Aschau – Die Modernisierung der Kampenwandseilbahn ist ein umstrittenes Thema. Seit Jahren. Die seilbahnrechtliche Bau- und Betriebsgenehmigung für den Neubau liegt schon seit 2017 vor. Im Juni 2022 wurde sie um die Methode ergänzt, wie der Bau vonstattengehen darf. Einen Monat später klagte der Bund Naturschutz gegen diesen Änderungsbescheid des Landratsamtes.
„Zu unbestimmt und
daher rechtswidrig“
Mit Erfolg: Im November 2023 hob das Verwaltungsgericht München den Bescheid auf. Er sei zu „unbestimmt und daher rechtswidrig“, so das Urteil. Aus dem Genehmigungsbescheid und den Unterlagen ließe sich nicht eindeutig entnehmen, welche Bäume des 2020 unter Schutz gestellten Naturwaldes für die Aufweitung der Trasse gefällt werden dürfen.
Das Urteil wurde nie rechtskräftig. Der Betreiber der Kampenwandseilbahn – ein Aschauer Familienunternehmen in dritter Generation – beantragte beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) im Januar 2024 die Zulassung der Berufung. Ein Jahr später, am 4. Februar 2025, ließ dieser nun verlauten: „Die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes München vom 16. November 2024 wird zugelassen.“
Ein Paukenschlag im schier unendlichen Streit um die Kampenwandseilbahn, denn: „Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung über die Zulassung der Berufung ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts angenommen“, informiert ein BayVGH-Sprecher auf Anfrage des OVB.
Ein erster Zwischenerfolg für die Kampenwandseilbahn GmbH, denn aufgrund der Argumente, die sie vorgetragen hat, „wird der BayVGH nun ein Berufungsverfahren durchführen“. Zu diesen Argumenten gehört auch die Ausweisung der Schutzkategorie „Naturwald“. Und die ist nach erster Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofes zu ungenau und nicht „baumscharf“ genug.
Ein Blick zurück: Mit dem zweiten Gesetz zugunsten der Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern hatte der Bayerische Landtag beschlossen, im Staatswald ein grünes Netzwerk einzurichten, das zehn Prozent der Staatswaldfläche umfasst und aus naturnahen Wäldern mit besonderer Bedeutung für die Biodiversität besteht, den sogenannten Naturwaldflächen. Diese Flächen wurden im Dezember 2020 vom Bayerischen Forstministerium ausgewiesen.
Im Vorfeld hatten die regionalen Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) sowie die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) in Zusammenarbeit mit den Bayerischen Staatsforsten Vorschläge unterbreitet, welche Waldbestände besonders schützenswert sind. Dazu gehörten auch die alten, artenreichen Bergmischwälder an der Kampenwand.
Durch die steile Lage ist die Waldbewirtschaftung hier von Natur aus sehr schwer. So konnte sich über die Jahrhunderte eine wilde Natur entwickeln. Und die wurde in den vergangenen 68 Jahren auch von Kampenwandseilbahn und Tourismus nicht beeinträchtigt. „Die Natur entwickelt sich an der Seite bestehender Nutzungen durch den Menschen, an der Kampenwandbahn genauso wie an den Autobahnen. Das ist nicht ungewöhnlich“, erklärte Joachim Keßler, Betriebsleiter der Staatsforsten in Ruhpolding, dazu in einem OVB-Interview.
Das eigentliche Problem scheint auch in diesem Fall die vom grünen Tisch aus gesteuerte Bürokratie zu sein, denn: Die Naturwaldflächen wurden 2020 vom Forstministerium so grob kartiert, dass nicht nur Bereiche in der Nähe der Seilbahntrasse, sondern auch Teilflächen direkt unter der seit 1957 bestehenden Seilbahn als Naturwald ausgewiesen wurden, obwohl es dort gar keinen Baumbestand gibt. Eine Ungenauigkeit, die 202 Quadratmeter betraf. Und ein Fehler, der diesen Rechtsstreit erst möglich machte.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat das erkannt. Und das Forstministerium hat die Ausweisung des Naturwaldes an der Kampenwand inzwischen geprüft, korrigiert und die Grenzziehung genauer abgebildet.
Jetzt wird besser ersichtlich, ob und welche Bäume für einen Neubau gefällt werden müssten.
Und jetzt wird auch die Frage geklärt werden müssen, ob per Gesetz im Naturwald Forstwirtschaft untersagt ist, aber in der Nachbarschaft bestehende Anlagen erneuert werden dürfen.
Das heißt aber trotzdem nicht, dass die Kampenwandbahn nun neu gebaut werden darf. „Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat lediglich entschieden, dass es berechtigte Gründe für ein Berufungsverfahren gibt“, erklärt ein Sprecher. Dies habe nicht automatisch zur Folge, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts mit einer späteren Berufungsentscheidung „gedreht“ werde.
Argumente
austauschen
Vielmehr könnten die Beteiligten im Berufungsverfahren nun weitere Argumente austauschen. „Anschließend wird es aller Voraussicht nach zu einer mündlichen Verhandlung am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof kommen und der zuständige Senat den angegriffenen Bescheid des Landratsamtes Rosenheim nochmals vollumfänglich prüfen.“
Ob und wann es zu einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes komme, sei noch nicht absehbar. Fakt ist: Es bleibt spannend.