„Freiheit genießen“ beim Driften?

von Redaktion

Die Schneefälle der vergangenen Tage locken auch Hobby-Drifter auf den Sudelfeld-Pass bei Oberaudorf und die Rossfeld-Panoramastraße bei Berchtesgaden. Die Polizei greift durch, führt zahlreiche Gespräche und spricht Platzverweise aus.

Berchtesgaden/Oberaudorf/ Bayrischzell – „Alle Jahre wieder“, möchte man mit Blick auf das Rossfeld und Sudelfeld meinen. Sobald Neuschnee fällt und dort die Straßen bedeckt, dauert es nicht lange, bis sich die ersten Autofahrer zum Driften treffen. Meistens zu später Stunde, wie am 23. und 24. Dezember auf der Panoramastraße bei Berchtesgaden oder in der Nacht von Donnerstag (2.) auf Freitag (3. Januar) am Sudelfeld-Pass.

Präventiv
vor Ort

Ein Phänomen, das den jeweiligen Polizeidienststellen wohlbekannt ist. Auch deshalb suchen die Beamten bei den jüngsten Schneefällen die beiden Hotspots präventiv auf und greifen ein. Doch die Einsätze stoßen im Internet auf Kritik.

Auf Social Media wird argumentiert, dass man extra eine weite Anreise auf sich nehme, um dort oben „die Freiheit zu genießen“. In den Beiträgen werden die Manöver verharmlost. Der Tenor: Man störe niemanden und die Fahrer hätten ihre Fahrzeuge besser im Griff als die meisten anderen Verkehrsteilnehmer. Und man sei sowieso nicht schnell unterwegs. Ein Bewusstsein für die Risiken, zumindest für das eigene Fahrzeug, gibt es durchaus, aber Unfälle werden als Einzelfälle abgestempelt und meistens komme man ohne Einsatzkräfte klar. „Alles Neider, Besserwisser und Spießer“, heißt es. Hunderte Likes erhalten die Kommentare und die meisten User empfinden die Polizeieinsätze als übertrieben.

Vor Ort versuchen die Beteiligten, sich gegenüber den Beamten bei den Verkehrskontrollen herauszureden. „Zu uns heißt es dann: ,Wir treffen uns nur und ratschen miteinander´“, erklärt Daniela Schlaffer. Die stellvertretende Dienststellenleiterin der Berchtesgadener Polizei schildert, dass ihre Kollegen die Autofahrer vor Weihnachten sogar bei frischer Tat ertappten. Auch die frischen Reifenspuren im Schnee sprachen für sich.

Nach aufklärenden Gesprächen zeigten sich die Fahrer scheinbar einsichtig und fuhren davon – zumindest vorerst. Nur Stunden später erwischten die Beamten erneut mehrere Hobby-Drifter auf der Panoramastraße. „Wir können die Verkehrskontrollen nur durchführen, wenn es zeitlich und personell machbar ist“, verdeutlicht Schlaffer. Deshalb können die Polizisten nicht mehrmals in der Woche zum Rossfeld hochfahren, macht sie klar.

Auf die kritischen Stimmen im Internet angesprochen, entgegnet sie: „Das sind keine Profis, die mit Autos in jeder Lage umgehen können. Schon bei geringer Geschwindigkeit kann es bei dieser Witterung zu Unfällen kommen.“ Wenn ein Fahrzeug dort einen Abhang hinunterrutsche, sei der Bergungsaufwand immens. Das zeige sich immer wieder bei Unfällen im normalen Straßenverkehr. Beispiele dafür gebe es genügend, findet die stellvertretende Dienststellenleiterin. Häufig beobachteten die Beamten, dass die Fahrkünste für Clips im Internet gefilmt werden. „Das Rossfeld ist dafür natürlich spektakulärer als ein Supermarkt-Parkplatz, aber selbst darauf kommt es immer wieder zu Schäden und Verletzten. Als ich noch in Traunstein gearbeitet habe, war der Festplatz an der Traun im Winter sehr beliebt.“

