Brenner-Nordzulauf und Alpentransit: Wo die Freien Wähler falsch liegen

von Redaktion

OVB-Faktencheck Zum Informationsabend in Flintsbach besteht Klärungsbedarf – Im Bundestag soll noch heuer entschieden werden

Rosenheim – Endspurt im Bundestagswahlkampf, und die Freien Wähler luden zum Infoabend nach Flintsbach. Mit einem Thema, das im Wahlkampf auf Bundesebene keine Rolle spielt, wohl aber in der Region Rosenheim die Diskussionen anheizt: der Bennerbasistunnel und seine Zuläufe im Norden und auch im Süden.

Nach Flintsbach waren der Landtagsabgeordnete Sepp Lausch und Bundestagsdirektkandidat Sepp Hofer gekommen. Nicht ohne die rund 35 Gäste im Gasthof Falkenstein in Flintsbach zunächst über ihre Stimmungslage zu informieren. „Denke ich an den Brenner-Nordzulauf“, sagte Sepp Hofer, „dann denke ich an Unsinn und denke ich an großes Unglück.“ Weil der Ausbau der Bestandsstrecke reichen würde. Und weil nie ein Bedarf für neue Gleise festgestellt worden sei.

Sepp Lausch wiederum war vergangenen September in Südtirol. Und wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Zum Beispiel vom Besuch beim Brenner-basistunnel und beim sogenannten Südzulauf, dessen Abschlussstück gerade in Arbeit ist: Waidbruck bis Franzensfeste, die letzten 18 Kilometer vorm Südportal des Brennerbasistunnels bei Franzensfeste.

Wahr, halbwahr, falsch? Es lohnt, sich einige Ansichten der Freien Wähler hierzu anzusehen. Lausch vertritt zum Beispiel die Meinung, dass der Brenner-Nordzulauf schon deswegen unnötig sei, weil die Italiener ja ihrerseits den Südzulauf nicht groß ausbauten. Zumindest nicht vierspurig. Sepp Lausch äußert damit einen Verdacht, den er nicht als Einziger hegt.

Dagegen steht aber ganz klar, was Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher Ende 2024 im Gespräch mit dem OVB sagte. Er äußerte sich ausdrücklich zu jener Behauptung, in Südtirol werde nur an bestimmten Abschnitten vierspurig gebaut. „Das stimmt nicht. Ich weiß auch nicht, woher das kommt.“ Damit steht Kompatscher auf jeden Fall im Wort.

Was den Überblick erschwert: Deutschland und Italien haben unterschiedliche Genehmigungsprozesse. Darauf wies Lausch auch hin. Beim Abschnitt Rovereto, einer Stadt-Umfahrung: Da sei die Machbarkeit festgestellt, was man nicht mit einer deutschen Machbarkeitsstudie vergleichen könne, vielmehr mit einer Vorplanung.

Die Infrastrukturgesellschaft der italienischen Bahn sei „in allen Abschnitten“ an der Planung, sagte Kompatscher darüber hinaus im Gespräch mit dem OVB. Es fehlten allerdings in einigen Abschnitten noch Grundvoraussetzungen, „wie auch die Baulandplan-Eintragung der Trasse. Das betrifft aber Abschnitte weiter südlich.“ Und das heiße nicht, dass der Brennerbasistunnel nicht inzwischen – voraussichtlich ab 2032 – seine Funktion aufnehmen könne.

Übrigens: Auch die Deutsche Bahn plant für die Zeit nach der Basistunnel-Eröffnung mit Ressourcen auf der Bestandsstrecke, die so lange für den wachsenden Verkehr durch den Basis-Tunnel vorhalten sollten, bis frühestens ab 2040 der Brenner-Nordzulauf zur Verfügung steht.

Die Italiener planen derzeit noch in verschiedenen Stadien, richtig angefangen wurde allerdings auch schon. Beim letzten und nördlichsten Stück des Südzulaufs zwischen Waidbruck und Franzensfeste. Insgesamt macht es sich Sepp Lausch zu einfach, wenn er in Flintsbach feststellt: „Ich sage immer, im Südzulauf passiert gar nichts, und die Italiener sind nicht so weit.“ Die Kosten für die neuen Gleise seien hoch, führte Sepp Lausch weiter aus. Wer trägt die Kosten? „Dieser Brennerbasistunnel wird auch europäisch gefördert, weil zwei Länder dabei sind.“ Das sagte Sepp Lausch in Flintsbach. „Bei der Südzulauf-Strecke wird nicht gefördert“, sagt er, gleiches nimmt er für den Nordzulauf an.

Doch das ist nicht richtig. Was den Nordzulauf betrifft, gibt es noch keine Rechnung und auch keine Zusagen. Für den Südzulauf weiß Landeshauptmann Kompatscher aber Gegenteiliges zu berichten. Ursprünglich sei tatsächlich nur die Förderung des Basistunnels beabsichtigt gewesen. Dieses Finanzierungsmodell habe die Europäische Union auch auf die Zulaufstrecken ausgedehnt. Nun finanziere die EU den Bau auch des Südzulaufs mit 40 Prozent. „Das dürfte, nehme ich an, auch für Deutschland gelten.“

Mängel sieht Lausch zurecht an den Verlademöglichkeiten. „Zurzeit haben wir überhaupt nicht die Terminal-Infrastruktur.“ Tatsache ist aber, dass der Freistaat daran arbeitet. Gebaut wird nach Auskunft des Bayerischen Bau- und Verkehrsministeriums in Augsburg-Gersthofen, in Regensburg-Burgweinting sind die Planungen weit vorangeschritten. Im Hafen Nürnberg-Roth wird das Terminal erweitert. Die Standorte München-Nord und Interfranken sind in Planung. Auch gebe es alternative Lösungen. „Eine Verladung etwa von Sattelaufliegern auf die Bahn ist mit Greifstaplern ohne größere Infrastrukturinvestitionen zu bewältigen“, sagt ein Sprecher.

Sepp Hofer und Sepp Lausch würden den Nordzulauf am liebsten verhindern. Viel mitzureden haben sie wohl nicht. Im Bundestag soll noch heuer darüber entschieden werden. Und egal, wie die Wahl ausgeht: Eine Mehrheit der Abgeordneten dürfte für das Projekt und die Planungen der Bahn stimmen. Das zeichnete sich im Oktober 2024 deutlich auch bei der Anhörung vorm Verkehrsausschuss ab. Dagegen geäußert hat sich die Linke. An ihre Seite könnte sich in der Nordzulauf-Abstimmung Sepp Hofer gesellen, wenn die Freien Wähler drei Direktmandate holen. Die Union wiederum steht im Wort: CDU und CSU reichten 2024 einen Antrag ein, die Kernforderungen der Region zu berücksichtigen. Ähnlich wie im Bayerischen Landtag kürzlich CSU und Freie Wähler.

Michael Weiser

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