Kein Job für schwache Nerven

von Redaktion

Schimmel, Schädlinge und Verwesungsgeruch: Für Monika und Pit Kraus aus Kolbermoor gehört das zu ihrem beruflichen Alltag. Das Ehepaar hat sich auf Tatortreinigung und Desinfektion spezialisiert. Was sie schon alles erlebt haben und warum es kein Job für schwache Nerven ist.

Kolbermoor – An den Wänden klebten Blut, Haare und Gehirnmasse. Ein strenger Verwesungsgeruch lag in der Luft. Eine Schar an Schmeißfliegen tummelte sich an den Fensterscheiben. Im Briefkasten stapelte sich die Post. Ein Mann ist hier gestorben. Fast drei Monate lag er tot in seiner Wohnung. Niemand hat es bemerkt. Für das Ehepaar Monika und Pit Kraus ein Anblick, den sie nie vergessen werden. Die beiden Tatortreiniger sind vieles gewohnt. Sie übernehmen nur die „härtesten Fälle“. Doch einige Einsätze lassen sie nicht los. So wie dieser Fall.

Beide lieben
ihren Beruf

„Wenn jemand schon länger tot ist, dann ist der Leichengeruch sehr stark“, erklärt Pit Kraus. Für seine Frau war dieser Fall deshalb sehr einprägsam. Sie habe kaum atmen können, als sie die Wohnung betrat. Doch dieser Einsatz ist bei Monika Kraus auch aus einem anderen Grund im Gedächtnis geblieben. „Den Geruch konnte man schon vor der geschlossenen Wohnungstür riechen und der Briefkasten war rappelvoll. Aber niemand hat mal nach dem Bewohner geschaut“, sagt sie. Das Ehepaar erlebe oft in seinem Beruf, dass Menschen alleine sterben und in ihrer Wohnung unentdeckt bleiben. „So was prägt einen“, sagt Monika Kraus.

Und dennoch lieben die beiden, was sie tun. „Die Arbeit macht uns glücklich“, sagt Pit Kraus. Hygiene stand bei ihm schon immer an erster Stelle. Doch zunächst schlug er einen anderen beruflichen Weg ein. Pit Kraus machte eine Ausbildung zum Bäcker und arbeitete viele Jahre als Geselle. „Irgendwann wollte ich dann Hygienebeauftragter werden und vielleicht auch noch Lebensmitteltechnik studieren“, sagt er.

Doch es kam anders. Der Kolbermoorer machte eine Ausbildung zum „staatlich geprüften Desinfektor“. Dadurch ist Pit Kraus auch befugt, Tatorte zu reinigen, Schädlinge zu bekämpfen und Schimmel zu entfernen. Kurz darauf machte er sich mit seiner Firma Gebäudemanagement Kraus in Kolbermoor selbstständig. Immer an seiner Seite ist seine Frau Monika. Sie schloss erfolgreich einen Ausbildungskurs zur Tatortreinigerin ab.

In ihrer Firma bieten sie neben Tatortreinigung auch Schädlingsbekämpfung, Schimmelentfernung und die Entrümpelung von sogenannten Messie-Wohnungen an. Eine andere Tätigkeit kann sich das Ehepaar nicht mehr vorstellen. „Es ist ein schönes Gefühl, wenn man dafür sorgen kann, dass ein Mensch, der verloren war, sich wieder besser fühlt und wieder in eine saubere Wohnung zurückkehren kann“, sagt Pit Kraus. Deshalb ist klar, was für die beiden am wichtigsten ist: die Menschlichkeit. „Ich denke, ohne die, kann man diesen Beruf nicht machen“, sagt Monika Kraus. Ein Beispiel zeigt das deutlich. Das Team wurde zu einem Alkoholiker gerufen, um seine Wohnung wieder bewohnbar zu machen. Dort hatten sich der Schimmel und zahlreiche Schädlinge ausgebreitet. „Als ich dort ankam, ist der Mann nicht mal mehr aus seinem Bett aufgestanden. Er lag einfach nur da, in seinem eigenen Urin und Kot“, erinnert sich Pit Kraus.

Ihm sei gesagt worden, dass mit dem Mann nichts mehr anzufangen sei. Doch der Kolbermoorer habe davon nichts wissen wollen. Er nahm den Auftrag an und säuberte mit seinem Team die Wohnung. Der alte Mann sei stets dabei gewesen. „Ich habe mich während der Arbeit immer mit ihm unterhalten“, sagt Pit Kraus. Bis heute halten sie den Kontakt zu ihm aufrecht. Monika Kraus besucht ihn einmal in der Woche, um nach dem Rechten zu schauen. Stolz sind sie auf den Mann aus gutem Grund, denn seit dem Zeitpunkt hält er seine Wohnung sauber. „Das sind die Schicksalsschläge, die mir oft ans Herz gehen“, sagt Monika Kraus. Denn oft haben sie es in ihrem Beruf mit einsamen Menschen zu tun. Sowohl bei „Messie-Entrümpelungen“ als auch bei der Reinigung von Tatorten, und das egal, ob die Menschen auf natürliche oder unnatürliche Weise verstorben sind.

In diesem Zuge spielt auch das Thema Desinfektion eine wichtige Rolle. Bei jedem Arbeitsgang – egal ob in einer Privatwohnung oder in einem Bürogebäude – wird ordentlich desinfiziert. Das ist Pit Kraus ein großes Anliegen. Dadurch habe sich seine Gebäudereinigungsfirma auch von Konkurrenten abgehoben.

Denn ein großes Problem in diesem Berufszweig seien die „Billigfirmen“. „Vor allem Unternehmen greifen auf diese zurück, weil sie bei der Reinigung sparen wollen“, sagt Pit Kraus. Und oft würde dann auf Desinfektionsmittel verzichtet werden. Um sich davon abzuheben, bildete sich das Ehepaar weiter. „Als Desinfektor lernt man zum Beispiel, die richtigen Produkte und das richtige Zusammenspiel von Reinigungsmitteln kennen“, erklärt der Kolbermoorer.

Mittlerweile ist die Firma Kraus nicht mehr nur im Mangfalltal tätig. Die Mitarbeiter werden zu Fällen in ganz Oberbayern gerufen. Dabei stolpern sie auch mal über seltsame Funde. „Ich habe mal in einem Haus die Kellertür geöffnet und war mitten in einem Kriegsschauplatz“, sagt Pit Kraus. An den Wänden hätten mehrere Panzerfäuste und Kalaschnikows gehangen. „Da haben wir sofort die Polizei angerufen“, sagt er und lacht bei der Erinnerung daran.

Fälle mit Kindern
besonders schlimm

Zum Lachen ist dem Ehepaar allerdings nur selten zumute. Denn in einem Punkt sind sie sich einig. „Fälle mit Kindern sind die schlimmsten, da wir selber welche haben“, sagt Monika Kraus. Doch das Ehepaar nimmt jeden Auftrag an, egal welche Situation vorliegt. Fälle mit Kindern übernimmt Pit Kraus dann allerdings mit seinem Team allein. Seine Frau hält er da raus, um sie zu schützen.

Während ihrer Arbeit als Tatortreiniger sehen sie zwar keine Leichen, doch schon allein die Vorstellung davon könne man nur selten abstellen. „Ich versuche das während der Arbeit beiseitezuschieben, aber die Geschichten gehen einem schon ans Herz“, sagt Pit Kraus. Das Gute ist, dass das Paar einander hat. Zu Hause geben sie sich Halt, damit sie wieder gestärkt den nächsten „harten Fall“ übernehmen können.

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