Auf der Panoramastraße mögen die Aufnahmen toll aussehen, doch das ändere nichts am Risiko, betont Schlaffer und verweist beispielhaft auf die Tragödie im Sommer 2023 mit einem Toten und drei (zum Teil) schwer Verletzten. Damals verlor ein 22-jähriger Motorradfahrer die Kontrolle und raste in seinen 19-jährigen Freund, ehe die Maschine auf zwei kleine Mädchen flog, die mit ihrer Familie aufgestiegen waren, um den Sonnenuntergang zu genießen. Das „Stunt“-Manöver wurde noch von seinem Kumpel gefilmt.

Für Schlaffer sind die vielen Platzverweise kurz vor Weihnachten ein Zeichen für das Risiko. „Da waren viele Autos und Menschen auf engstem Raum. Und selbst wenn um diese Uhrzeit im Schneetreiben und bei Minustemperaturen dort oben nichts los ist: Es gilt immer noch die Straßenverkehrsordnung.“

Das betont auch ihre Kollegin Karin Walter, die als Dienststellenleitern der Polizei Brannenburg zu den Drift-Manövern auf dem Sudelfeld ebenfalls eine klare Meinung hat. Auch hier „vergnügen sich im Sommer die Motorradfahrer auf der Strecke“, wie sie sagt. Und im Winter sei es nichts Neues, dass dort die Autoszene unterwegs sei, um die winterlichen Straßenverhältnisse zum Driften zu nutzen. Auch hier heißt es zu den Polizisten: „Wir treffen uns nur als Gleichgesinnte und stehen hier herum.“ Natürlich verraten auch am Sudelfeld die Reifenspuren die Fahrer.

Wenn die Beamten an einem Standort eine Verkehrskontrolle durchführen, spricht sich das unter den Beteiligten schnell herum. „Wenn wir dann weiterfahren, verhalten sie sich erst brav und machen dann an einer anderen Stelle weiter. Wir tun uns als Polizei schwer“, gibt Walter zu. Auch sie weiß, dass die Fahrer Stunden später wieder am Sudelfeld auftauchen und weitermachen.

Gefährliche
Fahrmanöver

Stefan Sonntag, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd mit Sitz in Rosenheim, bestätigt, dass das Driften keinen eigenen Tatbestand im Bußgeldkatalog darstellt. „Der Polizei steht ein gewisser Interpretationsspielraum zur Verfügung, um gefährlichen Fahrmanövern ein schnelles Ende zu setzen“, erklärt der Polizeihauptkommissar. Fahrzeugführer müssen im öffentlichen Verkehrsraum ihre Fahrweise den Umständen und den Witterungsbedingungen anpassen. Missachtet man diese Regelung, die in der Straßenverkehrsordnung (StVO) festgeschrieben ist, droht ein Bußgeld – und die Polizei kann natürlich solche Fahrmanöver, etwa zur Abwehr von Gefahren, unterbinden. Wird durch das Driften auf öffentlichen Straßen jemand gefährdet oder sogar geschädigt, kann die Polizei das Verhalten unter Umständen auch als grob verkehrswidrig und rücksichtslos bewerten. Sonntag: „In so einem Fall steht eine Straftat im Raum, die mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe geahndet werden kann.“ Das Driften auf Privatgrund – etwa auf einem privaten Parkplatz – kann vom Eigentümer im Einzelfall als Hausfriedensbruch oder sogar als eine Straftat angezeigt werden. Auch dann droht eine Geld- oder eine Freiheitsstrafe.

Wie am Rossfeld kommt es auch am Sudelfeld immer wieder zu Unfällen mit Toten und Verletzten. Die Gefahren werden unterschätzt und sind für Karin Walter von der Polizei Brannenburg nicht von der Hand zu weißen. „Wenn ich drifte, habe ich das Auto nicht unter Kontrolle“, so Walter.

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