Mitarbeiter unter Druck gesetzt?

von Redaktion

Der Frust ist groß: Tiermedizinische Fachangestellte klagen über zu niedrige Gehälter und eine zu hohe Belastung. Jüngst riefen sie gar zum Streik auf. Das führte allerdings teils zu bedenklichen Reaktionen seitens der Arbeitgeber. Wo die Probleme liegen und wie die Notfallversorgung in Rosenheim läuft.

Rosenheim – „Es wurden enorm viele Haustiere angeschafft“, sagt Katrin Hammermann, Referatsleiterin Tiermedizinische Fachangestellte (TFA) beim Verband medizinischer Fachberufe. Seit der Corona-Pandemie hätten Haustiere generell einen ganz anderen Stellenwert als noch zuvor. Das Problem: „In derselben Zeit sind nicht mehr Tierarztpraxen dazugekommen, geschweige denn Fachpersonal“, sagt Hammermann. Sogar das Gegenteil sei der Fall.

Mitunter
Aufnahmestopps

Viele 24/7-Versorger hätten ihren Klinikstatus wieder abgegeben, da dieser Betrieb personell nicht mehr aufrechtzuerhalten gewesen wäre. In den Tierarztpraxen läuft es inzwischen teils ähnlich wie in manchen Arztpraxen. „Es gibt Praxen, die so überlaufen sind, dass sie Aufnahmestopps für Neukunden verhängt haben“, sagt Hammermann. Auch im Süden Bayerns sei der Personalmangel ein Problem. „Die hohen Patientenzahlen sind an manchen Tagen in den ‚normalen‘ Praxen nicht zu stemmen, und viele Fälle müssen an eine Tierklinik in München oder die Tages-Tierklinik Rosenheim verwiesen werden“, sagt Hammermann. „Dass dort dann natürlich auch alle Kollegen am Limit arbeiten, ist klar.“

In der Rosenheimer Tierklinik sei man allerdings derzeit gut aufgestellt, wie Tierarzt Dr. Dirk Butenandt auf OVB-Anfrage erklärt. Mit 14 Tierärzten, 18 Tiermedizinischen Fachangestellten, sechs Auszubildenden und fünf Kräften für Verwaltung und Anmeldung sei man „sehr gut aufgestellt“. Daher sehe man sich auch in der Lage, den tierärztlichen Notdienst in der Region aufrechtzuerhalten. Also, erst mal aufatmen für Tierbesitzer. Die Arbeitsspitzen an Brückentagen und Feiertagen könne man aufgrund der Einsatzbereitschaft des „engagierten und motivierten Teams“ glücklicherweise meist bewältigen.

Dass dennoch nicht überall alles so rosig aussieht, schildert Hammermann weiter. Denn auch bei den TFA ist die Unzufriedenheit mit dem Tarifgehalt groß. In den ersten beiden Berufsjahren erhalten TFA nach Tarif 2423 Euro pro Monat. Zum Vergleich: Medizinische Fachangestellte erhalten knapp 400 Euro mehr. Für Hammermann unverständlich: „Die Anforderungen in den Berufen sind vergleichbar, wenn nicht sogar bei den TFA etwas höher, da TFA auch das Narkosemanagement und die Intensivmedizin sowie die stationäre Betreuung übernehmen.“

Bei Tierbesitzern dürfte dieser Gehaltsstreit auf den ersten Blick für Verwunderung sorgen. Schließlich sind die Tierarztkosten in Folge der neuen Gebührenordnung in der Vergangenheit teils massiv gestiegen. Sehen die TFA davon nichts?

Bei der letzten Tarifverhandlung im Oktober 2022 wurde die neue Gebührenordnung noch ausgeklammert, erklärt Hammermann. „Begründung war, dass man noch nicht einschätzen könne, wie sich die Anpassung auf die Praxen auswirken würde.“ Nun laufen die neuen Verhandlungen. Und eine Weitergabe an die Fachangestellten sei „mehr als logisch und fair“.

Viel hat sich allerdings im Streit bisher nicht getan, weshalb der Verband nun vergangene Woche zum Streik aufrief. Denn das aktuelle Gehalt habe nicht nur Auswirkungen auf das derzeitige Leben der Angestellten, merkt Hammermann an. „Wenn man mit einem 40-Stunden-Job, der viel Verantwortung und Gefahren mit sich bringt, am Ende des Tages nicht gut leben kann, oder mit Eintritt ins Rentenalter gleich seinen Antrag auf Grundsicherung abschicken kann, dann stimmt einfach etwas nicht!“

Hier spricht sie auch aus persönlicher Erfahrung: „Auch ich komme bei meiner jährlichen Mitteilung der Rentenkasse ins Grübeln, ob ich mir meine verbleibende Erwerbstätigkeit von mindestens 20 Jahren in diesem Beruf überhaupt noch leisten kann“, sagt sie auf OVB-Anfrage. Es sei daher auch nicht verwunderlich, dass viele Kollegen nach erfolgreicher Ausbildung auf kurz oder lang aus dem Beruf verschwinden.

Zahlreiche Berufsgruppen haben in den vergangenen Monaten gestreikt. Es ist ein Grundrecht. Doch bei den TFA scheint es selbst hiermit Probleme zu geben, wie Hammermann berichtet.

Repressionen
und Sanktionen

Sie sagt, dass die Berufsgruppe teils massiv unter Druck gesetzt werde. „Die Arbeitgeber nehmen den Einsatz der TFA für ihre Berufsangehörigen als persönlichen Angriff und drohen mit Sanktionen und Repressionen, nur um sie einzuschüchtern und an einer Streikteilnahme zu hindern“, erklärt Hammermann. „Das ist der eigentliche Skandal. Es passieren momentan wirklich schräge Dinge.“ Es vergehe kein Tag ohne Meldungen von Betroffenen, die „diesen Machtspielen ausgeliefert sind“.

Trotz Streik, Unzufriedenheit und Frust betont Hammermann aber auch, dass es auch anders geht. „Viele Tierärzte zahlen schon über dem Tarif, aber es geht um alle TFA und hier wünschen wir uns, dass die Berufsgruppe zusammensteht.“

Das fordert der Verband

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