Rosenheim – Alles neu macht das Polizeipräsidium Oberbayern Süd. Oder etwa doch nicht? Trotz Chef-Wechsel soll sich am Führungsstil nicht viel ändern, wie der scheidende Polizeipräsident Manfred Hauser und sein Nachfolger Frank Hellwig im exklusiven OVB-Interview verraten. Außerdem: Wie sehr müssen sich die Menschen in der Region davor fürchten, Opfer von Kriminalität zu werden – und wie begegnet man beim Präsidium den Gefahren durch den Einsatz von KI?
Der Alte geht, der Neue kommt. Beide sitzen in einem Raum zusammen. Eine so flüssige Amtsübergabe erlebt man nicht oft. Wie kam es dazu?
Manfred Hauser: Wir haben uns von Anfang an als absolutes Team verstanden. Nur so kann man Erfolg fürs Präsidium und die Sicherheit in der Region erzielen. Daher bin ich auch sehr froh, dass Frank Hellwig jetzt mein Nachfolger wird. Dadurch kann unsere gemeinsame Führungsphilosophie weitergeführt werden.
Wie würden Sie denn Ihre gemeinsame Philosophie beschreiben?
Frank Hellwig: Neben den polizeilichen Erfolgen ist es der wertschätzende Umgang mit unseren Mitarbeitern. Außerdem wollen wir besonders bei den schwierigen Themen sehr transparent mit unseren Inhalten und Entscheidungen umgehen. Das ist ein eher moderner Weg, der anstrengender ist und mehr Koordinationsbedarf erfordert.
Was werden in den nächsten Jahren die größten Probleme der Polizei in der Region sein?
Hellwig: Einerseits die spontanen Herausforderungen, denen wir uns mit unseren vielen Dienststellen auf großer Fläche stellen müssen. Das sind Einsatzlagen, die sich aus Unglücken oder Naturereignissen ergeben. Aber auch die modernen Entwicklungen im Hinblick auf KI werden eine Herausforderung sein, genauso wie der Anstieg der politisch motivierten Kriminalität. Aber auch klassische Kriminalitätsphänomene, die nach Corona wieder Tritt finden, wie Einbruchsdiebstähle oder Raubüberfälle. Die Menschen gehen wieder raus und können dadurch auch wieder vermehrt Opfer von Straftaten werden.
Hauser: Uns wird auch beschäftigen, wie sich die Dienststellen gegenseitig unterstützen und entlasten können und wie man Druck von den kleineren Dienststellen nehmen kann.
Davon wird der Bürger hoffentlich nichts mitbekommen. Der sorgt sich wahrscheinlich eher, ob ihm bald das Haus ausgeräumt wird. Wie groß ist die Gefahr des Verbrechens überhaupt?
Hellwig: Die Callcenter-Betrügereien und die Entwicklung der Schockanrufe machen uns große Sorgen. Denn es betrifft den schwächsten Teil unserer Gesellschaft, die älteren Menschen, immer wieder. Da stellen wir auch in diesem Jahr wieder einen Anstieg dieser Delikte fest und geben uns sehr viel Mühe bei der Präventionsarbeit wie auch unseren Fahndungskonzepten. Zumindest gelingt es uns öfter, die Täter auch festzunehmen.
Hauser: Uns beschäftigen aber auch die Massendelikte im digitalen Raum. Diese nehmen extrem zu. Das merken auch alle Dienststellen an der Zahl der Anzeigen. Auch hier werden die Täter vermehrt mit KI arbeiten. Generell wird die Polizei im digitalen Bereich deshalb sicher in Zukunft noch besser erreichbar und ansprechbar sein müssen – Stichwort Onlinewache und digitale Streife. Die bayerische Polizei arbeitet hieran mit Hochdruck.
Es wird oft vor Deepfakes, täuschend echt wirkenden, aber künstlich erstellten Foto- oder Sprachaufnahmen, gewarnt. Also etwa Schockanrufe, bei denen die täuschend echte Stimme des Enkels genutzt wird.
