Rosenheim – Noch immer ermittelt die Polizei wegen des tödlichen Verkehrsunfalls am Montag kurz vor der Autobahnausfahrt Brannenburg. Ein 44-jähriger Fahrer aus der Ukraine war mit seinem Lkw in Richtung Kiefersfelden unterwegs und fuhr mit hohem Tempo auf das Ende des Staus, den die Blockabfertigung ausgelöst hatte. Er starb noch an der Unfallstelle.
Bei dem Unfall wurden drei Lkw ineinander geschoben, ein Pkw, der auf den Unfall-Laster prallte, wurde stark beschädigt. Zwei weitere Fahrer wurden leicht verletzt. Warum der Fahrer zu spät reagiert hat, dazu liegen noch keine Erkenntnisse vor. Die Verkehrspolizeiinspektion Rosenheim in Raubling hat einen Gutachter beauftragt. Er soll unter anderem feststellen, mit welchem Tempo der Unfall-Lkw auf das Stauende zuraste. Von den Beamten war immer wieder vor gefährlichen Situationen in Zusammenhang mit erschöpften und gestressten Fahrern gewarnt worden.
Während die Ermittlungen noch laufen, flammt auf deutscher Seite Kritik auf. „Braucht‘s den Scheiß?“, fragte Flintsbachs Bürgermeister Stefan Lederwascher am Montag und brachte damit die Meinung vieler Menschen im Inntal auf den Punkt. Einen tödlichen Unfall „hatten wir ja schon lang erwartet“, sagte Raublings Bürgermeister Olaf Kalsperger. „Und jetzt ist es passiert.“
Man habe sich von Anfang an Sorgen gemacht, sagte auch Matthias Jokisch. Der Brannenburger Bürgermeister kritisiert die österreichische Maßnahme als Verdrängung von Problemen, die eine ganze Region betreffen.
Unfallgefahr, Staus und Abgase im Inntal: Gerade der Unfall zeige deutlich, was die Österreicher innerhalb ihrer Grenzen vermeiden wollten. Die Blockabfertigung sei jedoch ein ungeeignetes Mittel. „Das ist eine Maßnahme, die das Problem einfach nur verschiebt“, findet Jokisch. „Die Österreicher sagen ‚Wir brauchen den Stau nicht, nehmt ihr ihn.’“
Ohne Worte sei er, sagt Georg Dettendorfer von der Spedition Johann Dettendorfer in Nußdorf zu dem tödlichen Unfall, „schlimm ist das. Aber man hat es kommen sehen.“ Zustände wie beim jüngsten Blockabfertigungstag machten es schwer, Fahrer zu finden, die die Tour nach Italien fahren. Angesichts des Verkehrschaos werde aber auch deutlich, wie nötig es sei, Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern.
Der ADAC sieht Einschränkungen der Mobilität auf Straßen „grundsätzlich kritisch“, wie Alexander Greipl vom Automobilclub sagt. Andererseits müsse man sehen, dass auch die Österreicher vor großen Herausforderungen stehen. „Sie können nicht anders, sie müssen die Luegbrücke neu bauen.“ Zuzulassen, dass sich die Lkw in die Brenner-Autobahn hinein aufstauten, sei nicht sinnvoll.
Betroffen äußerte sich der Tiroler Landesrat René Zumtobel. Solche Verkehrsunfälle seien tragisch, sein Mitgefühl gelte den Hinterbliebenen. Doch sei Tirol aktuell auf Dosierungen angewiesen: „Der Brenner-Korridor ist längst an seinen Kapazitätsgrenzen angekommen.“
Abhilfe könne ein grenzüberschreitendes Lkw-Verkehrsmanagement schaffen, wie es von Bayern, Südtirol und Tirol bereits ausgearbeitet wurde. Mit der Einführung dieses „Slot-Systems“ gehörten die Dosierungen der Vergangenheit an.
Nun haben sich zwar die drei Länder geeinigt. Die nationalen Regierungen aber zögern. Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter sieht zwar die österreichische Blockabfertigung kritisch. Österreich dürfe die Verkehrsprobleme nicht auf seine Nachbarn abwälzen und solle endlich einlenken. „Blockabfertigung, Nachtfahrverbot und generell die einseitigen Beschränkungen für den Güterverkehr müssen ein Ende haben“, sagte Bernreiter auf OVB-Anfrage. Aber er sagt auch: „Handeln können nur die Nationalstaaten.“ Italiens Klage gegen Österreich vor dem EuGH sei daher zu begrüßen.
Auch der ADAC-Experte bringt Erleichterungen wie Verringerung von Nachtfahrverboten ins Gespräch. Zugleich dämpft er die Hoffnungen .„Eine Super-Lösung ist nicht in Sicht“, sagt Alexander Kreipl. „Es sind einfach zu viele Lastwagen im Brenner-Korridor unterwegs.“