Rosenheim – Knapp fünf Jahre sind die Anfänge der Corona-Pandemie her. Doch das Virus beschäftigt die Menschen weiter. Denn obwohl die Infektionszahlen stark zurückgegangen sind, hat die Pandemie sowohl in der Gesellschaft als auch im Gesundheitswesen und sogar bei der Verbreitung anderer Infektionskrankheiten seine Spuren hinterlassen.
„Während der Pandemie waren die Menschen durch die Infektionsschutzmaßnahmen weniger Erregern ausgesetzt. Das führt jetzt zu einem ‚Nachholeffekt‘ bei diesen Atemwegserkrankungen“, erklärt Dr. Wolfgang Hierl, Leiter des Rosenheimer Gesundheitsamtes auf OVB-Anfrage. Dementsprechend rechnet er besonders zum Beginn von 2025 mit einem deutlichen Anstieg der Fallzahlen bei den Influenza-Erkrankungen. Hierl rechnet außerdem damit, dass neben Corona und der Grippe auch andere infektiöse Atemwegserkrankungen, wie Keuchhusten und RSV (Respiratorische Synzytial-Viren) weiterhin eine Rolle spielen werden.
Die „Big Five“
bestimmen das
Infektionsgeschehen
Diese Viren bilden zusammen die sogenannten „Big Five“, also die am häufigsten gemeldeten Infektionskrankheiten. So wurden in diesem Jahr 1140 Corona-Fälle beim Gesundheitsamt gemeldet. Auf dem „zweiten Platz“ lag die saisonale Influenza mit 1023 Fällen. Darauf folgten 399 Windpocken-Fälle, 302-mal Keuchhusten und 279 RSV-Infektionen. Zum Vergleich: Im Jahr 2023 wurden 4967 Corona-Infektionen gemeldet. Bei den übrigen Infektionskrankheiten sind die Zahlen allerdings gestiegen.
Allerdings geht man beim Gesundheitsamt auch von einer „deutlichen Untererfassung“ der Corona-Infektionen aus. Schließlich werden inzwischen deutlich weniger Labortests durchgeführt. Hierl warnt allerdings davor, Covid-19 als harmlose Erkältung abzutun. „Die Wahrscheinlichkeit, schwer an Corona zu erkranken, steigt mit dem Alter stetig an“, sagt der Gesundheitsamts-Chef. Und auch junge, gesunde Menschen sind nicht per se vor einem schweren Verlauf sicher. Hinzu kommt die Gefahr einer Long-Covid-Erkrankung „mit einer Vielzahl zum Teil schwer belastender Symptome“, sagt Hierl. Er betont allerdings auch, dass sich die Immunität der Bevölkerung durch die Vielzahl der durchgemachten Corona-Infektionen in der Vergangenheit und die Schutzimpfung deutlich gebessert hat.
Doch was, wenn schon bald die nächste Pandemie vor der Tür steht? Das ist laut dem Biologen, Veterinärmediziner und Medizinforscher Prof. Dr. Joachim Maas gar nicht so unwahrscheinlich. So erklärte er im OVB-Interview am Rande seines Besuchs beim Wirtschaftsforum am Schloss Neubeuern, dass eine weitere Pandemie wohl nicht lange auf sich warten lässt. „In der Wissenschaft sind wir uns völlig einig: Es wird wieder eine Pandemie kommen. Wir hoffen nur, es ist erst 2028, 2029 oder später und nicht 2025“, erklärte Maas.
Beim Rosenheimer Gesundheitsamt fühlt man sich inzwischen gut vorbereitet auf einen solchen Fall. „Politik, Gesundheitsbehörden und auch die Fachwelt haben durch die zurückliegende Pandemie viel Erfahrung in der Pandemiebekämpfung gesammelt, die sehr wertvoll für den Umgang mit einem neuen pandemischen Erreger ist“, sagt Hierl und lobt die Zusammenarbeit von Gesundheitsamt, Katastrophenschutz, Landkreis und Stadt, den Gemeinden und den medizinischen Einrichtungen während der Corona-Pandemie. Man sei jetzt „deutlich besser auf zukünftige Herausforderungen vorbereitet“ – personell, fachlich und auch vonseiten der Digitalisierung. Bei der Pandemiebekämpfung sei in Deutschland vieles richtig gemacht worden, lobt Hierl.
Dennoch sieht er „Bedarf an einer systematischen Aufarbeitung der Corona-Pandemie bei Bund und Freistaat unter Einbeziehung der Experten aller beteiligten Fachrichtungen.“ Nur so könne man aus den Erfahrungen lernen und die Instrumente künftig noch wirkungsvoller einsetzen.