Neue Details zur Säure-Attacke

von Redaktion

Mutmaßlicher Täter wird vor Gericht als „friedliebender Mensch“ beschrieben

Rosenheim/Traunstein – In einer Sache war man sich dann doch einig. Wirklich zuzutrauen sei die fürchterliche Tat dem Mann (41) aus dem Landkreis Traunstein nicht. Davon waren zumindest die Bekannten des Mannes, die am ersten Prozesstag um den Säure-Angriff in Rosenheim aussagten, überzeugt. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass er so kaltblütig ist, er ist ein friedliebender Mensch“, sagte seine Ex-Freundin (37) aus Rosenheim gleich zu Beginn.

Angriff aus
Eifersucht?

Die Staatsanwaltschaft sieht das etwas anders: Sie wirft dem 41-Jährigen vor, dass er am Abend des 13. Mai 2024 vermummt an der Tür eines Rosenheimers (31) geklingelt und ihm nach dem Öffnen sofort einen halben Liter Flusssäure ins Gesicht und über den Oberkörper gekippt hat. Aus Eifersucht, da der 31-Jährige seit einiger Zeit immer mehr Ausflüge mit der 37-Jährigen, die sich kurz vorher vom Angeklagten getrennt hatte, unternahm.

Da die Säure beim Rosenheimer so schwere Verletzungen an den Augen und ein akutes Nierenversagen verursacht hatte, lautet der Tatvorwurf auf versuchten Mord. Auch aus dem Grund, weil der Angeklagte wusste, dass die Säure in größeren Mengen auf der Haut ohne sofortige Behandlung zum Tod führen kann, machte Staatsanwalt Wolfgang Fiedler klar. Ob etwas an den Vorwürfen dran ist, dazu wollte sich der Angeklagte nicht äußern. „Mein Mandant macht auch zu seinen persönlichen Verhältnissen keine Angaben“, erklärte sein Verteidiger Stefan Neudecker. Ein wenig war dann dennoch über den mutmaßlichen Täter – einen kleinen, schmächtigen Mann – zu erfahren.

Ein psychiatrischer Gutachter berichtete von Gesprächen mit dem Angeklagten während der Zeit in Haft. Er sei ein kontaktfreudiger, ehrgeiziger Mensch, der mit „beiden Beinen im Leben steht“. Er habe studiert, sei in Vereinen sehr engagiert. „Er ist kein Einzelgänger“, betonte der Gutachter. Auch mit Frauen habe es nie Probleme gegeben. Immer wieder habe der 41-Jährige Beziehungen gehabt. So auch mit der 37-Jährigen. Man habe sich vor 20 Jahren an der Berufsschule kennengelernt, sagte die Frau aus Rosenheim. In den ersten Jahren hätten sie ausschließlich per E-Mail Kontakt gehabt.

Vor vier Jahren sei man dann gemeinsam öfter zu Berg- und Skitouren aufgebrochen – „bis sich Gefühle entwickelt haben“. Bis Anfang Januar 2024 hätten die beiden eine Beziehung geführt. Aufgrund der räumlichen Distanz habe man sich aber irgendwann auseinandergelebt, sagt die 37-Jährige. Sie habe in Folge wieder mehr mit anderen unternommen – unter anderem mit dem späteren Tatopfer. Dennoch sei der Kontakt zum 41-Jährigen nie ganz abgerissen.

Selbst dann nicht, als die Rosenheimerin dem Angeklagten beichtete, das 31-jährige Opfer geküsst zu haben. Wirklich eifersüchtig sei er nicht gewesen, auch aggressives oder gewaltbereites Verhalten seien ihr nicht aufgefallen. „Er wurde bei Streitereien nicht mal laut, er ist harmoniebedürftig“, sagte sie.

Sie habe aber schon den Eindruck gehabt, dass es den Angeklagten störte, dass sie mit dem Rosenheimer herausforderndere Klettertouren unternehmen konnte, da der 31-Jährige sportlicher sei. Die Sorge des Angeklagten sei gewesen, von einem „jungen Hüpfer“ ersetzt zu werden.

Obwohl die Beziehung vorbei war, habe man sich auch weiterhin täglich auf Whatsapp geschrieben.

Genauso habe es einige Treffen zum Aussprechen gegeben, sagte die 37-Jährige. Sie sprach leise, suchte immer wieder den Blickkontakt zum Angeklagten, der ihr allerdings auswich und fast regungslos die Erzählungen der gemeinsamen Zeit verfolgte. Auch dann, als es um den Abend des 13. Mai ging. Ihr habe er geschrieben, dass er für eineinhalb Stunden spazieren geht – ohne Handy.

Genau zu der Zeit wurde der 31-jährige Rosenheimer angegriffen. Dieser konnte nach der Attacke selbst den Notruf wählen. „Im Treppenhaus haben wir sofort einen stechenden und beißenden Geruch wahrgenommen“, sagte einer der Polizisten, die zuerst am Tatort eintrafen.

Der Rosenheimer habe ihnen oberkörperfrei die Tür geöffnet. Der Oberkörper und das Gesicht des Mannes seien gerötet und feucht gewesen, ein Auge sah bereits trüb aus. „Er hatte sichtbar Schmerzen“, sagte der Beamte. Wer ihn angegriffen hat, konnte der 31-Jährige der Polizei allerdings nur grob beschreiben. Dunkel gekleidet sei der Täter gewesen, ungefähr 1,75 Meter groß. Dennoch habe der Geschädigte schon kurz nach der Tat einen Verdacht geäußert, sagte eine Polizistin aus.

Mit einem Ex-Freund einer Bekannten soll es nicht immer einfach gewesen sein. Während der Ermittlungen sei den Beamten auch aufgefallen, dass sich vor und in der Wohnung Pfützen aus einer Flüssigkeit gebildet hatten – wie sich später herausstellte, handelte es sich dabei um die hochgiftige Flusssäure. Und wie am ersten Prozesstag klar wurde: Dort führt die Spur wieder zum Angeklagten. Bei einer Durchsuchung fand die Polizei in den Räumen des 41-Jährigen zwei Flaschen mit Flusssäure und einen säurebeständigen Handschuh – mit DNA-Spuren des Angeklagten.

Bei Gutachter
die Tat bestritten

Der aber hat gegenüber dem psychiatrischen Gutachter die Tat bestritten. Und auch für Verteidiger Stefan Neudecker bestehen Zweifel daran, ob sein Mandant „zeitlich und räumlich“ überhaupt am Tatort gewesen sein kann.

Deswegen müsse man sich noch genau anschauen, wie der Angeklagte die rund 70 Kilometer von seiner Wohnung zum Tatort zurücklegen konnte. Der Prozess wird am Dienstag, 11. Februar, fortgesetzt.

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