Linke Pläne nach dem Überraschungserfolg

von Redaktion

Damit hätte bis vor Kurzem wohl niemand gerechnet: Bei der Bundestagswahl holte die Linke fast acht Prozent der Stimmen. Wie überrascht man darüber in den eigenen Reihen war und wie er zum Brenner-Nordzulauf steht, verrät der frisch gewählte Rosenheimer Abgeordnete Ates Gürpinar im OVB-Gespräch.

Rosenheim – Ein Tag Anfang März, Ates Gürpinar ist nach aufregenden Tagen in Berlin mal wieder in der Region. In einem Gespräch mit der Redaktion des OVB äußert er sich über Deutschlands Lage, über seine Pläne. Und über das, was die Region Rosenheim ihm zufolge sicher nicht braucht.

Während man bei den Linken wenige Wochen vor dem Wahlsonntag noch um den Einzug in den Bundestag gebangt hatte, stellte sich am Abend Partylaune ein. „Die Stimmung ist sehr gut“, sagte der Rosenheimer Kandidat Ates Gürpinar dem OVB, „bis vor Kurzem hätten wir nicht gedacht, dass wir so gut abschneiden würden.“ Er war auf Platz eins der Liste angetreten, hatte 4,6 Prozent in der Region Rosenheim geholt, in der die CSU dominiert.

„Müssen den Finger
in die Wunde legen“

Tage nach dem Überraschungserfolg seiner Partei gibt er zu: „Das hätte ehrlicherweise niemand so erwartet.“ Der Parteivorsitzende Jan van Aken habe immer von sieben Prozent gesprochen. „Das wurde erst nicht ernst genommen“, sagt Gürpinar. „Aber unser Ergebnis von fast neun Prozent – das hätte ehrlicherweise niemand so erwartet.“ Doch mit dem Ergebnis ist es nicht getan. Dass es für die Linke nicht für eine Regierungsbeteiligung reichen wird, war von vornherein klar. Nun heißt es: Ran an die Oppositionsarbeit.

„In den letzten drei Jahren – und das muss ich selbst schuldig anerkennen – haben wir es nicht geschafft, eine überzeugende linke Opposition darzustellen, an der sich Menschen orientieren können“, sagt Gürpinar. „Deswegen konnten wir Union und AfD, die darauf gesetzt haben, Menschen gegeneinander auszuspielen, nicht genug entgegensetzen.“ Die Ziele der Partei sind klar: „Wir verkörpern für viele Menschen die Hoffnung, dass sich etwas zum Besseren verändern lässt. Wir müssen weiterhin den Finger in die Wunde legen“, sagt Gürpinar. Dabei komme es nicht auf Deutschland als nationale Macht alleine an. Es sei nun wichtig, undemokratisch agierenden Politikern wie Trump oder Putin etwas entgegenzusetzen.

Forderung nach Geld
für Lebensgrundlagen

Gürpinar gibt zu, dass er nie ein Fan der Schuldenbremse gewesen sei. Mit dem Ende des strikten Sparzwangs könnte er sich daher arrangieren. Wäre da nicht das Hauptziel – die Aufrüstung. „Es wurde immer wieder behauptet, es sei nicht genug Geld da. Jetzt erleben wir, dass Geld da ist. Die Frage ist, wofür es ausgegeben wird“, sagt Gürpinar. Davon, das Geld nur in Panzer, Bundeswehr und Co. zu stecken, halten er und seine Partei allerdings wenig. Man müsse nun in Daseinsvorsorge und Wohnraum investieren. „Das hilft Menschen, die schon seit Jahrzehnten hier leben, und Menschen, die erst jüngst zu uns gekommen sind, ohne sie gegeneinander auszuspielen“, sagt Gürpinar.

Zudem merkt er an, dass die Rüstungsausgaben in der EU ohnehin schon ziemlich hoch seien. „Als EU geben wir kaufkraftbereinigt mehr Geld aus als Russland“, sagt der frisch wiedergewählte Bundestagsabgeordnete. „420 Milliarden Euro im Jahr. Ich glaube, bei Russland sind es 300 Milliarden im Jahr. Wir sind als EU Nummer zwei, auch noch vor China, hinter den USA, was die Rüstungsausgaben angeht.“ Es sei absurd, sich mit der Schuldenbremse einen künstlichen Knebel zu verpassen. „Aber für Rüstungsausgaben? Was jetzt gerade passiert, ist nicht die Aufhebung der Schuldenbremse“, sagt Gürpinar. „Man möchte nur unbegrenzt viel Geld in Rüstung stecken können.“

Kritik an Ausgaben
für „totes Metall“

Fiskalisch gesehen sei das „völlig unsinnig“, wenn es nach dem Linken-Abgeordneten geht. „Militär ist keine Investition in die Zukunft wie Brücken und Schienen. Das ist totes Metall, das irgendwo lagert und hoffentlich niemals zum Einsatz kommt“, betont er.

Apropos Schienen: Die Linke kämpft für eine Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene. Also auch für den Brenner-Nordzulauf? Bereits vor der Bundestagswahl äußerte sich Gürpinar kritisch zu den aktuellen Planungen der Deutschen Bahn. Der Grund: Nach vielen schlechten Erfahrungen bei Großprojekten wie Stuttgart 21 und der Zweiten Münchner Stammstrecke sei er misstrauisch. Daher fordert er: „Neben den Planungen der Deutschen Bahn gibt es alternative Trassenplanungen, die man sich zumindest anschauen sollte.“

Brenner-Nordzulauf:
Belastungen erwartet

Auch bei den von Stadt und Landkreis Rosenheim angestrebten Tunnelanteilen müsse man genau hinschauen. „Eine Belastung wird es geben. Hörbar, wenn es überirdisch stattfindet. Aber auch unter Tage. Dann ist sie nur versteckter, aber letztlich sogar klimaschädlicher“, sagt Gürpinar. „Wir als Linke wollen, dass so etwas nur dann gebaut wird, wenn es ökologisch und verkehrstechnisch sinnvoll ist.“

Ein „nach dem Sankt-Florians-Prinzip dagegen“ sein, wie es bei manchen Betroffenen der Fall sei, möchte Gürpinar allerdings nicht gelten lassen. „Dieses ‚Ja, aber bitte nicht bei mir‘ ist für mich kein Argument“, macht er deutlich. Für den Rosenheimer Bundestagsabgeordneten ist allerdings auch klar, dass er den Planungen in der jetzigen Form nicht zustimmen wird. „Ich bin noch hoffnungsvoll, dass es eine weitere Diskussion über eine klimafreundlichere Variante geben wird“, sagt er. „Ich habe noch nicht aufgegeben.“

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