Burgkirchen/Rosenheim – „Die Bundesrepublik hat einen neuen Speerwerfer von Format: Klaus Wolfermann, 23 Jahre alt, 1,76 m groß, 85 kg schwer, staatlich geprüfter Sportlehrer, tätig in Burgkirchen an der Alz. Beim Länderkampf in Helsinki gegen Finnland erreichte er eine Weite von 83,54 m. Das ist neuer DLV-Rekord. ‚Aber damit gebe ich mich noch nicht zufrieden, jetzt will ich auch noch den gesamtdeutschen Rekord.‘ Und außerdem strebt Klaus Wolfermann die 90-m-Marke an. Ob er sie aber in diesem Jahr noch erreichen wird, steht auf einem anderen Blatt“, wird er im Heimatsport in der Ausgabe vom 22. Juli 1969 vorgestellt. Davor war er in Rosenheim kein Unbekannter: 1967 beispielsweise gab er auf dem Sportplatz an der Jahnstraße ein Speerwurftraining, wie in der Ausgabe vom 16. Juni jenen Jahres angekündigt wird.
„Klaus Wolfermann trainierte auch im Winter täglich, nur sonntags machte er eine Ausnahme. Jetzt, im Sommer, ist er noch viermal in der Woche im Training; die andere Zeit verbringt er mit Reisen zu den Wettkämpfen. Und schließlich muss er auch noch seinem Beruf nachgehen: Er ist Sportlehrer beim SV Gendorf. Dort trainiert er alles, angefangen von Mutter und Kind bis zum Speerwerfernachwuchs. ‚In der Schule hätte ich sicherlich keine so umfassende Möglichkeit, andere Menschen auszubilden‘, ist Klaus Wolfermann mit seiner Tätigkeit zufrieden“, so der Bericht von 1969 weiter. Er sei noch steigerungsfähig. „Das sagen ihm alle Fachleute voraus. Auch seine Frau: ‚Sie überwacht ständig mein Training und treibt mich manchesmal sogar an‘, lacht Wolfermann.“
Der deutsche Sport trauert um Klaus Wolfermann, den Speerwurf-Olympiasieger von 1972. Der in Altdorf bei Nürnberg geborene Leichtathlet ist in der Nacht zu Mittwoch überraschend im Alter von 78 Jahren gestorben. Dies bestätigte seine Familie gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, nachdem der Bayerische Rundfunk zuvor darüber berichtet hatte. Er wurde durch seinen spektakulären Sieg bei den Olympischen Spielen 1972 in München zur Legende. Am 3. September 1972, einem denkwürdigen Tag, warf er im fünften Versuch den Speer auf 90,48 Meter und besiegte damit seinen großen Rivalen Janis Lusis aus der Sowjetunion um nur zwei Zentimeter. Dieser Wurf begeisterte die Massen im Münchner Olympiastadion und machte Wolfermann über Nacht berühmt.
„Große Sensation durch ‚kleinen Riesen‘ – 80000 feiern den Sieg des Gendorfers über den russischen Supermann Janis Lusis“, hieß es damals am 4. September 1972 in einem Bericht zu den Olympischen Sommerspielen. Klaus Wolfermanns Karriere war geprägt von herausragenden Leistungen und einigen Rückschlägen. 1973 stellte er in Leverkusen mit einem Wurf von 94,08 Metern einen neuen Weltrekord auf. In den Jahren 1972 und 1973 wurde er zum „Sportler des Jahres“ gewählt. Doch es gab auch Rückschläge: So verpasste er die Olympischen Spiele 1976 in Montreal aufgrund einer Armverletzung. Diese Erfahrung beschrieb er später als eine seiner traurigsten Stunden, als er den Speerwurf-Wettbewerb nur im Fernsehen verfolgen konnte.