Hauser: Wir haben auch hier diese Fälle. Momentan noch wenige, aber es gibt sie. Manche Täter arbeiten auch mit Deepfake-Avataren. Im Bereich der Sexualstraftaten und der Kinderpornografie öffnet sich da gerade ein ungeahntes Feld.
Gibt es zum Umgang mit diesen Themen schon irgendwelche Vorgaben?
Hauser: Die Fälle werden nicht weniger – eher mehr. Diese Straftaten müssen aufgeklärt werden, das ist unser klarer Auftrag. Wir sind aber dabei, bessere Verfahren und Instrumente zu entwickeln, um das ökonomisch, aber auch erfolgreicher abarbeiten zu können. Bei der Strafverfolgung kann natürlich auch uns KI weiterhelfen.
Sie wechseln jetzt ans Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz, Herr Hauser. Da kommen Sie auch ursprünglich her.
Hauser: Ja, ich war sechs Jahre Vertreter beim Landesamt für Verfassungsschutz. Eigentlich bin ich aber ein Kind der Polizei, ich bin nun insgesamt 22 Jahre bei der Polizei, davon wiederum sieben Jahre in der Polizeiabteilung des Innenministeriums.
Was nehmen Sie aus den Erfahrungen, die Sie hier gesammelt haben, mit in Ihr neues Amt?
Hauser: Ich nehme viel mit. Die politisch motivierte Kriminalität ist generell in ganz Deutschland im Steigen. Aber Oberbayern Süd ist kein Hort der politisch motivierten Kriminalität. Das muss man jetzt einmal ganz ehrlich sagen. Wir haben Reichsbürger, immer so um die 820 bis 850. Wir haben hier von Haus aus schon immer sehr genau hingeschaut. Vielleicht haben wir auch deswegen mehr erfasst, weil wir genauer hingeschaut haben.
Die Gesellschaft driftet langsam auseinander. Das bereitet vielen Menschen Sorgen. Da kommen große Herausforderungen auf Sie zu.
Hauser: Da haben Sie sicher recht. Dennoch, die Menschen in der Region brauchen keine Angst zu haben. Das ist nämlich genau das, was die Spalter der Gesellschaft wollen. Sie wollen Zukunftsängste schüren, da sie dann Zulauf bekommen. Aber nochmal: Die Sicherheitslage – auch in der Langzeitentwicklung – gibt hierfür keinen Grund. Bei uns sieht es insgesamt immer noch gut aus. Die Kriminalitätsbelastung ist im Vergleich in unserer Region niedrig. Dies ist vor allem ein Resultat der engagierten Arbeit unserer Kolleginnen und Kollegen. Wir haben in Oberbayern Süd eine Aufklärungsquote von 75 Prozent. Man lebt bei uns sicher.
Also reden wir uns in Deutschland zusätzlich in die Krise rein?
Hauser: Man muss klar sehen, dass es einige gibt, die ein Interesse daran haben, alles bei uns schlechtzureden und Krisen – vorwiegend in sozialen Netzwerken – für ihre extremistische Agenda zu nutzen. Ich bin sehr froh, dass ich in einer freiheitlichen Demokratie lebe. Diese muss jedoch von jeder und jedem von uns täglich verteidigt werden.
Immer wieder liest man ja auch, die Polizei würde von Extremisten und Verschwörungstheoretikern unterwandert werden. Ist das dann auch übertrieben?
Hauser: Es gibt immer wieder Einzelfälle. Das soll gar nicht schöngeredet werden. Aber da ist konsequent reagiert worden. Also das möchte ich wirklich von uns weisen, dass die Polizei unterwandert wäre. Wir haben insgesamt 3000 Beschäftigte und investieren viel in die interne Prävention. Wenn wir eine große Zahl an Fällen hätten, wäre das natürlich ein massiver Vertrauensverlust. So ist es aber nicht. Interview: Michael Weiser