Mike Glemser bricht sein Schweigen

von Redaktion

Am 3. Februar 2023 verunglückte der Rosenheimer Eishockey-Profi Mike Glemser schwer. Sein Garmischer Gegenspieler soll ihn absichtlich gefoult haben, die Sache liegt vor Gericht. Mit dem OVB sprach Glemser über die Probleme, nach Garmisch zurückzukehren. Und darüber, was ihn antreibt.

Rosenheim – Aufstehen in der winterlichen Dunkelheit, um 5 Uhr morgens, die anstrengende Fahrt nach Garmisch-Partenkirchen. Dann warten im nüchternen Flur eines Gerichtsgebäudes. Schließlich fünf Minuten Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am Amtsgericht Garmisch. Ein Gütetermin. Absehbar, dass nichts dabei rauskommen würde. Zu weit sind die Positionen auseinander. Mike Glemser wollte dennoch diesen Termin am 30. Januar nicht verpassen. „Auch wenn die Tour nach Garmisch extrem anstrengend war“, sagte er dem OVB, „ist der Fall sehr wichtig für mich, weshalb ich den Weg auf mich genommen habe.“

Der Streitwert liegt
bei über 800000 Euro

Der Fall, ein brutaler Sturz. Es war im Februar 2023, als sich für Glemser alles änderte. Auf einen Schlag. Beim Auswärtsspiel beim SC Riessersee verlor der Eishockey-Profi im Trikot der Starbulls Rosenheim nach einem harten Check die Kontrolle und prallte mit dem Kopf voran in die Basis der Bande. Glemser brach sich den vierten und fünften Nackenwirbel, wurde ins Unfallkrankenhaus Murnau gebracht, lag tagelang im Koma. Seit jenem 3. Februar ist er gelähmt und sitzt im Rollstuhl.

Glemser, sein Anwalt Oliver Negele und seine Lebensgefährtin Lara gehen davon aus, dass Gegenspieler Jan Niklas Pietsch vom SCR Schadenersatz zahlen muss. Pietsch soll Glemser gefoult haben. Checks sind im Eishockey normal. Darüber hinaus wäre der Nachweis eines Vorsatzes notwendig. Allerdings würde eine private Haftpflichtversicherung bei Vorsatz nicht greifen, weswegen Pietsch nach Aussage seines Anwalts Wolfram Cech aus eigener Tasche zahlen müsste. Eine gewaltige Summe: Der Streitwert liegt bei über 800000 Euro.

Vielleicht einen Kilometer Luftlinie liegt das Amtsgericht vom Eisstadion entfernt. „Es war emotional für mich sehr, sehr schwer, wieder in Garmisch und in der Nähe des Unfallortes zu sein. Auch schon die Tage davor hatte ich schlaflose Nächte und die ganze Fahrt über war mir übel“, berichtet Mike Glemser.

Pietsch war nicht gekommen. Glemser hatte es auch nicht angenommen. „Da ich seit eineinhalb Jahren kein Entgegenkommen von ihm erhalten habe und er mit seinem Anwalt den Weg über die Presse gewählt hat, in dem man versucht, mich schlecht darzustellen, bin ich nicht davon ausgegangen, von ihm eine Reaktion oder ein Zeichen zu erhalten.“ Anwalt Cech sagte dem OVB, dass sein Mandant durchaus versucht habe, den schwer verletzten Mike Glemser zu kontaktieren. „Ich hatte seither keinen einzigen Kontakt mit Jan Niklas Pietsch“, sagt allerdings Glemser selbst. Pietsch habe lediglich mit Lara gesprochen, als die sich bei Pietsch gemeldet hatte. Lara habe sich Sorgen um den Riesserseer gemacht.

Als die beiden sich austauschten, war aber weder ein Besuch bei Mike Glemser noch ein Gespräch mit ihm möglich. „Da ich weder sprechen noch selbstständig atmen konnte.“ Zum Glück habe er zumindest mit der Beatmung und dem Sprechen nach einiger Zeit Fortschritte machen können. „Jedoch wurde ich bis heute nie von ihm kontaktiert.“ Und auch Lara habe er nach diesem einen Kontakt nicht mehr geschrieben. Auch nachgehakt habe er nicht. Als seine Freundin nach der Haftpflichtversicherung gefragt habe, habe er die Daten nicht aushändigen wollen.

Es sei ihm dennoch wichtig, „dass es für meinen Gegenspieler keine Nachteile oder persönliche Schädigung gibt“, beteuert Glemser. Er und Lara hätten sich sogar erkundigt, ob Pietsch durch das Heranziehen seiner Haftpflichtversicherung Nachteile erleiden könne – etwa die Erhöhung seiner Beiträge. Weil der Garmischer aber bis zum Gütetermin keinerlei Kontaktdaten der Haftpflichtversicherung herausgerückt habe, sei er gezwungen gewesen, den Klageweg zu wählen.

Eine Einigung ist
weiterhin möglich

Über die Nachrichtenagentur dpa ließ Mike Glemser wissen, dass er sich noch immer eine gütliche Einigung vorstellen könne. Man würde es ihm wünschen, den Abschluss, wieder mehr Ruhe, und das alles ohne juristisches Tauziehen. „Für uns ist es bis heute eine sehr schwierige Zeit, wir sind immer noch unendlich dankbar für die ganze Unterstützung, die ich erhalten habe“, sagt er dem OVB. „Jedoch ist der öffentliche Druck auch oft sehr anstrengend, da man immer mit dem Unfall konfrontiert wird. Gerne würden wir mal einfach unsere Ruhe haben.“ Deswegen wühle ihn auch so auf, wenn versucht werde, ihn schlecht darzustellen, „sodass es auf unserer Seite gegenüber zu vermehrten Hassnachrichten und Hasskommentaren führt“.  Deswegen habe er sich auch entschlossen, sich zu äußern: „Um einige Dinge klarzustellen“.

Womöglich wird aber doch das Gericht entscheiden. Ein Kammertermin wurde anberaumt. Wann er stattfinden wird, ist noch offen. Ursprünglich hatten Glemser und sein Anwalt die Klage beim Landgericht in München eingereicht.

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