Rosenheim/Mühldorf – Ein bisschen fühlt es sich an, als wäre es erst gestern gewesen, und doch ist es schon fünf Jahre her: Ende Februar 2020 wurde das Coronavirus erstmals in Deutschland nachgewiesen. Was danach folgte, ist für viele Menschen mit einschneidenden Erlebnissen verbunden und hat Nachwirkungen auf unsere Gesellschaft bis heute. Das OVB hat in Rosenheim und Mühldorf Passanten gefragt, wie sie die Zeit der Corona-Pandemie erlebten.
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Gesperrte Spielplätze
Agnes Sarr, Leiterin Jugendzentrum aus Mühldorf: Mein jüngster Sohn ist im März 2020 geboren, also gleich zum Start des harten Lockdowns. Das war schon anspruchsvoll. Und mein großer Sohn musste sich mit Homeschooling auseinandersetzen. Gesperrte Spielplätze und die neue Definition von Freiheit werden mir außerdem in Erinnerung bleiben. Ebenso die Mitmach-Tüten im Jugendzentrum, die wir während dieser Zeit den Jugendlichen als virtuelle Kochanleitung zur Verfügung stellten.
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Keine normale Beerdigung
Rosemarie Storfinger, Angestellte aus Hart: Mein Vater ist während der Corona-Zeit verstorben. Es durfte keine normale Beerdigung stattfinden wie sonst in unserem Land üblich. Verwandte, Freunde und Bekannte konnten sich daher von meinem Vater nicht verabschieden. Abgesehen davon denke ich an die Maske zurück, die ich den ganzen Tag tragen musste, weil ich an einem Schalter mit Kundenverkehr arbeite. Acht Stunden Maske, das war kein Vergnügen.
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Die Natur entdeckt
Elisabeth Wölfl, Angestellte aus Reichertsheim: Freilich fielen bei den Ausgangssperren persönliche Kontakte unter den Tisch, was nicht schön gewesen ist. Andererseits entdeckten meine Familie und ich während dieser Zeit die Natur in unserer unmittelbaren Heimat. Schöne Plätze im Wald oder an einem Bach, an die wir vorher nie hingekommen sind, haben uns begeistert. Meine Kinder reden heute noch von solchen gemeinsamen „Corona-Wanderungen“.
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Meiden von Ansammlungen
Marco Rudigier, Einzelhandelskaufmann, Mühldorf: Die Pandemie verbinde ich hauptsächlich mit dem Schrumpfen persönlicher Kontakte. Im Restaurant essen oder abends mit Freunden an der Bar einen Cocktail trinken – dies alles war nicht mehr möglich. Die Corona-Krise wirkt sich bei mir eigentlich bis heute aus. Ich meide Menschenansammlungen und achte beim Einkaufen darauf, dass sich nicht zu viele Leute rund um mich drängen.
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Belastung für die Kinder
Bernhard Maier, Einzelhandelskaufmann, Mühldorf: Meiner Ansicht nach mussten die Kinder mehr leiden als die Erwachsenen. Ich sehe das an meinen beiden Söhnen. Der Jüngere wurde 2018 geboren. Er konnte nicht regelmäßig den Kindergarten besuchen und baute daher auch keine richtigen Freundschaften auf. Mein großer Sohn besuchte in dieser Zeit die vierte Klasse, bei der es um den Übertritt in höhere Schulen geht. Beim Homeschooling blieb manches auf der Strecke.
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Unsicherheiten, die nachhallen
Andreas Duldinger, Erzieher aus Neumarkt-St. Veit: Ich bin im sozialen Bereich tätig, da kämpften wir in der Corona-Zeit mit zahlreichen Problemen. Das Klatschen für systemrelevante Berufe machte sich beim Gehalt leider nicht bemerkbar. Die Unsicherheiten, die sich während der Pandemie auftürmten, hallen teilweise bis heute nach. Außerdem stelle ich mir die Frage, ob wir bei einer neuen Pandemie tatsächlich besser aufgestellt wären.
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Viele finanzielle Sorgen
Viola Fiegel, Einzelhandelskauffrau aus Rosenheim: Ich schaue im Nachhinein mit gemischten Gefühlen auf die Zeit im Corona-Lockdown. Einerseits war es schön, mal zur Ruhe zu kommen und Zeit für sich selbst zu haben. Andererseits war die Zeit sehr unsicher, und obwohl mein Mann zur Arbeit gehen konnte, plagten uns viele Sorgen. Eine große Frage war, ob wir die Zeit finanziell überleben werden. Wir wussten ja nicht, ob und was als Nächstes kommt.
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Rückzug ins eigene Heim
Erika Kirchmair, Rentnerin aus Rosenheim: Ich bin schon 96 Jahre alt und wollte mich lieber nicht anstecken. Deshalb bin ich fast den ganzen Tag im Haus geblieben und habe geputzt. Ich liebe es, den Haushalt zu machen, und habe auch vor Corona schon sehr zurückgezogen gelebt. Nur morgens bin ich auf den Gehsteig gegangen, um zu fegen, so wie ich es schon immer getan habe. Meine Vorsicht würde ich aber nicht als Angst bezeichnen. Ich esse gesund und bin für mein Alter sehr robust. Ich habe mehr Angst davor, dement zu werden, als mich mit Corona anzustecken.