„Klaus Wolfermann ist ein Mann, der die Sicherheit liebt. Deshalb startet er auch für den SV Gendorf. Vorher trug er das Trikot von 1860 München, also eines recht angesehenen Vereins. Wieso nun das von Gendorf? Klaus Wolfermann hat dafür eine plausible Erklärung: ‚Als ich mein Studium an der bayerischen Sportakademie in München abgeschlossen hatte, bekam ich vom SV Gendorf eine Stelle als Sportlehrer angeboten. Ich habe zugegriffen, denn in Gendorf wurde vor fast drei Jahren eine geradezu ideale Sportanlage fertiggestellt“, heißt es in einem Bericht im „Heimatsport“ vom 25. September 1970. „Zu ihr gehört auch eine große Sporthalle mit den Maßen von 42 mal 24 Meter, ein Stadion mit Nebenplätzen und ein geheiztes Freibad. Ich habe also in Gendorf nicht nur als Sportlehrer, sondern auch als aktiver Sportler ideale Trainingsmöglichkeiten vorgefunden. Und so etwas macht natürlich Spaß. Dazu kommt zudem, dass die Gemeinde und das in Gendorf befindliche Zweigwerk der Farbwerke Hoechst den Verein vorbildlich unterstützen“, heißt es weiterhin.
Was ihn wiederum mit Rosenheim verband, erfahren wir aus einem Bericht anlässlich des Fritz-Oertl-Sportfests vom 11. September 1970: „Dass Speerwerfer Klaus Wolfermann, seines Zeichens Sportlehrer, in Rosenheim an den Start ging, beruht auf dem freundschaftlichen Verhältnis, das die beiden 60er-Diplomsportlehrer Alois Heibl und Richard Horner seit ihrer gemeinsamen Studienzeit mit Wolfermann verbindet. Wolfermann wird selbst wohl am wenigsten mit einer derartigen Leistung (er hatte übrigens noch zwei Würfe über 80 Meter) gerechnet haben, denn im letzten Jahr bemängelten alle Speerwerfer den weichen Anlauf.
Abteilungsleiter Richard Horner ließ sich etwas einfallen, kaufte einen acht Meter langen Kunststoffläufer, den man zusätzlich bei allen Sprungkonkurrenzen auflegen kann. Das Material, aus dem dieser Läufer besteht, ist übrigens das gleiche, mit dem das gesamte Münchner Olympiastadion ausgelegt wird. Für die 60er und Klaus Wolfermann haben sich die teuren Anschaffungskosten gelohnt.“
„Dabei wäre es beinahe nicht zum Rekord gekommen, denn die zur gleichen Zeit weitspringenden Damen weigerten sich, den Rekortan-Läufer für das Speerwerfen abzugeben. Erst ein Machtwort Horners brachte den Kunststoffbelag zum Speeranlauf. Nach dem Rekordwurf begannen die Schwierigkeiten für die Kampfrichter. Das „verflixte“ 100-Meter-Maßband war dank des 1860-Vorstandmitglieds Hans Baumann glücklicherweise bald da, aber nun musste der Speer auch noch gewogen werden. Woher aber am Sonntagnachmittag eine geeichte Waage nehmen, auf der das 2,60 Meter lange Gerät Platz hatte?
Aber Kampfrichter-Josef Ager, von Beruf Postoberinspektor, wusste Rat. Er fuhr mit dem Zweiten Vorsitzenden des TSV 1860, Karl Hölzchen, zum Postamt, und im Beisein von drei diensthabenden Beamten wurde der Speer gewogen — 810 Gramm, zehn Gramm mehr als notwendig. Damit dürfte der Rekordanerkennung nichts mehr im Wege stehen.“ Schließlich auch seine Zeit als als Bremser und Anschieber im Bob hatte eine Episode in Rosenheim. Er wurde im Viererbob des Piloten Georg Heibl 1979 deutscher Vizemeister und Vierter im Europacup. „Nachdem Richard Horner, der die vielen Zuschauer fachkundig informierte, die Sportler vorgestellt hatte, begann die ‚Schieberei‘. Schorsch Heibl und Klaus Wolfermann, beide über den Höhepunkt ihrer Laufbahn schon hinaus, leiteten mit einem kräftigen Auf geht’s den Wettbewerb ein, den schließlich Fritz Ohlwärter und Hans Morant vor Jakl Resch und Walter Barfuß, den beiden Weltmeisterschaftsdritten, und Hans Peter Strittmatter mit Hans Büchner, jüngstes Rosenheimer Bobkind, gewannen.“