung“, erinnert sich Oesterle an diese Zeit gerne zurück. Und wenn es mal Differenzen gegeben habe, „sind die nie ins Persönliche gegangen und waren nach einer Sitzung auch kein Thema mehr“.

Ein echter
Familienmensch

Was Oesterle an Ilse Aigner besonders bewundert? „Dass sie sich trotz ihres Aufstiegs immer das Menschliche bewahrt hat“, sagt der Sozialdemokrat, der anfügt: „Mit ihr kann man immer reden.“ Oder auch feiern! Denn während des Gesprächs mit dem OVB blitzen in Oesterles Gedächtnis Szenen auf, wie er mit ihr vor Jahrzehnten im Zelt auf dem Feldkirchen-Westerhamer Volksfest auf dem Biertisch getanzt hatte. „Vielleicht gibt es davon sogar noch Aufnahmen“, sagt Oesterle und fügt lachend hinzu: „Die sind aber natürlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.“ Dass Aigner aber nicht nur ausgelassen feiern kann, sondern auch ein echter Familienmensch ist – auch diese Erfahrungen hat Oesterle, der auch heute noch für die SPD im Gemeinderat sitzt, gemacht. „Trotz ihrer vielen Termine, ihrer vielen Aufgaben hat sie regelmäßig ihre Mutter im Seniorenheim besucht“, weiß das Feldkirchen-Westerhamer SPD-Urgestein, das Ilse Aigner gemeinsam mit ihrer betagten Mama immer wieder auf Ausflügen innerhalb der Gemeinde angetroffen hat. „Dafür bewundere ich sie wirklich sehr!“

„Menschlich herausragend“: So beschreibt Holger Eichele (51), Geschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes, seine frühere Chefin. Aigner hatte Eichele 2009 als Sprecher in ihr Ministerium geholt, nachdem sie im Herbst 2008 Horst Seehofer als Bundeslandwirtschaftsministerin abgelöst hatte. Eine Aufgabe, in der Aigner nach Angaben ihres früheren Mitarbeiters „extreme Nervenstärke bewiesen“ hat. „Das waren ja keine leichten Jahre angesichts diverser Krisen“, erinnert sich der 51-Jährige beispielsweise an Pferdefleisch in Lasagne oder mit EHEC-Erregern verunreinigte Sprossen, denen 52 Menschen in Deutschland zum Opfer fielen. „Da ist sie als oberste Krisenmanagerin gesehen worden“, sagt Holger Eichele.

Wobei er bereits vor seinem Engagement als Ministeriumssprecher beruflich mit der Feldkirchen-Westerhamerin in Kontakt stand. Als Berlin-Korrespondent für die OVB-Heimatzeitungen und den Münchner Merkur versuchte er immer, nach den internen Fraktionssitzungen im Bundestag bis dato vertrauliche Informationen aus Aigner herauszukitzeln. Ohne Erfolg. „An Ilse Aigner hab‘ ich mir die Zähne ausgebissen“, erinnert sich der 51-Jährige und lacht. „Wo andere Politiker gerne mal was an die Presse durchgestochen haben, war sie immer diskret und loyal.“

Für Journalisten
eine harte Nuss

Für Journalisten also eine harte Nuss – und ein absoluter Nuss-Fan. So mussten im Dienstwagen immer Erdnüsse bereitstehen. „Das ist für sie wie ein Lebenselixier, davon hat sie sich an harten Tagen ernährt.“

Mächtig ins Zeug gelegt hatte sie sich als Bauern-Ministerin zudem stets für die Milch. So habe sie auf Flügen die Flugbegleiter immer um Kuhmilch gebeten, wenn ihr der Kaffee mit den üblichen Kondensmilchdöschen serviert worden war. Erlebnisse, die Eichele erst jüngst wieder in Erinnerung gekommen sind. „Als ich kürzlich geflogen bin, hat mich die Flugbegleiterin gefragt, ob ich echte Milch zu meinem Kaffee möchte“, erzählt der Brauer-Bund-Geschäftsführer. „Da hab‘ ich mir kurz gedacht: ,Ilse, du hast‘s wirklich geschafft!“

Im Regen zum
Flugzeug gelaufen

Eine Flug-Anekdote ist es auch, die das einnehmende Wesen und die große Beliebtheit der Landtagspräsidentin wohl am besten erklärt. So erinnert sich Eichele an eine Reise von Berlin nach Luxemburg, um dort an einer dringlichen EU-Sondersitzung teilzunehmen. „Als wir auf dem Flughafen gelandet sind, waren wir schon recht spät dran. Es hat geschüttet. Ilse Aigner – im Hosenanzug und ohne Schirm – und ich sind bei strömendem Regen übers Rollfeld zum bereitstehenden Auto gelaufen.“ Doch plötzlich sei die damalige Landwirtschaftsministerin stehen geblieben und zurück zum Flugzeug gerannt. Später habe sie Eichele erklärt: „Ich musste noch mal zurück. Ich hab‘ vergessen, mich bei der Besatzung zu bedanken.“

Kein Wunder also, dass sich der „engste Kreis der engsten Mitarbeiter“ mit Ilse Aigner nicht nur einmal im Jahr zu diversen Aktionen wie beispielsweise zum Wandern trifft. Ihre Weggefährten haben auch schon mehrmals darüber gescherzt, dass sie eigentlich den IAFC – den Ilse Aigner Fanclub – gründen müssten. Denn dass die Jubilarin einen eigenen Fanclub verdient hätte, daran lässt Holger Eichele überhaupt keine Zweifel.

„Sie ist ein einzigartiger Mensch“, sagt ihr einstiger Vertrauter im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. „Sie hat es geschafft, in diesem teilweise arroganten und inhumanen Politikbetrieb Mensch zu bleiben. Das ist das, was sie besonders auszeichnet.“

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