„Auf und Ab im Leben“ vor Gericht

von Redaktion

Prozess gegen Autoknacker – Vielfach vorbestraft – Tatorte in der gesamten Region

Bruckmühl/Mühldorf – Immer nach dem gleichen modus operandi ging ein 44-Jähriger aus Bruckmühl vor. Er schlug Fenster von geparkten Pkws in den Landkreisen Rosenheim und Mühldorf ein und nahm alles Stehlenswerte mit. Die jüngste Serie zwischen Ende 2023 und April 2024 brachte den vielfach und einschlägig vorgeahndeten Täter erneut vor ein Gericht. Die Sechste Strafkammer am Landgericht Traunstein mit Vorsitzender Richterin Jaqueline Aßbichler setzt den in dieser Woche gestarteten Prozess am Dienstag, 4. Februar, um 13.30 Uhr fort.

Eigentlich hätte das Urteil schon gestern ergehen können, hätten nicht alle Prozessbeteiligten einschließlich Staatsanwalt Daniel Musin und Verteidiger Jörg Zürner aus Mühldorf noch ein psychiatrisches Sachverständigengutachten für unumgänglich gehalten. Dem 44-jährigen rumänischen Staatsangehörigen liegt zur Last, ab Weihnachten 2023 in einer Tiefgarage in Bruckmühl zweimal nach dem üblichen Muster aktiv geworden zu sein. Einmal konnte er das Beifahrerfenster nicht aufhebeln. Allerdings richtete er erheblichen Sachschaden an – wie bei allen Taten.

Die nächsten Fälle ereigneten sich am 18. März 2024 in der Stadt Rosenheim, gefolgt von mehreren Diebstählen aus Pkws in Wasserburg am 4. und 6. März 2024. Am 12. April 2024 schlug der notorische Dieb vor einem Anwesen in Waldkraiburg zu. Besonders „fleißig“ mit acht Einbrüchen in verschiedene Automodelle war er am 13. April 2024 in einer Tiefgarage in der gleichen Stadt. Wie häufig, war der Diebstahlschaden nicht extrem hoch.

Bei allen Taten zusammen erbeutete der 44-Jährige Gegenstände und Bargeld im Gesamtwert von etwa 1600 Euro. Oft fand er überhaupt nichts, was er hätte mitnehmen können. Der hinterlassene Sachschaden jedoch summierte sich auf über 14000 Euro.

„Mein Mandant war bei den Taten erheblich intoxiniert, sodass von Schuldunfähigkeit auszugehen ist“, betonte der Verteidiger. Den Begriff „intoxiniert“ erklärte der Angeklagte selbst: „Ich hatte immer mindestens zwei Promille Alkohol im Blut. Ich war immer sehr hochwertig weggetreten. Dazu habe ich noch Drogen wie vier bis fünf Gramm Kokain am Tag genommen.“ Womit er die Autoscheiben eingeschlagen habe, wollte die Vorsitzende Richterin wissen. Der Angeklagte sprach von „einem Trick mit Splittern aus dem Porzellan von Zündkerzen“.

Ein 69-jähriger Geschädigter aus Bruckmühl berichtete, er habe – wie jeden Tag – morgens zur Arbeit fahren wollen und habe die vielen Glasscherben innen im Wagen bemerkt. Einiges sei verschwunden. Eine Taschenlampe er wieder erhalten. Nachträglich vermisse er auch noch einen goldenen Ring im Wert von mindestens 300 Euro. Als der Zeuge dem Gericht die Rechnung über seinen Schaden am Pkw präsentierte und die 917 Euro ersetzt haben wollte, machte ihm die Vorsitzende Richterin keine Hoffnung: „Sie müssten eine Zivilklage einreichen. Ich rate Ihnen: Haken Sie den Schaden ab. Beim Angeklagten ist nichts zu holen.“ Der Zeuge hatte offenbar Mitleid mit dem Mann auf der Anklagebank. Er reichte ihm vor dem Verlassen des Gerichtssaals die Hand und wünschte ihm „alles Gute“.

Unter den Zeugen waren mehrere Polizeibeamte aus verschiedenen Dienststellen. Der Hauptsachbearbeiter informierte über die Vernehmungen von Geschädigten. Unter den Opfern seien viele ältere Menschen gewesen. „Es waren lauter brave Leute. Für sie waren die Autoeinbrüche ein Eingriff in ihr Privatleben. Sie waren schockiert und verängstigt“, schilderte der Polizist. Er habe auch alle Asservate katalogisiert, die bei dem Angeklagten aus der Diebesbeute noch gefunden worden waren. Teils seien daran auch DNA-Spuren des 44-Jährigen festgestellt worden.

Lebensgeschichte in
„kriminellem Umfeld“

Der Angeklagte erzählte selbst seine Lebensgeschichte. Er habe in einem „kriminellen Umfeld gelebt“. Mit zwölf Jahren habe er mit Alkohol begonnen, ab dem 13. oder 14. Lebensjahr mit Drogen – bis hin zu Heroin und Kokain. Die erste von mehreren Therapien habe er im Alter von 18 Jahren absolviert. Ein schwerer Autounfall habe ihn zwei Jahre lang aus der Bahn geworfen. Gearbeitet habe er in seiner Zeit auf freien Füßen stets sehr viel. Ab 2005 sei er acht Jahre drogenfrei gewesen. Durch familiäre Ereignisse habe er danach wieder mit Betäubungsmitteln begonnen. „Mein Leben ging Auf und Ab“, meinte er wörtlich. Und weiter: „Wenn ich abgestürzt bin, habe ich Sachen gemacht, die ich normalerweise nicht tue. Ich habe mich besoffen bis zur Amnesie. Jeder Rückfall tut mir verdammt leid.“ Nach „30 Jahren Suchterfahrung“ wolle er keine Therapie mehr, aber eine Substitutionsbehandlung. Ohne Substitution funktioniere sein Leben nicht mehr, schätzte der Angeklagte seine Lage ein. Zu dem Thema hört die Kammer am nächsten Verhandlungstag den Sachverständigen Dr. Rupert Müller aus Freilassing an.

Das strafrechtliche Vorleben des 44-Jährigen wies mehr als ein Dutzend Vorstrafen auf, darunter viele einschlägige mit Drogendelikten, Diebstählen und Sachbeschädigungen. Insgesamt verbrachte er mehrere Jahre in Gefängnissen. In Freiheit folgte zumeist der nächste „Totalabsturz“ und wieder eine Inhaftierung. Die letzte Vorstrafe von zwei Jahren neun Monaten Freiheitsstrafe verhängte das Amtsgericht Rosenheim Mitte 2024. Diese Vollzugstrafe und eine weitere von 16 Monaten wird die Sechste Strafkammer in die neue Strafe miteinbeziehen.

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