„Neuland“ – Hoffnung am Wildbarren

von Redaktion

Geht was für die Region Rosenheim? Der Brenner-Nordzulauf muss verbessert werden. Das fordert die Region, das fordert die Union. Unter anderem soll keine Verknüpfungsstelle unter freiem Himmel im Inntal entstehen. Bislang standen die Zeichen schlecht, doch das könnte sich ändern. Eine Zwischenbilanz.

Flintsbach/Oberaudorf – Es lief bisher nicht optimal mit der Bahn, da sind sie sich am runden Tisch in Flintsbach einig. Transparenz, Offenheit? Eher mäßig ausgebildet beim Staatskonzern, finden zum Beispiel Flintsbachs Bürgermeister Stefan Lederwascher, Hans Obermeyer von der IG Inntal 2024 und Dr. Wolfgang Rauscher, ein renommierter Tunnelexperte. Sie sitzen im Rathaus von Flintsbach mit dem OVB-Reporter zusammen. Um über vergangenen Ärger zu sprechen. Und über aktuelle Hoffnung.

Brenner-Nordzulauf
und Bahn: „Diskussion
ungleichgewichtig“

Die Diskussion über die Planung des Brenner-Nordzulaufs sei von Anfang an „völlig ungleichgewichtig“ gelaufen, sagt Wolfgang Rauscher. Wirklicher Austausch sei gar nicht gewünscht gewesen, Verbesserungsvorschläge hätten keinen Eingang in die Planungen gefunden. So auch das Gutachten, das zehn Gemeinden erstellen ließen. Flintsbach und Oberaudorf sind am stärksten betroffen. Es machten aber auch die anderen Inntalgemeinden mit. Und drei Tiroler Gemeinden.

„Es einfach zu ignorieren, ist schon hanebüchen“, sagt Stefan Lederwascher. Doch jetzt schöpfen die Inntalgemeinden neue Hoffnung. Sollte ein Regierungswechsel nach den vorgezogenen Neuwahlen zum Bundestag im Februar 2025 Verbesserungen bei den Planungen zum Brenner-Nordzulauf möglich machen? Viel Geld und viel Expertise flossen in besagtes Gutachten. Es zeigt, dass eine der schlimmsten Zumutungen des Brenner-Nordzulaufs in der Region Rosenheim vermieden werden könnte. Die Untersuchung befasst sich mit der Verknüpfungsstelle im Inntal. Und mit der Möglichkeit, diese Verknüpfungsstelle in den Berg zu packen.

Ein Gutachten
gegen das größte
Ärgernis fürs Inntal

Nun, gut zwei Monate vor der Neuwahl, nehmen die Mitstreiter aus dem Inntal die Papiere wieder öfter in die Hand. Obwohl sie die Argumente auswendig herbeten könnten: kein Flächenverbrauch, kein Lärm, kein störendes Betonmonstrum. Überlebenswichtige Details für eine Region mit Tourismus und Landwirtschaft.

Die Bahn, die aus betrieblichen Gründen auf das massive Betonbauwerk von mehreren hundert Metern Länge besteht, hat sie zwischen Flintsbach und Oberaudorf geplant. Dort also, wo das Inntal am engsten ist. Dort, wo man keine Flächen für Ausgleich hat. Wer als Bauer hier Grund verliert, hat ihn womöglich auf immer verloren. Das Gutachten zeigte: Die Verknüpfungsstelle könnte man in den Wildbarren verlegen. Unterirdisch, nahezu unsichtbar. Technisch und rechtlich sei das möglich. Es spreche nichts dagegen, sofern die Sicherheit zu garantieren sei, sagt Ingenieur Rauscher. Eine verblüffende Lösung. Doch die Bahn befasste sich tatsächlich nicht mit dieser Alternative. Zu viel Aufwand an Zeit und Geld für ein viel zu unsicheres Projekt: So äußerte sich die Bahn zuletzt über den Vorschlag.

Bahn sah bislang
keine Notwendigkeit
für eine Prüfung

Zuvor hatten die Planer des Konzerns vor allem ein juristisches Hindernis angeführt: Das „Begegnungsverbot“, also die Regelung, dass keine zwei Gleise in einem Tunnel verlaufen dürfen, mache eine Zusammenführung im Berg unmöglich. Der Sicht der DB-Planer schloss sich das Bundesverkehrsministerium im Großen und Ganzen an. „Der Schulterschluss zwischen Bahn, Eisenbahnbundesamt und Verkehrsministerium ist sehr eng“, sagt Rauscher.

Werden mit den
Neuwahlen die
Weichen neu gestellt?

Eine Sprecherin von Verkehrsminister Volker Wissing antwortete seinerzeit auf eine Anfrage des OVB: „Eine vertiefte Planung unterirdischer Verknüpfungsstellen wäre nicht wirtschaftlich und insbesondere in Anbetracht des Risikos der Genehmigungsfähigkeit nicht zielführend.“ Das Deutsche Zentrum für Schienenverkehrsforschung (DZSF) fasste in seinem Gutachten zum Wildbarren-Vorschlag immerhin zusammen, dass eine unterirdische Verknüpfungsstelle zwar hohen Aufwand erfordere, aber nicht grundsätzlich unmöglich sei. Dabei blieb es, die Bahn befasste sich nicht weiter mit dem Vorschlag. Werden die Weichen mit den Neuwahlen neu gestellt? CDU und CSU hatten sich den Forderungen der Region angeschlossen und eine Anhörung vorm Verkehrsausschuss des Bundestages initiiert. Im Oktober ging sie in Berlin über die Bühne. Das Ergebnis war seinerzeit ernüchternd: Für einen Fortgang der Planung, für Tempo ohne weitere Abweichung plädierten die von den Vertretern der Ampelparteien geladenen Sachverständigen. Lediglich die Gäste der Union und AfD mahnten Nachbesserungen an.

Ein neuer Bundestag
wird die finale
Entscheidung treffen

Der Ausschuss spiegelt die Mehrheitsverhältnisse im Plenum wider. Die Forderungen der Union wären also abgebügelt worden. Das könnte sich nun ändern. Immerhin liegen CDU und CSU in den Umfragen deutlich vorn. Als CDU-Chef hatte Friedrich Merz den Antrag der Union auf Nachbesserungen unterschrieben. Es ist kaum davon auszugehen, dass er als Kanzler anders entscheiden würde. „Wir haben Hoffnung, ja“, sagt Stefan Lederwascher.

Optimistischer als nach der Anhörung äußerte sich auch Dr. Wolfgang Rauscher. Er hatte sich in Berlin für die Tunnellösung stark gemacht, als von der Union geladener Sachverständiger. Beim Bau der Bahnhöfe für die Stammstrecke S-Bahn München werden fünf Bahnhöfe miteinander verbunden. Unterirdische Bahnhöfe! Auch dies habe es bislang deutschland- und europaweit noch nicht gegeben.

Es sei Neuland, aber machbar. Muss man sich anschauen und checken. Davor könne man auch nichts über Kosten sagen, meint Rauscher. „Wir fordern ja auch nicht, dass es einfach gebaut wird“, sagt auch Stefan Lederwascher. „Wir fordern, dass es geprüft wird.“ Die Chancen darauf könnten nach dem Februar 2025 gestiegen sein. Denn Volker Wissing wird danach wohl nicht mehr Verkehrsminister sein. Darauf setzen die Wildbarren-Befürworter. „Unter Wissing herrschte ja totale Funkstille“, sagt Rauscher.

Brenner-Nordzulauf: Forderungen der Region

Artikel 1 von 11